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Ausgabe:

1936 Nr. 21

Spalte:

390-391

Titel/Untertitel:

Zur Neugestaltung des theologischen Studiums 1936

Rezensent:

Preisker, Herbert

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389

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 21.

390

Menschen zusammen behauptet. Verf. legt seinen Glaubensbegriff
dar. Hier stehen freie Hingabe an Gott
und Erfahrung des Überwältigtseins, persönliche Entscheidung
und innere Nötigung zum Vollzug der Entscheidung
unvermittelt nebeneinander in gegenseitigem
Durchdrungensein. Hieraus die Konsequenzen ziehend,
nimmt K. Stellung zum Problem Gnade und Freiheit:
,durch das Tor der Freiheit treten wir ins Reich der
Gnade', aber ebenso gilt: ,-durch das Tor der Gnade
treten wir ins Reich der Freiheit*.

Die Schlußbetrachtung bringt eine sehr beachtenswerte
Auseinandersetzung mit der von K. Heim vertretenen
Position. Heims Auffassung vom Urfall wird
abgelehnt mit dem Hinweis, Schuld könne nur durch
persönliche Entscheidung bedingt sein. Zieht man hierzu
Heims neuerschienenes Werk: Jesus der Herr' heran,
wo Heim zu der Frage Urschuld und Einzelverfehlung
ausführlich Stellung nimmt (S. 129 ff.), so finden wir
hier die von K. vertretene Auffassung widerlegt. Bewußte
Verfehlungen erscheinen H. als Ausstrahlungen
einer Urschuld, manchem Menschen machen gerade die
unwillkürlichen Regungen vor der ethischen Entscheidung
zu schaffen. Diese Auseinandersetzung über die
Urschuld drängt uns die Frage auf: ist der von K. vertretene
Schuldbegriff ausreichend? Verträgt sich K.'s
Schuldbegriff mit der reformatorischen Auffassung von
der Unvermeidbarkeit und Unentschuldbarkeit der Sünde?

Eine weitere Frage K.'s an Heim: ist es richtig, die
Vergangenheit nur als Symbol einer abgeschlossenen
Welt zu betrachten? Ruhen in ihr nicht Antriebe zu
künftiger Gestaltung? Heim könnte darauf antworten,
daß jede Erhaltung kontinuierliche Neuschöpfung sei
(Gl. u. Denken, 3. Aufl., S. 180).

Die Auseinandersetzung mit Heim kann nicht ganz
befriedigen, weil sie den Eindruck aufkommen läßt, daß
K. dieselbe nicht so gründlich vollzogen hat, wie es
erforderlich gewesen wäre. Im übrigen ist K.'s Buch
ungemein anregend, weil es uns durch den geschichtlichen
Überblick die Fülle der Äußerungen und Fragen
zum Freiheitsproblem gut erkennen läßt. In den beiden
letzten Kapiteln wird das Ringen der Gegenwart mit
der Freiheitsfrage gut veranschaulicht. Die Darlegung
der eigenen Stellungnahme des Verfassers in Form
eines Gesprächs zwischen einem Theologen und einem
Philosophen muß als recht gelungen bezeichnet werden
. Die Stellungnahme K.'s zu den neuesten Äußerungen
zum Freiheitsproblem zeigt, daß das Problem
nicht als ,gelöst' angesehen werden kann.

Angesichts der gegenwärtigen geistigen Lage mit
ihrer starken Betonung der in den Kräften des Volkstums
, der Rasse, der Vererbung liegenden Gebundenheiten
sind wir zu neuem Durchdenken des Freiheitsproblems
aufgerufen. Hierbei kann K.'s Buch wertvolle
Hilfe sein.

Bienenbüttel (Kr. Uelzen). Wilhelm Heyderich.

Jülich, Dr. Werner- Zur Bedeutung der religiösen Gemeinschaft
im Christentum. Wiirzburg: K. Triltsch 1933. (VI,
133 S.) 8°. RM 3.60.

Es geht in dieser scharfsinnigen Untersuchung um
eine Auseinandersetzung mit dem religiösen Individualismus
, um die Frage nach der Bedeutung religiöser Gemeinschaft
. Wie der Verfasser in der Einleitung seines
Buches konstatiert, gibt es in der Fachliteratur gegenwärtig
keine einheitliche Stellungnahme dem gemeinschaftlichen
Glauben gegenüber. Die einen sehen nur
rein individuelle Religiosität, die anderen rechnen die
Religion unter die Erscheinungen, die aus der geistigen
Wechselwirkung einer Vielheit von Individuen entspringen
. Man kommt nicht weiter, ohne die Frage nach
dem Wesen des Religiösen im Hinblick auf individuelle
oder gemeinschaftliche Glaubenshaltung aufzuwerfen.
Jülich beschränkt sich aus guten Gründen in seiner
Untersuchung auf das Christentum, zumal die individualistische
und kollektivistische Auffassung innerhalb
des Christentums wiederkehren. In den Mittelpunkt stellt

I er das auf dem Gebet ruhende Verhältnis zu Gott als
i ein für jede christliche Haltung wesentliches Element
I (S. 6ff.). Damit stößt er in das Zentrum der individualistischen
Stellung vor. Mit Hilfe der „strukturdialektischen
" Methode versucht er die gemeinsame
christliche Gebetsstruktur herauszuarbeiten. Das Buch,
das in drei Hauptabschnitte zerfällt (I. Persönliches
j Religionsleben und Gemeinschaft. II. Wesen der religiösen
Gemeinschaft. III. Bedeutung der religiösen Ge-
I meinschaftsformen), hebt hervor: der Gehalt des per-
! sönlichen Religionslebens ist unter Ausschaltung der
I Gemeinschaft garnicht erreichbar. Dem Hineingestelltsein
in die Gemeinschaft verdanken wir Stärkung, Si-
I cherung und Festigkeit im Glauben. — Im II. Teil, in
i dem der Verfasser von der Frage ausgeht, warum die
: Religion immer zur Gemeinschaft führt, stellt er die
t Behauptung auf: die religiöse Gemeinschaft tritt nicht
irgendwie zum religiösen Erlebnis hinzu, sondern sie
ist unter bestimmten Voraussetzungen schon im Erlebnis
als wesentliches Moment mitgegeben (S. 61). Unter
Berufung auf Kierkegaard kommt er zu der Feststellung
: „Wenn der Gläubige Gott in seiner Erhabenheit
erfährt und daraus erkennt, daß Gott in seinem Sprechen
auf die Gesamtheit aller sieht, dann muß er, um
mit Gott sprechen zu können, in sich auch die an-
I deren vor Gott tragen." Daß das Gottesverhältnis
nicht eine von der Mitwelt abgelöste Verbundenheit
mit Gott sein kann, wird u. a. am Bestehen des „Kün-
dungs- und Bekehrungsdranges" nachgewiesen (S. 77).
— Im III. Hauptabschnitt wird vor allem das Inein-
i andersein und Ineinanderwirken des Einzelnen und der
Gemeinschaft klargelegt; dann erst kann jeder Pol
j in seinem Eigenwert erkannt werden. Zwei Fragen
treten besonders hervor: Bedeuten die festen kirchlichen
1 Formen nicht eine Vergewaltigung des freien Ausschwin-
j gens der Seele, und worin liegt der Sinn, der sie rechtfertigt
? Dazu die Frage: Wozu überhaupt Darstellung
und symbolische Uebung des Religiösen? Geistliches
Leben ist mit einer bestimmten sinnlichen Gestaltung
verbunden (S. 93). Objektive Formen sind
von großer Bedeutung in Liturgie und Dogma. Die Ge-
I meinschaftsformen offenbaren sich als Stütze und Vertiefung
des religiösen Lebens, zugleich aber auch als
existenzgefährdend, wenn nämlich das Wachsein nach-
i läßt. Im Unterschied zu der Kirche tritt in der Sekte
das persönliche Moment, die religiöse Gefühls- und
Erlebnisseite und das Streben nach persönlicher Heiligung
stärker hervor (S. 120). Die die Kirche ablehnende
Sekte bleibt aber in ihrem Wesen ständig auf die
Kirche bezogen. Manche Formulierungen erscheinen vom
I evangelischen Standpunkt aus schwierig (z. B. über das
Wesen des Glaubens S. 36, über das Gebet S. 105, über
das Mönchtum S. 116) und sind z. T. darauf zurückzuführen
, daß der Verfasser einen Allgemeinbegriff von
Kirche zugrundelegt. Im übrigen zeichnet sich diese
grundlegende Untersuchung über religiöse Gemeinschaft
durch eine Fülle von treffenden Bemerkungen aus; hervorgehoben
sei das über „Dämonien" (S. 82), über den
Unterschied von Kameradschaft und Bruderschaft (S.
88), über die religiöse Sprache (S. 98) Gesagte.
Minden (Westf.). y. Rahe.

Zur Neugestaltung des Theologischen Studiums. Vorträge und
I Andachten auf der i. J. 1934 jn Königsberg i. Pr. veranstalteten 4.
Konferenz theologischer Hochschullehrer der baltischen Länder, gehalten
v. T. Bohlin u. a. Herausgeg. v. I. Schniewind. Qöttingen: Van-
• denhoeck & Ruprecht 1935. (79 S.) gr. 8°. RM 2—.

Hier sind neben Andachten eine Reihe von Vorträgen
über Fragen einer Neuorientierung und Neugestaltung
der theologischen Arbeit und des theologischen
Universitätsunterrichts geboten. Alle setzen die
Selbstverständlichkeit der Universitätsausbildung der
Pfarrer voraus, besonders betont wird das noch in dem
Vortrag von Rosenqvist (Abo) über „Kirchliche Praxis
und Theologie". Wenn auch jeder Vortrag die Eigenart
des Vortragenden zeigt, so sieht man doch auch