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Ausgabe:

1936 Nr. 21

Spalte:

387-388

Autor/Hrsg.:

Kühler, Otto

Titel/Untertitel:

Sinn, Bedeutung und Auslegung der Heiligen Schrift in Hegels Philosophie 1936

Rezensent:

Jelke, Robert

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Seite 1

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387

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 21.

388

sehr eingeschränkte Anerkennung Lütgerts, der trotz
seiner Fries entgegengesetzten Stellung doch dessen
religiöse Wärme hervorgehoben hat. Methodisch fordert
Hasenfuß eine rezeptive Religionsphilosophie, die
auf Religionspsychologie und Religionsgeschichte aufbaut
, und bekämpft den Apriorismus, der zur symbolischen
Umdeutung und damit zur Vergewaltigung, weil
Verkürzung der Religion und des Christentums führe.
So bleibt Fries diesseits der Offenbarung im menschlichen
Kreise befangen. Des Fiktionismus ist er aber
nicht schuldig, wie der katholische Kritiker irrig meint.
Denn der Fiktionismus hat das Bewußtsein um die
Falschheit der Gedanken zur Voraussetzung, während
doch Fries von der Realität Gottes überzeugt ist. Im
Lichte des gleichen Mißverständnis sieht übrigens Hasenfuß
auch Schleiermacher.

Als evangelischer Theologe wird man innerhalb der
Möglichkeiten des Idealismus bei Fries doch einen wesentlichen
Fortschritt über Kant hinaus anerkennen. Die
Begründung der Religion auf die „Ahndung" ist religionspsychologisch
gesehen eine Vertiefung des religiösen
Verständnisses und auch erkenntnistheoretisch
geurteilt eine wertvolle Weiterentwicklung über Kant
hinaus auf dem von ihm gebahnten Wege. Aber man
wird doch — bereits innerhalb des idealistischen Ansatzes
— mit der Kritik des Verfassers darin einig gehen,
daß es nötig ist, die subjektivistische Gefahr des Idealismus
durch ein viel stärkeres Zurückgehen auf die
psychologischen und geschichtlichen Tatbestände und
eine viel stärkere religiöse Auswertung derselben wenn
nicht abzuwenden, so doch einzuschränken.

Bei der heute notwendigen Geltendmachung des existentiellen
Standpunktes wird man weiter mit der Kritik
des Verfassers darin zusammentreffen, daß die Offenbarung
bei Fries im menschlichen Kreise bleibt und damit
ihres Offenbarungscharakters entkleidet wird. Bei
diesem Verständnis der Offenbarung wird man dann aber
ganz anders als der Verfasser d:e Verborgenheit der
Wirklichkeit Gottes betonen müssen, die menschliche
Spekulation nicht aufhellen kann, sondern die nur vom
Evangelium her als Anspruch Gottes erfahren und im
Glaubensgehorsam anerkannt werden kann. Das sind
dann freilich Gedankengänge, die ganz über Kant und
Fries hinausführen und die Religionsphilosophie noch
viel stärker, als es bei dem katholischen Kritiker unter der
Voraussetzung der analogia entis möglich ist, aus allem
Idealismus herauslösen. Alles christliche Verständnis der
Geschichte ist nur in der gläubigen Existenz möglich.
Berlin. Kurt Kessel er.

Kühler, Otto: Sinn, Bedeutung und Auslegung der hl. Schrift
in Hegels Philosophie. Mit Beitr. zur Bibliographie ü. d. Stellung
Hegels zur hl. Schrift. Leipzig: S. Hirzel 1934. (XII, 110 S.) gr. 8°.
= Studien u. Bibliographien z. Gegenwartsphilosophie. H. 8. RM 4—.

Nicht an der gesamten Arbeit, sondern nur an der
Arbeit des fertigen Denkers Hegel hat unser Autor seine
Studie orientiert. Über die theologischen Jugendschrifteii
ist nach der Meinung unseres Autors reichlich gearbeitet
. Dagegen fehlt es seinem Empfinden nach an umfassenden
Spezialstudien über die Gedankenwelt des fertigen
Denkers, soweit seine theologische Bedeutsamkeit
in Frage steht. Schon damit ist angedeutet, daß die
Frage nach dem Bibelverständnis Hegels nur im Zusammenhang
seiner gesamten innerphilosophischen und
innertheologischen Haltung richtig ventiliert werden
kann. Das Resultat, zu dem unsere Schrift dabei kommt
ist bereits im ersten Teile der Untersuchung das, daß
eine wirkliche Bedeutung der Bibel bei Hegel nicht in
Frage kommt. Bestätigen dann die weiteren Teile dieses
Resultat, so könnte man wohl fragen, was unsere Schrift
überhaupt mit der Theologie zu tun, die doch mit ihrer
biblischen Bezogenheit steht und fällt? Gewiß, eine
direkte, die Theologie unmittelbar fördernde Bedeutung
hat unsere Schrift nicht. Andererseits darf man aber
nicht vergessen, daß Hegel nicht nur mit seiner Religionsphilosophie
ein gut Stück der Theologiegeschichte
wirklich entscheidend beeinflußt hat, sondern auch als
der größte Gegenspieler einer exegetisch-biblischen Wissenschaft
reichliche Wirkung ausgeübt hat. Wird man
hieran erinnert, so wird man zugeben müssen, daß eine
Monographie über die Gedanken Hegels, zumal über die
j seine Stellung zur Schrift betreffenden Gedanken, die im
Einzelnen wirklich nicht allzubekannt sein dürften, doch
auf das Interesse der Theologen rechnen dürfte. In diesem
Sinne sei unsere Monographie, die den „Studien und
Bibliographien zur Gegenwartsphilosophie" wirklich Ehre
macht, empfohlen.

Heidelberg. Robert J e 1 k e.

Keussen, Dr. Rudolf: Die Willensfreiheit als religiöses und
philosophisches Grundproblem. In Kommission : Berlin : Furche-
Verlag 1935. (VI, 225 S.) 8°. RM 6 — .
In Keußens Buch wird eine Reihe von Aufsätzen
zusammengestellt, die in den Jahren 1931 bis 33 veröffentlicht
sind. Sie alle behandeln das Problem der
Willensfreiheit, und bilden ein geschlossenes Ganzes.
In einem Schlußwort werden die wichtigsten Beiträge
I zum Problem der Willensfreiheit, die in neuester Zeit
I erschienen sind, besprochen, hier wird insbesondere zu
der von K. Heim vertretenen Auffassung Stellung genommen
.

Die Grundlage, auf der die Erörterungen über Willensfreiheit
ruhen, ist die nur im Glauben zu erfassende
Bindung des Menschen an Gott. Für sie die Unterlagen
aufzuweisen, ist Ziel der Darlegungen Keußens. (K.)

i Ein Überblick über die von den bedeutendsten Philosophen
vertretenen Auffassungen zeigt, daß die Mehr-

| zahl derselben geneigt ist, unsere Frage im Sinne des
Determinismus zu beantworten. Die Abwehr des philosophischen
Determinismus vollzieht K. durch den Hinweis
, daß es Dinge gibt, die sich der Anwendung des
Kausalitätsprinzips entziehen.

Nachdem die wichtigsten Äußerungen der Bibel zu
unserem Problem aufgezeigt sind, wird ein Überblick
gegeben über die Stellungnahme der großen christlichen
Denker aller Zeiten. Die Kontroverse Augustin-
Pelagius, Thomas-Duns Scotus, Luther-Erasmus wird
aufgezeigt, die Bedeutung des Problems bei Calvin und
in der reformierten Theologie sowie im nachreforma-
torischen Katholizismus wird dargelegt. Die Darstellung
zeigt, daß gerade die großen christlichen Denker
Deterministen gewesen sind. Das Ringen mit dem Problem
der Freiheit führt zu der Frage: Ist es möglich,
der Allwirksamkeit Gottes Grenzen zu setzen? Ist nicht
die Möglichkeit jeder eigenen Betätigung für das krea-
türliche Wesen unterbunden, wenn Gottes Allmacht und
Allwissenheit Alles umgreift?

Des Verfassers eigene Stellungnahme zum Freiheitsproblem
lernen wir in den letzten beiden Kapiteln seines
Buches kennen. K. unterscheidet zunächst die formale
oder technische von der im Gewissen begründeten
Freiheit. Zwar ist es Tatsache, daß wir als zur
Freiheit berufene Wesen weithin der Abhängigkeit
der uns umklammernden Welt erliegen. Trotzdem muß
ich, sofern ich schöpferischer Geist bin, frei sein. —
Als Mensch, der sein Leben unter der ihm durch sein
Gewissen angekündigten Verantwortung führt, weiß ich
wohl um die enge Verknüpfung von Schicksal und
Schuld. Sofern ich das auf mir lastende Verhängnis
als Schuld erkenne, werde ich frei, da nunmehr die
Möglichkeit der Umkehr und Erlösung besteht. Das
Gewissen führt mich jedoch nur an das Tor der Gnade.
Es sagt mir, daß ich irre gegangen bin. Auch das Ge>-
setz als Forderung des persönlichen Gottes kann mich
nicht von mir selber frei machen. Meine letzte mir
gewiesene Bestimmung kann ich von mir aus nicht
erreichen, zu ihrer Verwirklichung brauche ich eine
neue Triebkraft, nämlich die in Jesus offenbarte göttliche
Liebe. Die Frage der Prädestination beantwortet

I K., indem er Souveränität Gottes und Freiheit des