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Ausgabe:

1936 Nr. 21

Spalte:

384

Autor/Hrsg.:

Herzog, Johannes

Titel/Untertitel:

Friedrich Christoph Oetinger 1936

Rezensent:

Burger, Ewald

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Seite 1

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383

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 21.

384

Denkens jüdischer Denker über die jüdische Religion
während 2y2 Jahrtausende. Es wird für jeden, dessen
Arbeit auf diesem Gebiete liegt, für jeden, der sich mit
der christlichen oder der islamischen Philosophie namentlich
des Mittelalters beschäftigt, unentbehrlich sein.
Niemand wird es ohne aufrichtigsten Dank aus der Hand
legen.

Breslau. Hermann Vogelstein.

Gentzkow, Liane von: Christine Wasa. Das Lebensbild einer
nordischen Frau. Berlin: B. Behrs Vlg. 1934. (VIII, 310 S) 8°.

RM 4.50; geb. 5.75.

„Glaubensfreiheit für die Welt

rettete bei Breitenfeld

Gustav Adolf, Christ und Held"

so heißt es auf dem schlichten Steine des Gedenkens
an den ersten großen Sieg Gustav Adolfs auf deutschem
Boden. Die Verfasserin dieses Lebensbildes einer „nordischen
Frau" ist offenbar anderer Meinung. Nach
ihrer, in der ultramontanen Geschichtsbetrachtung nicht
selten anzutreffenden Ansicht starb Gustav Adolf für
seinen Nachruhm und für Deutschlands Zukunft zur
rechten Zeit (S. 5), und die eigentliche Heldin der
Glaubens- und Gewissensfreiheit ist seine Tochter, die
Königin Christine. Es gehört schon ein außergewöhnliches
Maß von Wagemut dazu, um aus dieser — milde
gesagt — merkwürdigen Frau, die keine Pflichten, keine
Bindungen, keine Verantwortungen ertragen konnte, eine
Vorkämpferin der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu
machen. Natürlich ist Glaubens- und Gewissensfreiheit
in der Vorstellung dieser „nordischen" Frau und ihrer
Biographin nur möglicli in der in romantischem Glänze
erstrahlenden römisch-katholischen Kirche. Dementsprechend
werden das Luthertum und die lutherische Kirche
auf einem düsteren Hintergrunde absoluter Intoleranz
gemalt. Es ist durchaus der Ton, wie wir ihn in der
umfangreichen Literatur der Konvertitenverherrlichung
gewohnt sind.

Im Wesentlichen stützt sich die Verfasserin auf die
Veröffentlichungen des schwedischen Freiherrn Carl
Bildt (1899, 1906); in dem umfangreichsten Abschnitte
ihres Buches „Das Herz der Köniign", der etwa ein
Fünftel des ganzen Buches ausmacht, bringt G. reichlich
Auszüge aus den Briefen der Königin an den Kardinal
Azzolini. Aber weder diese Briefe noch die Memoiren
der Königin wollen uns als eine irgendwie zuverlässige
Quelle für das abenteuerliche Leben dieser „nordischen
" Frau erscheinen.

Die Verherrlichung dieser unverantwortlichen, hemmungslosen
Barockfürstin, zumal als einer „nordischen"
Frau — oder gar als „Walkyrie" wie G. schreibt
— wächst sich nachgerade zu einer grotesken Unerträg-
lichkeit aus. Gewiß ist dies abenteuerliche Leben immerhin
auch heute noch ein leidlicher Romanstoft (Frederick
L. Dun bar: Königin Christine, der Roman
ihres Lebens. Leipzig 1935), und Alfred Neu mann
denkt in seinem immerhin recht schmissigen Buche
„Christine" (Wien 1935, Amsterdam 1936; engl. London
1935) nicht daran, eine „nordische" Frau zu verherrlichen
.

Berlin. Otto Lerche.

Michel, Max: Die Volkssage bei Abraham a Sancta Clara.

Leipzig: Herrn. Eichblatt 1933. (II, 73 S.) gr. 8°. = Form und Geist.
Arbeiten z. germanischen Philologie Bd. 31. RM 3.50; geb. 5—.

Der Erfolg der literarischen und Predigttätigkeit
Abrahams a Sancta Clara des vielgenannten Wiener
Augustinerbarfüßers in der Zeit des Kaisers Leopold, beruht
nicht zuletzt auch dessen Fähigkeit, durch pak-
kende „Exempel" seinen Zuhörern den behandelten Gegenstand
unmittelbar nahe zu bringen. D. V. stellt sich
in der vorliegenden Studie die Aufgabe, die Verwertung
der Volkssage hierbei klarzustellen. Das Wort
„Sage" ist freilich Abraham unbekannt; er gebraucht
dafür die Begriffe „Geschichte" und „Fabel"; unter

i dieser versteht er eine Erzählung, die keinen Glauben
verlangt, unter jener die Fixierung eines Ereignisses,
j das den Glauben an seinen Inhalt voraussetzt. Ihren
| tieferen Gehalt empfängt die Sage durch das Wunder,
das Abraham als eine reale Begebenheit beurteilt, ohne
daß er allerdings jeden Wunderbericht kritiklos hinnehmen
würde. An einer Reihe von gut gewählten Einzelbeispielen
zeigt d. V., in welcher Weise Abraham
die Sage pädagogisch-seelsorgerlich bezw. rhetorisch verwertet
. In Bezug auf den Teufels-, Hexen-, Geister- und
Gespensterglauben, der bei ihm allenthalben durchschlägt
, bewegt er sich durchaus in den Bahnen überkommener
Gläubigkeit. Wie er in dieser Hinsicht Überliefertes
ohne weitere Überlegung weitergab, wird z. B.
ersichtlich aus seinen Angaben über den Aufstand der
60 000 (!) lutherischen Bauern in Oberösterreich, die
erst überwunden werden konnten, nachdem ihr durch
teuflische Mittel erzieltes „Gefrorensein" gegen Pistolen-
| kugeln durch geistige Mittel beseitigt worden war. Zur
I Feststellung der Quellen, aus denen Abraham seinen
I Stoff geschöpft, untersuchte d. V. ungefähr 1500 Sa-
| gen, ohne daß er dabei alle Quellen hätte restlos auf-
j decken können. Im allgemeinen verschaffte sich der
! Prediger, wie M. feststellt, in unwissenschaftlicher Arbeitsweise
sein Illustrationsmaterial aus zweiter Hand.
Die Untersuchung Ms. klärt das Verständnis der Gestalt
Abrahams a Sancta Clara in einem wichtigen Belang.
Wien. Karl Völker.

Herzog, Joh.: Friedrich Christoph Ötinger. Stuttgart: Calwer
Vereinsbuchhandlung 1935. (270 S.) kl. 8°. Geb. RM 3—.

Das Buch erscheint nach 33 Jahren in 2. unveränderter
Auflage, weil „dieser Theologe und Theosoph
inzwischen eine weit erhöhte Bedeutung für das Geistesleben
unserer Gegenwart gewonnen hat". Es ist
dabei besonders an seine Bemühungen um die Zusammenschau
von Geist und Natur gedacht und an seine
„Theologie aus der Idee des Lebens abgeleitet". Verf.
gibt in chronologischer Reihenfolge ein ausführliches
Lebensbild Oetingers. Es geht ihm nicht so sehr um

I eine historische Untersuchung, die etwa Oetinger aus
seiner Zeit zu verstehen suchte, auch nicht um eine
dogmatische Behandlung der Oetingerschen Theologie;
er ist vielmehr bestrebt in allgemeinverständlicher Weise
die eigentümliche Persönlichkeit dieses komplizierten
und doch stets um Einfalt ringenden Mannes menschlich

I nahe zu bringen. Reichliche Zitate aus Oetingers Schriften
geben einen Einblick in den großen Gedankenreichtum
und in die umfassende Gelehrsamkeit dieses originalen
Geistes und machen das Buch zu einer Fundgrube

I kostbarer Worte, erschweren aber auch den Überblick

I über das Ganze. Den Schluß des Buches bildet eine Charakteristik
Oetingers in Zügen aus seiner Lehre und
seinem persönlichen Leben. Hier wird das Ziel, das
Oetinger sich gesetzt hat, ein Brückenschläger vom
Natürlichen zum Geistlichen und vom Geistlichen zum
Natürlichen zu sein, voll gewürdigt, wenn auch die
theologische Durchführung, die Art der Schriftauslegung

I und die spekulativen Gedankengänge nicht ganz gebilligt
werden.

Tübingen. Ewald Burger.

! Odebrecht, Rudolf: Friedrich Schleiermachers Ästhetik. Im

Auftr. d. Preuß. Akademie d. Wissensch, u. d. Literatur-Archiv-Gesellsch.
zu Berlin nach d. bisher unveröffentlichten Urschriften zum ersten
Male hrsg. Berlin: W. de Gruyter & Co. 1931. (XXXIX, 356 S.)
gr. 8°. = Das Literatur-Archiv. Veröffentlichgn. d. Literatur-Archiv-
Gesellsch. in Berlin hrsg. v. J. Petersen. 4. Bd. RM 16.20; geb. 18—.

In der alten Gesamtausgabe der Werke Schleiermachers
ist die Ästhetik durch seinen Schwiegersohn
Lommatzsch herausgegeben, auf Grund einer Kollegnachschrift
von 1831/32. Fast hundert Jahre hindurch
! kannte man sie nur in dieser Form, und schon die
! äußere Anlage des Buches machte wenig Lust, es zu
lesen; über den Inhalt ist manch unfreundliches Ur-