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Ausgabe:

1936 Nr. 20

Spalte:

355-356

Titel/Untertitel:

Shelomoh ben Yitsḥaḳ, Raschi's Pentateuchkommentar 1936

Rezensent:

Duensing, Hugo

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355

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 20.

356

Register (S. 299—319) und Nachträge und Berichtigungen
(320—324). —

Was dem Buch von Hempel besonders zu eigen ist,
scheint mir die klare Herausarbeitung der israelitischen
Religion aus der Schaar der orientalischen, vornehmlich
semitischen Religionerf. Ihre besondere Art von den
Anfängen über die Propheten bis in die nachpropheti-
sche Zeit tritt deutlich und scharf heraus und damit
auch die Antwort auf die Frage, warum gerade aus ihr
— nicht aus einer oder der anderen orientalischen oder
der griechischen Religion das Christentum sich aufbauen
konnte und aufgebaut hat. Und es ist sehr zu wünschen,
daß sich viele durch Hempels schöne Arbeit belehren
lassen. — Daß bei einem so großen Stoffe Mancher
Manches anders sieht, ist selbstverständlich. Immerhin
ist die Summe des Gemeinsamen, von den Forschern
auf diesem Gebiete Erarbeiteten groß genug, daß auch
ein Nkhtfachmann sich der Führung durch den Verfasser
getrost anvertrauen kann.

Einzelne Anmerkungen zum Schluß. Daß es dem
Verfasser der Elisageschichten ein „Rätsel sei, daß ein
Gottesfürehtiger jung sterben muß" ist nicht 2. Kön.
4,1 zu lesen. S. 23. Von einem „Buch der Sühnungen"
der für die salomonische Zeit bezeugt sei, weiß die unter
Anm. 4 fälschlich angeführte Stelle (es muß vielmehr
die unter Anm. 3 gegebene Stelle sein, nämlich 2. Sam.
24,14) nichts. Ob das Wissen von Gut und Böse
lediglich das Wissen um die Zeugung, das geschlechtliche
„Erkennen" ist (S. 198) in Gen. 3, ist mir doch
zweifelhaft, trotz H. Schmidt. — Mit dem Verweis
(S. 293 0 Sir. 35,4. Rahlfs kann der Leser wirklich
nichts anfangen. Auch vermag ich nicht dem beizustimmen
(S. 287x), daß „die Reden Jahwes in Hiob
(Hiob 38 ff.) nicht die Haltung des Hiob, vielmehr die
Stellungnahme der Freunde treffen, also in ganz verkehrter
Front kämpfen würden", wie Verf. das schon
1929 in der Zeitschrift f. System. Theologie S. 621—89
in seinem Aufsatz über das theologische Problem des
Buches Hiob des Breiteren ausgeführt hat. — Übrigens
könnte das Verzeichnis der Abkürzungen (S.VIIf.) vollständiger
sein. —

Es ist erfreulich, daß Verf. nach Herstellung dieser
2. Auflage nun Zeit finden wird, das (S, 280 u. 285)
in Aussicht gestellte Werk über „Das Ethos im Alten
Testament" zu schreiben.

Bonn. Jon. Meinhold.

Bamberger, Rabbiner Dr. Selig: Raschis Pentateuchkommen-
tar. Vollständig ins Deutsche übertragen und mit einer Einleitung
versehen. 3. Auflage. Frankfurt a. M. : J. Kauffmann 1935. (VIII,
542 S.) gr. 8°. geb. RM 6—.

Das lebhafte Interesse, welches das Judentum an
der Exegese Raschi's nimmt, hat schon früher zu Übersetzungen
einzelner Teile seiner Kommentare geführt.
Beispielsweise wurde der Kommentar zur Genesis 1833
von Dukes in Prag herausgebracht. Im gleichen Jahr
erschien in Bonn der erste Band der Übersetzung des
Kommentars zum Pentateuch von Haymann. 1887 gab
Julius Dessauer in Budapest im Selbstverlage eine Übersetzung
des Pentateuchkommentares heraus (Rasy 'al
hatorah). Die vorliegende Übersetzung hat ihre dritte
Auflage erlebt. Die zweite Auflage war ein unveränderter
Abdruck der ersten mit einigen am Schluß beigefügten
Berichtigungen. Auch die jetzige Auflage gewährt
ein gleiches Aussehen. Sie „schließt sich", weil
sie dem praktischen Zwecke dienen will, „denen, die
Raschi lernen oder zu lernen beginnen, über technische
und vielleicht auch andere Schwierigkeiten hinwegzuhelfen
", „ohne viel kritisches Beiwerk den üblichen, allgemeinverbreiteten
Raschiausgaben an". Sie hat aber
die Raschiausgabe Berliners, des Lehrers des Übersetzers
, zu Rat gezogen und hat aus dieser nach ihrer
zweiten Auflage die meisten der dem Texte in Klammern
beigefügten Quellenangaben entnommen. Diese Beigaben
erhöhen den Wert der Übersetzung, die, wo ich
sie nachgeprüft habe, sich als zuverlässig erwies. —

j Uns interessiert Raschi um der geschichtlichen Tatsache
willen, daß er auf dem Wege über Nikolaus von Lyra
auf Luther eingewirkt hat, und zum andern deshalb,
I weil manche seiner Erklärungen des wörtlichen Sinnes
I noch heute der Überlegung wert sind, obwohl seine
j grammatischen Kenntnisse über das 100 Jahre vor ihm
! von Menahem b. Saruk und Dunasch b. Labrat Erarbeitete
kaum hinausgingen.

Die Ausstattung des Buches ist gut.
Goslar am Harz. Hugo D u e n s i n g.

' Bacon, Benjamin W., D. D., Litt. D.: The Gospel of the Hellenists.

Edited by Carl. H. Kraeling, Ph. D. New York: H. Holt & Comp.
1933. (XIII, 432 S.) 8°. geb. $ 4—.

In dieser Zeit, da wir in Deutschland neue Versuche
literarischer Analysen des vierten Evangeliums teils erhalten
haben teils erwarten (Hirsch und Bultmann),
darf dieses Buch des verstorbenen Professors an der
Yale-Universität — von seinem Nachfolger Kraeling
herausgegeben — noch mehr Interesse oeanspruchen
als in dem Jahr seines Erscheinens. Es ist in der Tat
ein höchst beachtenswerter Versuch zur Lösung der jo-
hanneisehen Frage, der auf mancherlei Vorarbeiten beruht
. Es ist dem Verfasser nicht beschieden gewesen,
I das Werk vor seinem Tode zu vollenden; gewisse Un-
j gleichheiten sind auch heute noch zu spüren, am meisten
j bei dem Abschnitt über die Abschiedsreden (S. 218 ff.).
Man hat dem Herausgeber dafür zu danken, daß er es
unternommen hat, das Ganze zu revidieren und gelegentlich
auch einmal unter konkurrierenden Entwürfen eine
Auswahl zu treffen.

Eine Stelle in der Übersetzung des Johannes-Evangeliums, an
der der Herausgeber den Leser an seiner Überlegung teilnehmen läßt,
mag angeführt werden, weil die innere Auseinandersetzung Bacons mit
dem Stoff hier besonders bezeichnend ist und überdies den Deutschen
an die berühmte Meditation in Fausts Studierstube erinnert, die das
gleiche Bibelwort zum Thema hat. Bacon begann seine Übersetzung:
„In the beginning was Thought". Dann korrigierte er „Thought" zu
„Soul". Am Rand seines Manuskripts aber ist zu lesen „the principle
of Order" — und der Herausgeber hat schließlich keine Entscheidung
getroffen, sondern drucken lassen „In the beginning was the Logos".

Diese Übersetzung will in Druck und Anordnung
die Form des Evangeliums darstellen, in der es aus der
Hand seines eigentlichen Verfassers kam. Zugleich aber
will sie zeigen, was ein Redaktor hinzugetan hat, um
das Evangelium der Tradition der Gemeinde einzuverleiben
: das sind z. B. im Prolog nicht nur V. 6—8 und
V. 15, sondern auch die Verse 12 b. 13 und 14 Mitte.
Den Unterbau zu dieser literarkritischen Rekonstruktion
liefert der zweite Teil des Buches „Special Introduc-
tion", eine Analyse der einzelnen Teile des Evange-

| liums. Davor aber steht als erster Teil „General Intro-
duetion" ein kühner und energisch durchgeführter Versuch
, den Standort des Evangelisten innerhalb des Ur-

I Christentums aufzuzeigen. Zu diesem Zweck wird ein
neuartiges konstruktives Bild des frühen Christentums
entworfen, das ernstliche Beachtung und kritische Auseinandersetzung
verdient. Ich brauche kaum zu sagen,
daß dieser erste Teil des Buches (S. 3—133) den interessantesten
und wertvollsten Abschnitt des ganzen
Werkes darstellt.

Bacon steht der Überlieferung von einem großen
Johannes in Ephesus mit unerschütterlicher Skepsis ge-

I genüber und beruft sich dafür auf das Schweigen aller
in Betracht kommenden Zeugen (I. Petr., I. Clem., Act.
20, Epheserbrief, PastoraTbriefe). Die Entstehung jener
Tradition hängt nach seiner Meinung mit einem Mißverständnis
zusammen, das in der Kirche in Bezug auf den
Autor der Apokalypse verbreitet war. Die Apokalypse
beruhte auf Prophezeiungen, die aus Jerusalem stammten
, aus dem Kreis, dem auch der wirkliche Galiläer Johannes
angehörte. Es war die in Ephesus lebende „prophetische
" Tochter des Evangelisten Philippus, die in
der Zeit Domitians dies Buch der Gesichte des Johannes
schuf; dabei galt als die Zeit des Patmos-Exils die Zeit

I des Claudius. Erst als Gegner der Apokalypse bemerk-