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Ausgabe:

1936

Spalte:

341-343

Autor/Hrsg.:

Wendland, Heinz-Dietrich

Titel/Untertitel:

Die Mitte der paulinischen Botschaft 1936

Rezensent:

Kittel, Helmuth

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341

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. IQ.

342

Weiter sucht R. die Tatsache zu verwerten, daß
klassische und Bibeltexte in so enger Verbindung gefunden
wurden. Wichtiger ist, daß er den Finger darauf
legt, einmal, daß das Vorkommen dieser alten Rolle
in einem beliebigen ägyptischen Dorf zeige, daß weniger
gelehrte Interessen des Philadelphus, als die Bedürfnisse
der jüdischen Gemeinde die Übersetzung veran-
laßten, und dann, wie abwegig die These von Gaster sei,
die Übersetzung stamme überhaupt nicht aus Ägypten.

Am bemerkenswertesten ist aber, was die 40 Zeilenfragmente
unmißdeutbar über den Textcharakter an Aufschluß
geben: Die Fragmente haben 4 ganz neue LA,
11 mal gehen sie mit 6, 10 mal mit A, nur 3 mal mit
B und 15 mal gegen B! Also ein Text, der 600 Jahre
vor unsern großen Majuskeln mit A6 geht! R. weist auf
Kenyons Ausführungen zu dem ehester Beatty Kodex
963 hin, der zeitlich die Mitte zwischen unsern Fragmenten
und den Unzialen hält: auch hier speziell m
Deut, engste Verwandtschaft zu 6 und damit zu AF
und ein Überwiegen der Abweichungen im Verhältnis
zu B. Wichtig ist auch, daß keine der sahidischen
SpezialLA auftritt (36). 150" und, nach einer Lücke
unserer Kenntnis, 150^ haben wir in Ägypten einen ausgeprägten
AText. Man sieht, das kleine Fragment
stellt Fragen, die wir noch nicht beantworten können.
Nur soviel wird schon gesagt werden dürfen: 1. Hinter
der durch hexaplarische Beeinflussung und sprachliche
Vulgarismen gekennzeichneten bekannten Außenseite
von A birgt sich ein uralter eigentümlicher Überlieferungsstrang
. 2. In Deut, ist, im Gegensatz zu Num.,
auch in 963 die A Nähe und B Ferne am größten.
3. Also ist entweder in 963 oder in A oder in beiden
der Text nicht homogen, was sich ja für alle Hss.,
auch B, immer mehr herausstellt.

Das 2. Stück ist von weit geringerem Gewicht. Die
2 Blätter, IV p, schließen sich als unterer Teil an Pap.
Osl. II, Nr. 11. Zitate aus Jesaia und den geschichtl.
Büchern deutet der Hsg. wohl mit Recht auf eine
Testimonien-Sammlung messianischer Stellen. Für die
Textkritik der Lxx ist, wie R. selbst anmerkt, aus solcher
Umgebung kaum etwas zu erwarten. Ein Wort verdient
vielleicht die Lesung in Dt 28, 8 «jiooteXei so the
versions and some of the cursives; the uncials read
oCTooTfiÄai" (R. 62). Hier ist, begreiflicherweise, eine
Besonderheit verwischt, die mir zu schaffen machte, ehe
ich (Sp. 274) Lev 5,16 den unter lauter Futuris stehenden
opt. aor. (btoTEioat, wohl mit Recht, der Umgebung
anglich. Von Ps. 51,7 abgesehen, habe ich bisher nur
in Dt 28 (nicht in der Parallele Dt 26!) für lauter hebr.
Futura in 8—36 (im weiteren Kapitel nicht mehr) neben
dem Fut. den opt. aor. verwandt gefunden, und zwar,
wo Jahwe handelt, den Optativ aor.; dagegen, wo Wirkungen
auf das Volk beschrieben werden, das Futurum,
wonach also wohl auch in 7 jtupaöct») (wie 24 8<frti)
trotz Bl.-Debr. § 363 u. Nachtr., zu lesen sein wird.
Bei den Opt. handelt es sich um Segen oder Fluch, also
mag der Wunschmodus — nur in diesen Versen! —
das rein futurische Moment verdrängt haben. Die ganze
grammatische Literatur scheint diese Gebrauchsweise
nicht zu kennen; ich habe auch keine lit. Belege außerhalb
Lxx.

Wie der Herr Hsg. diese Sonderpublikation dem im
nächsten Jahr zu erwartenden III. Band der Rylands
Pap. dankenswerterweise vorausgesandt hat, so hoffe ich
der Sache mit dieser raschen und darum nur Einzelnes
herausgreifenden Anzeige gedient zu haben.
Koblenz.____Peter Katz.

Wen dl and, Priv.-Doz. Dr. theol. Heinz-Dietrich: Die Mitte der
paulinischen Botschaft. Die Rechtfcrtigungslehre des Paulus im
Zusammenhang seiner Theologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1935. (48 S.) gr. 8°. Kart. RM 2-.
Dieser Forschungsbericht zur Paulinischen Theologie
verrät einen umfassenden Überblick über die neuere
Forschung und einen temperamentvollen Willen zu einem
klaren, ja abschließenden Ergebnis. Die Formulierung

i des Themas hilft gut, die wichtigsten neueren Thesen
| zur Paulinischen Theologie aufzufangen; die im Unter-
| titel zum Ausdruck kommende Sicht der Rechtfertigungslehre
im Zusammenhang der Paulinischen Theologie ist
I vornehmlich Eigentum des Verfassers und darf als sein
eigener Beitrag zum Gegenstand gewertet werden.

Nach einer knappen Einleitung entwickelt W. seine
Meinung über den — eschatologischen — Grundzug der
I Paulinischen Theologie, wieer sie in seinen vorangegange-
I nen Arbeiten ausführlich begründet hat. Es folgt eine Dar-
! legung der geschichtlichen Voraussetzungen der Recht-
: fertigungslehre und dann werden im Hauptteil folgende
I Thesen entwickelt: 1) Rechtfertigungslehre ist Eschato-
Iogie, 2) Rechtfertigungslehre ist Christologie, 3) Rechtfertigungslehre
ist „Ethik", 4) Rechtfertigungslehre ist
Glaubenslehre, 5) Rechtfertigungslehre ist Ecclesiologie.

Auf das ,i s t' kommt es jedesmal an, auf die Gleichung
. Denn mit ihr werden die beiden Hauptirrtümer
der Paulinischen Forschung zurückgewiesen: die Isolierung
der Rechtfertigungslehre in einem System des
I Paulinismus einerseits und ihre Eliminierung aus der
Paulinischen Theologie als sekundäre Kampflehre andererseits
. Damit ist tatsächlich die entscheidende Tendenz
der neueren Paulusforschung richtig erkannt und
zugleich das Prinzip des Paulinischen Theologisierens,
wie es von den verschiedensten Themenstellungen her
; immer deutlicher herausgearbeitet wird.

Mein Bedenken ist dies, daß es W. nicht ganz gelun-
! gen ist, die Durchführung seiner Thesen dieser richtigen
Erkenntnis gemäß zu gestalten.

Tatsächlich kommen wir heute dem Wesen der Paulinischen
Theologie durch die Feststellung merkwürdiger
.Gleichungen' am nächsten, die jeden Versuch einer
Systematik alten Stiles gründlich verderben. Aber diese
Gleichungen geraten nur dann richtig, wenn sie als Vorgänge
erfaßt werden, nicht als statische Identitäten.
Und hier scheint mir W. doch wieder heimlich älteren
Denkweisen anheim gefallen zu sein. Eschatologie, Christologie
usw. das sind bei ihm doch systematische
Kategorien, keine geschichtlichen. Zwar weiß er eindrucksvoll
die geschichtlichen Voraussetzungen der
Rechtfertigungslehre zu schildern, aber er läßt kaum
etwas von der geschichtlichen Qualität ihrer selbst verspüren
. Und damit muß dann doch das entworfene Bild
; Paulinischen Theologisierens kleiner geraten, als es in
Wirklichkeit ist. Beispiel: W. stellt S. 16 fest, daß das
A. T. eine Wurzel der paulinischen Christologie und
Rechtfertigungslehre ist. Dann wird hinzugefügt: „Aber
hier greift nun zugleich der entscheidende Unterschied
ein: die von Gesetz und Propheten bezeugte Gerechtigkeit
Gottes ist jetzt geoffenbart und verwirklicht in
diesem Jesus Christus". Beide Aussagen bleiben im
Grunde unverbunden nebeneinander stehen. Tatsächlich
erfährt der erste Satz vom recht — nämlich geschichtlich
— verstandenen zweiten her eine eigentümliche Vertiefung
: die Rechtfertigungslehre des Paulus ist Wurzel
seiner Auswahl und Deutung des A. T.

Die Rechtfertigungslehre des Paulus ist mehr als
Mitte und Fülle der Paulinischen Botschaft. Sie ist
! Ereignis, hat nicht nur geschichtliche Voraussetzungen,
I sondern ist selbst Geschichte größten Formats. Als
! solche kann sie m. E. nur erfaßt werden durch die Ex-
| egese. Diese aber tritt bezeichnenderweise in der Untersuchung
W.s ganz in den Hintergrund. Statt dessen
tauchen Erörterungen auf wie z. B. S. 8ff., die sich
von denen der Paulinismustheologie doch nicht mehr
, sehr viel unterscheiden; die Belegstellenmethode, die
hier statt der Exegese angewandt wird, ähnelt den
Verfahren der Verfasser von Systemen des Paulinismus
ungemein stark.

Damit sollen die scharfen Formulierungen richtiger
Einsichten im einzelnen nicht übergangen werden. Sie
werden der weiteren Forschung dienlich sein. —

Es liegt in der Natur eines solchen Forschungsbe-
I richtes, daß das Urteil über die Arbeiten anderer mit-