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Ausgabe:

1936

Spalte:

321-323

Autor/Hrsg.:

Clemen, Carl

Titel/Untertitel:

Die Religion der Etrusker 1936

Rezensent:

Luther, Wilhelm Martin

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖKRIES, Göttinnen, und Prof. ü. Dr. GEORG WOBBERMIN, Rerlin

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, und Bibliothekar Lic. E. STEINBORN, Berlin.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Mantipkriple und gelehrte Mitteilungen sind «usschlieftlich an Professor I). BAUER in Güttingen, Düstere Eichenweg 14, zu senden,
Reiensionsexemplare nu«»rhliefilich an den Verlag. Gewähr für Besprechung von unverlangt gesandten Rezensionsexemplaren
, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, knnn nicht übernommen werden.

Printed in Germany.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1

61. JAHRGANG, Nr. 18 29. AUGUST 1936

Spalte

Clemen: Die Religion der Etrusker (Luther) 321
Ehrhard: Urkhche und r'rühkatholizismus

(Koch)...................327

Gesangbuchs, Die Welt des — (Luther) . . 335
Huober: Zinzendorfs Kirchenliederdichtung

(Kohlschmidt) ...............333

Spalte

(Paul Kahle-Ecstschrift] Studien zur Geschichte
und Kultur des Nahen und Fernen Ostens
(Duensing).................324

Krüger: Die Rechtsstellung der vorkonstan-

Spalte

Mannhardt: Letto-Preuliische Götterlchre

(Clemen)..................323

Stegemann: Die Gestalt Christi In den

koptischen Zaubertexten (Ders.)......326

Studies and Dokuments edited by Kirsopp
tinischen Kirchen (v. Campenhausen) . . . 329 Lab and SiIva uu (Bauer).......326

Clemen, Prof. D. Dr. Carl: Die Religion der Etrusker. Bonn:
Ludwig Röhrscheid 1936. (60 S.) gr. 8°. = Untersuchungen zur allg.
Religionsgcschichte, hrsg. v. Carl Clemen, H. 7. RM 3.10.

Die Religion der Etrusker ist heute ein Ieidenschaft- <
lieh umstrittenes Gebiet. Die erhobenen Angriffe ha- j
ben fraglos dazu beigetragen, daß die Wissenschaft I
in eine erneute Überprüfung der etruskischen Frage ein- I
getreten ist. Dabei ergab sich aber zunächst einmal
die Vorarbeit, aus dem Wust der Einzeluntersuchungen
zu einem Oesamtbild durchzustoßen. Diese Aufgabe hat
sich der als nüchterner Kritiker bekannte Bonner Reli-
gionsgeschichtler C. Clemen gestellt und ihre Ergebnisse
in einer kurzen, aber gründlichen Abhandlung vor- j
gelegt.

Die Einleitung umfaßt drei Kapitel. Das erste handelt
über die Herkunft der Etrusker. Nach sorgfältiger
Aufzählung und Prüfung der verschiedensten Vermutungen
bleibt der Verf. schließlich mit Recht bei der 1
Überlieferung Herodots (I, 94,5ff.), nach der die Etrusker
aus Lydien eingewandert sein sollen. Diese älteste
Oberlieferung spielt auch im weiteren Verlauf der Untersuchung
eine Rolle und wird durch zahlreiche Beweis- !
gründe bestätigt. Einen Beitrag in dieser Richtung lie- j
fert schon das zweite Kapitel über die etruskische
Sprache. Die Sprachvergleicher haben eine Verwandtschaft
zwischen dem Etruskischen und Lydischen nachgewiesen
. Danach ist beiden Sprachen das nt- und
nth-Suffix gemeinsam; außerdem zeigen sie häufig pro- j
thetisches i vor anlautendem s. Bei der Besprechung
der „Quellen der etruskischen Religion" im dritten Ka- i
pitel unterscheidet Giemen unmittelbare und mittelbare.
Zur ersten Art gehören die Inschriften (wie z. B. auf
der Agramer Mumienbinde, der Capuatontafel, der Bronzeleber
von Piacenza, auf Amuletten, Verfluchungstäfel- i
chen u. a. m.), als mittelbare Quellen gelten die Nachrichten
bei den griechischen und lateinischen Schriftstellern
.

Die religiöse Literatur der Etrusker ist, wie der Verf.
im ersten Abschnitt des Hauptteiles ausführt, nur in
Übersetzungen und Bruchstücken erhalten. Sie wird
auf einen gewissen Tages zurückgeführt, den später !
der kleinasiatische Gott Tarchon aus seiner Rolle ver-
drängt hat. Vom zweiten an Einzelheiten reichen Ab- [
schnitt über die religiösen Anschauungen der Etrusker
kann hier nur das Wesentlichste berücksichtigt werden.
Wichtig ist die etruskische Genienlehre als Vorlätir j
ferin der römischen. Den Unterschied lehrt uns Franz j
Altheim (Griechische Götter im alten Rom 1930, 49)

321

sehen: „Man bedenke, daß der römische Genius, ob-
zwar seinem Namen nach der .Erzeuger', gleichwohl
niemals unter dem Bilde des Phallos vorgestellt oder
mit der Welt des Erotischen überhaupt in Beziehung
gesetzt wird." Die Tatsache, daß der Phallos
auch auf phrygisch-kleinasiatischen Denkmälern zu finden
ist, deutet wieder auf den vorderasiatischen Ursprung
der Etrusker hin. Die etruskischen Gottheiten
teilt Clemen mit Berufung auf Seneca (Nat. quaest.
11,41) in drei Klassen ein. Die erste vertritt der oberste
Gott Tinia. Er wird wie der griechische Zeus meist mit
dem Blitz dargestellt. Die zweite Klasse bilden zwölf
Götter, die von Tinia als Ratgeber herangezogen werden
. Zur dritten, den di superiores et involuti, gehört
vor allem die Schicksalsgöftin eilens. Das Ergebnis
dieses zweiten Abschnittes ist aufs Ganze gesehen kärglich
. Viele Deutungen bleiben unsicher; andererseits
haben wir meist nur die Namen der Gottheiten, ohne
uns ein klares Bild über die eigentlichen Göttervorstellungen
machen zu können. Wesentlich mehr bietet der
dritte Abschnitt über die religiösen Gebräuche der Etrusker
. Ausführlicher handelt der Verf. darin über das
etruskische Opferwesen, wobei er auch die umstrittene
Frage nach dem Ursprung der römischen Menschenopfer
streift. Neben den Bemerkungen über die etruskischen
Tempel und Opfergruben verdien* vor allem der
Abschnitt über die etruskische Lehre von den Weltaltern
Beachtung, zumal Clemen hier reiches religionsgeschichtliches
Parallelmaterial herangezogen hat. Nur vermißt
man in der Literaturangabe S. 44 Anm. 1 die grundlegende
Arbeit: Reitzenstein-Schaeder, „Studien zum antiken
Synkretismus. Aus Iran und Griechenland" 1926,
45 f., 52 f. u. 63 ff. Aus der Fülle des Stoffes sei noch die
Behandlung der etruskischen Leberschau (S. 45 ff.) herausgegriffen
. Entsprechende Bodenfunde aus Vorderasien
machen es wahrscheinlich, daß hier auch das
Ursprungsland der Leberschau zu suchen ist. Die Etrusker
haben also diesen Brauch aus ihrer kleinasiatischen
Heimat mit nach Italien gebracht. Ein kurzer Abschnitt
über die etruskischen Vorstellungen vom Leben nach
dem Tode beschließt den Hauptteil. Die abstoßenden
Darstellungen der Todesdämonen erklärt der Verf. als
Ausfluß der später gedrückten Lage der Etrusker. Darauf
führt er auch die allgemeine Erwartung zurück, daß das
etruskische Volk nach zehn saecula untergehen werde,
und daß dieser Untergang bereits in unmittelbare Nähe
gerückt sei.

Das erste der drei Schlußkapitel untersucht die

322

•&.TÜB.