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1936 Nr. 17

Spalte:

300-301

Titel/Untertitel:

Recherches de Science Religieuse; Tome XXV, 1-5 1936

Rezensent:

Koch, Hugo

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299

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 17.

300

bis 357 von dem Auftreten der Sekte der „Apostel und Geißler"
zu Parma im 13. Jahrhundert und veröffentlichte zwei einschlägige Urkunden
aus dem Staatsarchiv von Parma. —

Neuzeit. Th. Balma führt S. 31—60 in die Schriften und
die Gedankenwelt des italienischen Reformierten, aber nicht Reformators
CS. Curione (geb. 1503 in Piemont, gest. 1569 in Basel), des Verfassers
von 45, heute größtenteils seltenen Werken, ein, nachdem er
Eingangs die Frage erörtert hat, warum die Reformation in Italien nicht
festen Fuß fassen konnte. — P. Polese zeichnet S. 333—351 die politischen
Grundgedanken, die M. A. Flaminius in dem, dem Kardinal
Reginald Pole gewidmeten Zwiegespräch De dignitate rei publicae seu
civilis societatis des Bischofs M. H. Vi da von Alba (Cremona 1556)
entwickelt und weist ihnen ihre Stellung zwischen dem stoischen und
aitgustinischen Standpunkt zu, betrachtet sie aber nicht mit G. Ferrari
als Vorboten Rousseaus. — E. Marucce schildert S. 403—421 den
wechselvollen Lebensgang, die geistige Entwicklung und das tragische
Ende des Uriel da Costa (etwa 1585 —1640) und stellt ihm Baruch
Spinoza gegenüber. — A. Casadei setzt sich S. 422—448 mit einem
ins Italienische übersetzten Werke von Fr. C. Church über .Die
italienischen Reformatoren 1534—1564" (New-York 1932,
italienisch von D. Cantimori, Florenz 1935) auseinander. — O. Taf-
rari behandelt S. 126 — 145 und 503—522 die Beziehungen und
Gegensätze zwischen der griechisch-orthodoxen Kirche
und der abendländischen Reformation im 16. und 17. Jahrhundert
: die Persönlichkeiten oder Gruppen, die einander gegenüberstanden
, die lutherischen und calvinischen Werbeversuche im Osten, den
griechischen Widerstand gegen den calvinistisch gesinnten Patriarchen
Cyrillus Lukaris von Konstantinopel, die Synode von 1638 mit der Verurteilung
seiner Anschauungen, sodann die calvinistischen Bemühungen
in den russischen Ländern und die Gegensynoden von 1642, die Verteidigung
der Orthodoxie in Transilvanien, der Walachi und der Moldau.

— A. Damerini schildert S. 239—247 den „Geist der religiösen
Musik" im 17. Jahrhundert außerhalb Italiens, besonders in
Frankreich und Deutschland, und die italienischen Einflüsse. — Und G.
Lowrie führt S. 1 — 15 in kurzen Zügen die Schriften und Grundgedanken
des dänischen Dichters und Denkers Sören Kierkegaard (gest.
1855) vor. —

Dogmengeschichte und Dogmati k. P. Pantaleo,
„Dogma e disciplina" S. 231—238 legt an den Apologieen Justins
und am Diognetbrief dar, daß Auffassung und Haltung des christlichen
Lebens sich unabhängig von dogmatischen Formeln gestaltet habe, der
,rechte Glaube' also weder ein notwendiger Bestandteil, noch eine unersetzliche
Bedingung für das geistige Leben gewesen sei. — S. 151
bis 155 spricht B. Maffi von „Sünde und Gnade" im Sinne
Karl Barths.

In die Geschichte der Ethik schlägt der Aufsatz von G. Costa
(S. 97—116) ein, der mit einleitender Bezugnahme auf die Auseinandersetzung
zwischen Bergson und Loisy über die Quellen der Moral und
der Religion, in einem kurzen Überblick die Frage untersucht, wie sich
seit dem 2. Jahrhundert vor Chr. in Rom das sittliche Gewissen
des Einzelnen unter dem Einfluß des Griechentums aus den Gemeinschaftsformen
heraus entwickelt habe.

Religionsgeschiehte und Religionsphilosophie. R.
Otto setzt S. 289—314 seine „Entwicklung des Gottes Va-
runa" (1933, S. 385-398 und 1934, S. 394-411) mit Seitenblicken
auf andere Religionen fort. — E. Buonaiuti beleuchtet S. 315—320
„Leben und Tod in der griechischen Tragödie", indem
er die Gestalt der Helena bei Euripides gegenüber absprechenden Urteilen
aus einem Wort Heraklits über Leben und Tod zu erklären sucht.

— Derselbe handelt S. 193 — 214 in zwei Vorträgen, die er beim ,Eranos'
in Ascona im Tessin 1934 gehalten hat und die deutsch im Eranos-
Jahrbuch 1934 (München 1935) gedruckt sind, über „die Symbole
und Riten der katholischen religiösen Orden" (Kulte,
Tonsur, Chorgebet) in religionsgeschichtlichem Lichte und mit Rückblick
auf das Urchristentum. Die „Gesellschaft Jesu" ist nach seinem Urteil
(S. 213) nicht ein religiöser Orden, sondern „eine ungeheuere Zusam-
menwirkung von Erzeugung und Verbrauch zur Beherrschung der Kirche
und zur, schlecht verhüllten, Eroberung der Welt" — also, können wir
sagen, ein Seitenstück zum Bolschewismus. — R. Fedi betrachtet S.
523—530 „das tragische Element in der Religiosität" in
metaphysischer und ethischer Hinsicht, besonders im Hinblick auf das
Böse. — A. Poggi begrüßt S. 385—396 „die Rückkehr Gottes",
die er in der Überwindung des Individualismus' und verwandter Erscheinungen
erblickt. — A. Tilgher macht in seinen Bemerkungen
über „Notwendigkeit und Zufall in der Geschichte" den
Zufall geltend gegen einen .Historizismus', der die Geschichte als
Selbstoffenbarung und Selbstschöpfung Gottes betrachte und das Vollkommene
und Absolute nicht an den Anfang, sondern an das Ende
aller Entwicklung setze. — Derselbe führt S. 61—66 in die Religionsphilosophie
des französischen Philosophen J. Lachelier (1832—1918)
ein, dessen Arbeiten das Verlagshaus Alcan in zwei Bändchen gesammelt
hat.

München. Hugo Koch.

Recherches de Science Religieuse. Tome XXV, 1—5. Paris [VII e,
RueMonsieur 15]: Bureau delaRevue 1935. (640 S.) gr. 8°. Fr. 32—.

Biblisches. AT. J. Cales erklärt S. 462—492 und 583—692
„die Psalmen der Herrschaft Jahwes" (Ps. 93 bezw. 92, Ps.
96—100 bezw. 95—97) in sprachlicher, sachlicher und liturgischer Hinsicht
. — P. J o ü o n sammelt S. 329—343 die im A u. NT und bei Jose-
phus für den Tempel und seine Teile gebrauchten Wörter und
sucht die Ergebnisse für die Erklärung der Evangelien fruchtbar zu
machen. — Derselbe deutet S. 70 f. „eine semitische Redensart
bei Josephus 6 uiöc, l'ex«ai" (Bell. Jud. V, 6, 3 § 272): sie
ist nicht ein hebräischer ,Calembour', sondern eine auch sonst gebräuchliche
semitische bildliche Bezeichnung des von der Wurfmaschine geschleuderten
Steingeschosses. — NT. S. 385—417 erläutert J. de Finance
„Die ooqua beim hl. Paulus": sie ist ,christozentrisch', um dann
im Strahlenglanze des Schauens vom .Theozentrismus' verschlungen zu
werden. — G. deRaucourt handelt S. 492—495 von den „Arbeitern
der elften Stunde": der Denar als Lohn ist nicht der Himmel,
sondern das Reich Gottes, die Gesamtheit der messianischen Güter, und
das Gleichnis wendet sich gegen jüdische Engherzigkeit. — E. R. S m o -
thers berichtet S. 358—362 über „Ein neues Evangelium des
zweiten Jahrhunderts", nämlich über die von Bell und Skeat
aus einer Papyrushandschrift des Britischen Museums (aus der Mitte des
zweiten Jahrhunderts) herausgegebenen Bruchstücke eines Evangeliums,
die teils an die synoptische, teils an die johanneische Überlieferung anknüpfen
, und er äußert sich mit beachtenswerten Erwägungen dahin, daß
nicht die Evangelien von ihnen abhängen oder beide Teile auf eine gemeinsame
Quelle zurückgehen, wie die Herausgeber anzunehmen geneigt
sind, sondern sie selbst in Abhängigkeit von den Synoptikern und Johannes
stehen. — Angereiht sei hier die Ehrentafel, die J. Bonsirven
S. 344—357 dem Pater Lagrange, dem „großen französischen Exe-
geten", dem Gründer und der Seele der Ecole biblique von Jerusalem,
zu seinem fünfzigjährigen Priesterjubiläum (1934) und achtzigsten Geburtstag
(1935) errichtet: er spricht über seinen Lebensgang und seine
Werke und ihre Bedeutung für die katholische Schrifterklärung, aber auch
von den Anfeindungen, denen er ausgesetzt war, und der Rückkehr des
Vertrauens zu seiner Haltung. —

Kirchengeschichte. Altertum und altchristliche
Literatur. S. 489—492 versteht A. d'Ales die Worte bei Ignatius
ad. Polyc. 5,2 euy yvcoo^Mj nXiov xov Emoxöjtoi), i'rp'üaQTCU nicht
mit Funk von dem Dünkel einer Jungfrau, die höher zu stehen glaubt
als der (verheiratete) Bischof, sondern mit Lighfoot von ihrem Bestreben
, nicht bloß dem Bischo f, sondern auch andern als Jungfrau
bekannt zu werden. — S. 496 beleuchtet derselbe den Scherz Ter-
tullians, adv. Valent. c. 12, vom ,Piknik' (symbola, ouußota'i) der
valentinianischen Äonen aus Plautus, Lucrez und Cicero. — S. 593 f.
zeigt er, daß er in Praescript. 9, 1 statt certare zu schreiben sei certa
re, und daß bei Tertullian unio (männlich) .konkrete', unitas ,abstrakte'
Bedeutung habe. — G. Bardy schlägt S. 363 vor, bei Prudentius
Psychomach. praef. v. 31 statt greges equarum, vasa zu lesen greges
(oder oves), aquarum vasa. — St. Lyonnet handelt S. 170 —187 von
der Übereinstimmung der armenischen Überlieferung mit der inneren
Kritik darin, daß die armenische Bibelübersetzung nach einer
griechischen, nicht nach einer syrischen Vorlage erfolgte, wie auch das
armenische Alphabet aus dem griechischen stammt. — J. Z e i 11 e r zieht
S. 560—582 in einer kurzen Studie, die den Schluß des im Druck befindlichen
2. Bandes der Histoire de l'Eglise bilden soll, „die Bilanz
der christlichen Eroberung am Vorabend des konstantinischen
Friedens" unter den Gesichtspunkten: 1) Stand dieser
Eroberung, Ausdehnung und Grenzen, 2) die tiefen Gründe des Widerstands
gegen das Christentum, 3) die Christen und das Gemeinwohl,
4) der Sieg über Widerstand und Hindernisse, 5) die Gründe hiefür.
— H. duManoir behandelt S. 441—461 und 531—539 „die
patristische Beweisführung im nestorianischen Streit":
nach einem kurzen Überblick über die Bedeutung von ko.tvq zeigt er,
daß zwar die Berufung auf die Lehre der Väter schon vor dem nestorianischen
Streit üblich war, ganze Sammlungen von Väterstellen (Flori-
legien) aber uns erst seit diesem Streit begegnen. Sodann sammelt er
die in der 1. und der 6. Sitzung und die außerhalb des Konzils zur
Sprache gekommenen Väterstellen und sucht endlich aus dem Ganzen
die Gedanken der Bischöfe über die Bedeutung der Lehrautorität der
Väter herauszustellen. — Zur mittelalterlichen Kirchengeschichte findet
sich in diesem Bande kein Beitrag. Dagegen erzählt J. Lecler S. 45
bis 69 unter dem Titel „Der hl. Stuhl und die Spanische
Inquisition. Der Prozeß des Bartholomäus Carranza
(1559 — 1576)", mit Benützung des bisher nicht herangezogenen Briefwechsels
des hl. Franz Borgia, der Patres Laynez, Salmeron und Nadal
(in den Mon. hist. Soc. Jesu), den Verlauf des gegen den spanischen
Primas, Erzbischof Carranza von Toledo angestrengten Inquisitionsverfahrens
, das 17 Jahre dauerte und mit einer Verurteilung als vehementer
suspectus de haeresi endete, und er stellt dabei den .nationalisme
religieux' des Königs Philipp II und den überwiegenden Einfluß seiner
Politik auf die spanische Inquisition, sowie seine Widerstände gegen
päpstliche Maßnahmen ins Licht.

Die vorhin erwähnte Abhandlung von Manoir könnte man auch zur