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Ausgabe:

1936 Nr. 1

Spalte:

290-291

Autor/Hrsg.:

Heinsius, Maria

Titel/Untertitel:

Das Bekenntnis der Frau Argula von Grumbach 1936

Rezensent:

Haun, Fritz

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289

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 15/16.

290

der älteste erhaltene Paulusbrief, geschrieben schon
gleich beim ersten Einsetzen der judaistischen Propaganda
, ja bereits vor dem Apostelkonzil.

Dieser frühe Ansatz des Gal. hat auch in Deutschland
gelegentlich Vertretung gefunden. Doch ist der
Meinung hier weitere Verbreitung versagt geblieben. Bei
uns stand ihr vielfach auch die Ansicht im Wege,
daß der Qal. mit dem Römerbrief um des Inhaltes
willen eng zusammen gehöre. Die von D. empfohlene
Auffassung vergrößert ja den zeitlichen Abstand zwischen
beiden Briefen noch über das sonst herkömmliche
Maß hinaus. Es hat eben jeder Lösungsversuch seine
besonderen Schwierigkeiten, so wie jeder gewisse Erleichterungen
bietet.

Wie D. die Dinge sieht, findet das Apostelkonzil
seine Darstellung in AG. 15. Ist nun der Gal. bereits
vor dem Konvent geschrieben, so ist ohne weiteres gegeben
, daß sich der Inhalt von Gal. 2, 1 — 10 unmöglich
mit dem von AG. 15 decken kann. Der Gal. 2
erwähnte Besuch des Paulus in Jerusalem ist vielmehr
mit dem von AG. 11, 30 gleichzusetzen.

S. XXIII—XXVI legt D. die Gründe dar, die ihm
die Gleichsetzung der Begebenheiten von Gal. 2 und
AG. 15 untunlich erscheinen lassen. Sein gutes Zutrauen
zu der Glaubwürdigkeit der Apostelgeschichte
verhindert ihn dabei, die „drastische" Meinung, der
Besuch von AG. 11,30 hatte überhaupt nicht stattgefunden
, auch nur in Erwägung zu ziehen. Auch meint
er, falls sich Gal. 2, 1—10 auf das Konzil bezöge, müsse
die antiochenische Angelegenheit von Gal. 2, 11 ff. im
Zeitverlauf vor Gal. 2,1 eingeordnet werden. Daß eine
solche Folgerung in Schwierigkeiten führen würde, ist
ohne weiteres zuzugeben. Aber ist sie wirklich zwingend
? Hat sie noch andere Grundlagen, als den Ge-
sehichtsaufriß der AG, der zwischen dem Konzil und
dem Antritt der großen Reise keinen Platz für jene Auseinandersetzung
zu lassen scheint?

XXVI— XXXIV schildert D., wie sich nach seiner
Auffassung und von seinen Voraussetzungen aus die
Ereignisse gefolgt sind, bis es dann zur Entstehung
des Gal. kam. Den Anstoß zu seiner Abfassung gab
das aufreizende Wirken judaistischer Sendboten aus
Jerusalem. D. lehnt ebenso die Meinung K. Lakes ab,
die Störer des Friedens wären keine Judenchristen, sondern
vielmehr ungläubige Juden gewesen, wie die, in
England vor allem durch J. H. Ropes verkörperte*
Auffassung, Paulus hätte seine Galater durch, aus dem
Heidentum stammende, Gnostiker und Pneumatiker gefährdet
gesehen.

XXXIV—LIV legt er den religiösen Gehalt des Briefes
dar unter den Hauptgesichtspunkten: 1. Voraussetzung
der Erlösung, 2. Die Erlösung durch Christus,
3. Die Folgen der Erlösung.

Daran schließt sich die, den größeren Teil des
Bandes füllende, Einzelerklärung, auch sie getragen
von gründlicher Kenntnis des Gegenstandes und in ansprechender
Weise abgestellt auf den Leserkreis, dem
das ganze Unternehmen in erster Linie dienen will. Dieses
wird durch Duncans Buch in glücklicher Weise eingeführt
.

Göttingen. W. Bauer.

Schuster, Hermann: Der Prophet der Deutschen. Luthers Art
und Glaube. Frankfurt a.M.: Moritz Diesterweg 1936.(VI, 85 S.) 8°.

RM2.40.

Eine gute Unterrichtung über Luthers „deutsche
Art", „deutsche Verantwortung" und „deutsches Christentum
" — es sind die drei Abteilungen der Schrift —
von dem bekannten Vf. aus weiter Umsicht fein und
konkret, mit sicherem pädagogischem Geschick in allgemein
verständlicher Form dargeboten, mit guter Auswahl
des Bekannten und aus klarem und reifem Durchdenken
des nicht wenigen Besonderen bei L., was zumeist
, zumal das Theologische, nicht leicht darzustellen
ist. Vielen wird hier L. in manchem bisher nicht von

i ihnen Verstandenen innerlich nahegerückt werden und
das, was des Vf.s eigentliches Anliegen ist, die völlig
unlösliche Einheit des Deutschen und des Christen in
L., wird zur besser erkannten Selbstverständlichkeit werden
. Innerhalb seiner besonderen Aufgabe hat der Vf.
gewiß das Wesentliche herausgestellt (nicht richtig ist,
was er über das Deutsche in L.s frühen Vorlesungen
sagt. Es waren öffentliche Kollegs, und z. B. in dem über
| den Römerbrief wurde das Deutsche in solchem Um-
| fange verwendet, daß ein. Zuhörer später sagen konnte,
I L. habe „ein jedes Wort so tapfer verdeutscht" —
j es war etwas ganz neues an der Universität); ich möchte
auch an die scharfen Urteile L.s über Deutschland und
! deutsches Wesen stärker erinnert sehen; ebenso an
seine Charakterisierung der einzelnen deutschen Stämme;
! ungern vermisse ich G. Baesecke, die Sprache der Lutherbibel
, 1932; dazu tritt eben jetzt von dems., L. als
Dichter, 1935. Man möchte aber doch fragen, ob
nicht die Grenzen des „Deutschen" etwas weiter zu
| ziehen waren und ob manches nicht anders gefaßt
oder als wesenhaft viel stärker herausgehoben werden
I sollte. Ich denke an den in Fröhlichkeit und Güte
i oder auch im Zorn herzbezwingenden Zauber der ganz
einzigen Natürlichkeit L.s, die aus der Tiefe dieses
Gemütes sich offenbart — wie hebt sich diese gemütstiefe
Natürlichkeit ab von Stilisierung und Pathos des
Romanen und von slawischem Überschwang! Ich möchte
noch viel stärker in der unbegreiflichen Fülle des Genies
das Verschiedenartige, ja gerade das Widersprüchliche
herausgehoben wissen — es war eben eine unfaßbare
ungeheure Manifestation des Lebens selber,
wie der Tag, der aus Morgen und Mittag und Abend
besteht, das in L. sowohl in seiner Überfülle als in stärksten
Spannungen alle Linien zurückdrängt — liegt nicht
hier, im Überquellen des Inhalts über die Form wiederum
deutsche Eigenart? Man mag an ihn als den
! Melancholicus denken, der er doch war — und nicht
j war, und an Dürers Bild der Melancholie. Auf vorher
j bemerktes deutet der Vf. gelegentlich hin. Dagegen
läßt er völlig bei Seite, was in der Einbeziehung von
unmittelbar Anschaulichem sein Bild L.s aufhöhen
könnte. Von den Schilderungen, in denen Zeitgenossen,
auch Ausländer, den persönlichen Eindruck von L.s
Art wiedergeben, ist keine benutzt. Und zur Kennzeichnung
der Art gehört auch die Handschrift und das
Bildnis. Um so mehr als eines dieser Bilder unübertrefflich
, anschaulicher als es die beste Schilderung vermag
(Älteste Lutherbildnisse Taf. 5)„ den Helden und Christen
— ein späteres Gedächtnisbild ist unterschrieben:
Sanctus propheta Germaniae — so vor Augen stellt,
wie ihn sein Volk sah und wie er war, zumal als Helden
einer „Passion" — ist nicht auch das gerade etwas
deutscher Frömmigkeit eigentümliches? Die beste Anschaulichkeit
ist eben doch die Anschauung selber.

Halle a. S. Johannes Fi cker.

Hei nsius, Maria: Das Bekenntnis der Frau Argula von
Grumbach. München: Paul Müller 1936. (91 S.) 8". Kart. RM 1.35.
Ein volkstümliches Stück Kirchengeschichte. Argula
von Grumbach, eine bayrische Adelige, die mit Luther
und allen Großen der Reformation in Verbindung stand,
und als erste Frau schriftstellerisch für den „neuen
Glauben" mit ihrem „Sendbrief an den Rector der Universität
Ingolstadt" eintrat, ist eine Frau von unerschrockener
Kühnheit und evangelischen Glaubenstrotz.
Ihr Leben und ihr Eintreten für die Reformation und
j die von den bayrischen Fürsten und Gelehrten verfolgten
j Bekenner bringt Maria Heirisius schlicht und gewandt
dem Leser nahe. Ihre Schrift beruht auf den Quellen,
vorab auf Koldes quellenmäßiger Darstellung des Lebens
der Frau Argula. Der bayrischen Kirche von heute
| will M.-H. Bekennermut schenken, indem sie eine ihrer
I tapfersten evangelischen Frauen um 1500 darstellt. Sie
läßt Frau Argula ausführlich mit ihren Briefen und
Sendschreiben zu Worte kommen und umrahmt diese