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Ausgabe:

1936 Nr. 14

Spalte:

259-260

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte; 30. Jahrg. 1936

Rezensent:

Clemen, Otto

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259

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 14.

260

ist kein Zweifel, daß grade unsere Mystiker berufen
sind, zu dieser Antwort das Ihre beizutragen. Es
kommt aber darauf an, daß sie uns in rechter Weise
nahe gebracht werden. Das versteht B. in erster Linie
aufgrund einer ausgezeichneten Sachkenntnis, wie sie
seine verschiedenen Aufsätze und namentlich sein Buch
„Luther und Böhme" bezeugen. Beim Studium Böhmes
hat er unter der Decke der oftmals krausen und mit
fremdartigen Begriffen durchsetzten Gedankengänge
„Schätze religiöser Erfahrung, reifer Menschlichkeit und
dichterischer Ausdrucksgewalt" gefunden. Von ihnen
teilt er in seinem Büchlein unter einer Reihe klar hervorgehobener
Grundbegriffe nur eben soviel mit, daß der
Leser da und dort angezogen, überall aber stark beeindruckt
und so aufs glücklichste eingeladen wird, zu den
Schriften des Meisters selbst zu greifen. Umfänglichere
Auszüge erfüllen selten so gut ihren Zweck, haben
dagegen oft die Wirkung, daß der Leser bei ihnen festgehalten
wird und schließlich den Extrakt für die Quelle
ansieht. Es liegt nicht so sehr an der Kürze des Breviers
, daß der Metaphysiker Böhme darin weniger zu
Worte kommt; kann überhaupt ein Auszug einen Begriff
von der Tiefe und Differenziertheit seiner Metaphysik
geben? Mit Recht sagt B., daß dazu ein Studium
seines Schrifttums in der ganzen Breite gehört.
Hauptsächlich sind die Äußerungen seiner Frömmigkeit
und seiner Lebensauffassung herangezogen, die keiner
Erklärung bedürfen und die in zeitloser Wahrheit vor
uns stehen. Eine gewisse Subjektivität der Auswahl
ist nur das gute Recht ihres Urhebers, zumal sie einer
bestimmten Böhme-Auffassung entspringt. Diese gibt
der Sammlung ihren inneren Zusammenhalt und ihren
Charakter.

B.s Auszug ist jetzt schon zum dritten Male veröffentlicht
. Die erste Ausgabe erschien zum Böhme-
Gedenkjahr 1924 in Görlitz unter dem Titel „Worte
Jakob Böhmes". Die zweite, ebenso benannte kam
1935 unselbständig heraus, nämlich im Anschluß an
B.s Aufsatz „Protestantismus und Mystik" im 4. Jahrgang
der Zeitschrift Glaube und Volk in der Entscheidung
. Schon hier sind wie in der vorliegenden dritten
Ausgabe die Aussprüche Böhmes zum Teil umgruppiert
, erweitert und vermehrt worden; dafür aber fehlten
die im ersten Druck in der Gruppe „Menschliches Leben
" enthaltenen Sentenzen sowie das dort mit geringen
Kürzungen beigefügte äußerst lebensvolle „Gespräch
einer erleuchteten und unerleuchteten Seele".
All das nimmt das Böhme-Brevier wieder auf und gibt
noch einige der schönsten Gebete aus dem „Gebetbüchlein
" hinzu. Auch die erstmalige Einführung ist umgestaltet
und erweitert worden; in einer liebevoll gezeichneten
Skizze vom Leben und Sterben und von der
Nachwirkung Böhmes werden zugleich die Grundzüge
seiner Gottes- und Weltanschauung sichtbar sowie die
besondere Art seiner Frömmigkeit, die bei aller Mystik
„Keime des lutherischen Glaubens" enthält.

Das dreimalige Erscheinen der Böhme-Auswahl B.s
beweist den Anklang, den sie gefunden hat. Wer sämtliche
Böhme-Auszüge in der Hand gehabt hat, kann
noch hinzusetzen, daß sie unter ihnen einen bevorzugten
Platz einnimmt.
Göttingen. W. Buddecke.

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte. Hrsg. im
Auftr. d. Ver. f. Brandenburgische Kirchengeschichte v. üc. Walter
Wendland. 30. Jahrg. Berlin: Komm.-Verlag Martin Warneck 1935.
(159 S.) gr. 8°. RM 4—.

Dieser Jahrgang wird eröffnet durch eine umfängliche
Arbeit des Herausgebers: „Die Entwicklung der
katholischen Kirche in Groß-Berlin bis 1932 (unter
Berücksichtigung der Gesamtentwicklung im Bistum Berlin
)". Der Verf. greift zurück auf die (ziemlich laue)
Propagandatätigkeit des Grafen Adam von Schwartzen-
berg am Brandenburger Hofe während des 30jährigen

Krieges und auf den interessanten Versuch des jesuitischen
Beichtvaters des sächsischen Königs Vota, den
Kurfürsten Friedrich III. — indem er ihm für diesen Fall
j die Unterstützung der Kurie bei seinem Plane, sich zum
König zu machen, in Aussicht stellte — zu bewegen, ein
| Bekenntnis zur allgemeinen Kirche im Sinne des consen-
sus quinquesaecularis anzunehmen, und sich dadurch der
katholischen Kirche anzunähern. Von einem katholischen
Kirchenwesen kann aber in Berlin erst die Rede sein seit
I Gründung der Hedwigskirche 1747 oder vielmehr seit
! ihrer Einweihung 1773 und der Gewährung der Paro-
I chialrechte. Der 1. Geistliche erhielt den Titel Feld-
j propst; alle katholische Geistliche waren vom König
I als Militärgeistliche eingesetzt, der Titel hatte nur staats-
j rechtlichen Charakter, ihm fehlte die kirchliche Anerkennung
. Als sich 1806 das preußische Heer auflöste und
I die Militärseelsorge gegenstandslos wurde, trat die Betreuung
der Zivilgemeinde in den Vordergrund. Auf
| Grund des Staatsrechtes wurde der Pfarrer der Hedwigs-
! kirche 1812 zum Delegaten des ganzen Bezirks Branden-
j bürg—Pommern ernannt. Er erhielt jetzt den Titel
j Propst, und diese Regelung wurde 1821 vom Papste
approbiert. Die Arbeit wächst sich dann aus zu einem
i Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes und des Zentrums
in Preußen und schließt mit Kapiteln über das
j Wachstum der katholischen Bevölkerung in Berlin, die
I Entwicklung der Pfarreien, des Ordens-, Vereins- und
j Schulwesens, über die Errichtung des Bistums Berlin,
einflußreiche Persönlichkeiten seit 1918 (Carl Sonnenschein
, Kaplan Fahsel), Übertritte und über die Eigen-
| art des Berliner Katholizismus. Wie wichtig diese Abhandlung
ist, erhellt daraus, daß Berlin durch die Ein-
j Wanderung in die Großstadt eine der größten katholischen
Städte in Deutschland geworden ist — 400 000
Katholiken wohnen hier, jeder 10. Berliner ist katholisch.

Paul Schwartz schildert nach den Berichten der
j Neumärkischen Deputierten im Brandenburgischen Pro-
vinzialständearchiv die Verhandlungen der Berliner Landtage
von 1665 und 1668 über das am 16. Sept. 1664
vom Großen Kurfürsten erlassene Edikt, das den
Lutherischen und Reformierten das gegenseitige Schmähen
, Verketzern und Verdammen untersagte, das Gebot
j erneuerte, daß die lutherischen Prediger auf Verlangen
der Eltern den Exorcismus bei der Taufe weglassen
l sollten, und von den Predigern bei ihrer Berufung die
j Ausstellung eines Reverses forderte, daß sie den Edikten
Gehorsam bezeugen wollten. Statt den Unfrieden zwischen
den beiden Religionsparteien zu beseitigen, hatte
das Edikt bei den lutherischen Geistlichen und Laien
Verärgerung hervorgerufen. Bei den Landtagsverhandlungen
von 1668 stand die Forderung des Reverses,
die nur noch für die Neumark gelten sollte, im Mittelpunkt
.

Hs. D. 107 in der Hauptbibliothek der Francke'schen
Stiftungen in Halle enthält in Abschriften 100 Briefe,
I die Spener aus Dresden und Berlin 1686—1740 an eine
| alte Freundin in Frankfurt a. M. gerichtet hat. Die
I Dresdener Briefe hat August Nebe auszugsweise in den
! Theolog. Studien und Kritiken 1935 veröffentlicht. Jetzt
fügt er die Berliner Briefe hinzu. Sie bereichern nicht
so sehr unsere Kenntnisse über die äußeren Lebens^
Schicksale Speners, ergreifen aber durch ihre Unmittel-
; barkeit, Offenheit und Herzlichkeit und lassen das
unerschütterliche Gottvertrauen Speners, seine Demut
und Bescheidenheit, seine Vaterlandsliebe und Opferwilligkeit
für seine unter den Kriegsnöten leidenden Landsleute
im Westen und seine treue Anhänglichkeit an
i seine alten Gemeindeglieder und Freunde in Frankfurt
hervorleuchten.

Bücherbesprechungen machen den Schluß.
Zwickau, S. O. Clemen.

Enneking, P. Nicephorus, OFM,: Das Hochstift Fulda unter
seinem letzten Fürstbischof Adalbert III. von Harstall 1788