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Ausgabe:

1936 Nr. 14

Spalte:

246-247

Autor/Hrsg.:

Polotsky, Hans J.

Titel/Untertitel:

Abriß des manichäischen Systems 1936

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 14.

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Dem in katholischen Laienkreisen erwachten starken
Interesse an der Bibel will der von der rühmlich bekannten
Firma Herder verlegte und gediegen ausgestattete
Bibelkommentar dienen. Als Herausgeber für das A. T.
zeichnet E. Kalt.

Er legt als Bd. VI des großen, zeitgemäßen Unternehmens
die Psalmen übersetzt und erklärt vor. Die
Lieder werden nach der Reihenfolge in der hebräischen
Bibel behandelt. Die Übersetzung hat Schwung. Bei
Liedern wie 19B, 42/3 hätte in der deutschen Wiedergabe
der Kina-Rhythmus berücksichtigt sein sollen. Die
übrigens sparsamen Korrekturen des hebräischen Textes
wie z.B. bei Ps. 8,2. 16,3. 73,7 f. 10. 20., 28 sind
meist stillschweigend vollzogen. Ps. 2,9 liest K. (wie
H. Schmidt z. St.) nach LXX tir'em st. M.T. tero'em.
Für 2,12 bemerkt er, daß die gewöhnliche Übersetzung
sei: Küsset den Sohn, der Grieche und Lateiner
aber: Nehmet Zucht an übersetzen. Die jetzt ziemlich
allgemein angenommene Verbesserung: Küsset
seine Füße bleibt unberücksichtigt.

Und nun die Erklärung. Hier finden sich viele
schöne Ausführungen. So z. B. gleich bei Ps. 1. Oder
bei Ps. 23: Wunschlose Zufriedenheit in göttlicher Ob- i
hut — wird hier als das Thema des Liedes bezeichnet
(S. 79). Das gleiche Lob gilt für Ps. 90 den der
Verf. (wie z. B. auch A. Weiser) für einheitlich hält;
oder Ps. 104. Bei den genannten Psalmen und gewiß
noch manchen anderen kommt ein gewisser Konsensus
der Psalmenforscher aus allen theologischen Lagern zum
Ausdruck. Bei anderen Liedern wird der Verf. nicht
^auf allgemeine Zustimmung rechnen können (sie viel- ]
leicht auch nicht wünschen). So z. B. wenn er Ps. 16
mit Bell arm in das „Ölbergsgebet Christi zum Va- j
ter" nennt. Der Dichter habe sich hier in die Zeit des
Leidens des Messias versetzt. Ebenso schildere der Dich- j
ter Ps. 22 nicht sein, sondern Christi Leiden: Ps. '22
sei eine Karfreitagsvision, die David der Verf. des Ps., zu j
schauen gewürdigt wurde. Bei Ps. 46 lesen wir als '
Schlußbemerkung: „Was der Psalm ist von Jerusalem i
sagt, ist nur ein schwaches Vorbild von der Unzer- !
störbarkeit der Kirche Jesu Christi". „Der Fels Petri
wanket nicht, denn auf ihm wohnt der Herr."

Aus der Einleitung hebe ich einige den geschichtlichen
Standpunkt des Verf. charakterisierende Sätze
hervor. Seien auch nicht alle 73 im M. T. als Davidlieder
bezeichnete Psalmen von David, so durchziehe 1
doch sein Geist den Psalter (S. 1). Ende des 4. j
Jahrh. sei der Psalter fertig gewesen. Makkabäische Lieder
gibt es also im Psalter nicht. Im Kommentar
ist daher Ps. 74 auf die Zerstörung Jerusalems 586
bezogen. Zu Ps. 90 sagt K.: Inhaltlich nicht unmöglich
von Mose. Die historische Kritik ist also recht zahm.

Trotz mancher ernster sachlicher Bedenken sei doch
am Schluß noch einmal unterstrichen, daß der Verf. ;
— sein großer Fleiß, seine heiße Liebe zu seiner Kirche
sei besonders hervorgehoben —auch für ein außerhalb
seiner Kirche stehendes Publikum vieles bietet,
worin es ihm zustimmen kann. Wir seten daher der i
Fortsetzung des Herder'schen Bibelkommentars gern
entgegen.

Heidelberg. G- Beer.

Middendorf, P.Heinrich S. C. J.: Gott sieht. Eine terminologische
Studie über das Schauen Gottes im Alten Testament. Druck von
Paul Plischke, Breslau 1 [1935]. (157 S.) gr. 8°.
1924 erschien Nötscher's Habilitationsschrift: „Das
Antlitz Gottes schauen nach biblischer und babylonischer
Auffassung". „Der Mensch schaut Gott" fordert seine
Ergänzung in dem anderen: „Gott sieht", dem Middendorf
seine Abhandlung widmet. Dabei beschränkt sich
der Verf. bewußt auf die alttest. Literatur. Im ersten
Teil seiner Arbeit führt der Weg von den Termini der
Tätigkeit des Sehens bis zum göttl. Antlitz. Gegen
Ende treten immer mehr größere theol. Probleme ins
Blickfeld, während das 1. Kap. in seinem ersten Abschnitt
in dieser Hinsicht keine neue Einstellung bringt;
es ist fast nur eine bis ins Kleinste gehende Untersuchung
der einzelnen Bezeichnungen. Im zweiten Abschnitt
dagegen treten z. B. die Frage der Auserwäh-
lung, im 2. Kap. die der Sündenvergebung von selbst
auf und erfordern auf Grund des Materials eine Antwort.
Das göttliche Auge und Antlitz führt zur Engellehre,
zur Form der Gottesvorstellung, ob sie menschenähnlich
oder astral oder wie immer sei. Das Fortschreiten
vom Einzelnen zur Zusammenfassung, vom mehr Philologischen
zum Theologischen wird sichtbar. Beides
ließ sich nicht ganz säuberlich von einander scheiden.
Im zweiten Teil findet die Gottesanschauung der
Menschen und die Weltanschauung Gottes ihre synthetische
Darstellung, vorwiegend auf Grund des im
ersten Teil vorgelegten Materials. Jede Idee, jede Offenbarung
tritt uns in Wort oder Werk bildhaft entgegen.
Sie hat eine Anschauungsform. Was eigentlich damit
gemeint ist, legt erst die Behandlung der Form des
Verhältnisses zwischen Gott und Mensch selbst dar.
Das Material ist eng mit der Form verwachsen.
Es umfaßt mehr die metaphysischen Ideen, die allem
Symbol zugrunde liegen, soweit sie seelisch verwurzelt
sind.

Neuere terminologische Studien auf dem Gebiet des
A. T.'s verpflichten schon wegen ihrer verhältnismäßigen
Seltenheit zum Dank (ef. die vielen terminol. Studien
auf neutest. Gebiet bis hin zu G. Kittels Theol. Wörterbuch
zum N.T.). Nun gar, wenn es sich um eine Arbeit
von solcher Gründlichkeit und mit so vielen Anregungen
handelt wie die Middendorf'sche. Nur eine Frage
meinerseits: Hätte nicht irgendwie Stellung genommen
werden müssen zu den Nüancen zwischen „sehen" und
„schauen" im Hebräischen, Griechischen und Deutschen
? Größte Beachtung verdient Middendorfs Deutung
von Zach. 3,9: „Siehe den Stein, den ich vor
Jehoschua gelegt habe, (siehe) über diesen einen Stein
(wachen) sieben Augenpaare (-Engel)." Gegen das Dualverständnis
(Augenpaare) ist nicht nur nichts einzuwenden
, es ist vielmehr die glücklichste Lösung eines
alten Rätsels.
Tremessen (Polen). F. K. J o n a t.

Polotsky, Hans Jakob: Abriß des manichäischen Systems.

Stuttgart: J. B. Metzlersche Vlgsbchh. 1934. (16 S.) gr. 8". = S.-
A. a. Pauly-Wissowa, Real-Encyclopädie d. class. Altert., Suppletnent-
bd. VI. RM 1 -.

Von den neuaufgefundenen manichäischen Schriften
in koptischer Sprache haben die Manichäischen Homilien
1934, die Kephalaia 1935 zu erscheinen begonnen. Beides
wird herausgegeben, übersetzt und mit gelehrten Zutaten
versehen von Hans Jakob Polotsky. Dieser ist
dadurch in die vorderste Reibe der Kenner des Mani-
chäertums getreten, und es war ein glücklicher Gedanke,
ihm den Artikel Manichäismus für Pauly-Wissowas Re-
alencyclopädie (Supplementband VI) anzuvertrauen. Erfreulicherweise
ist die Abhandlung auch gesondert unter
dem Titel „Abriß des manichäischen Systems" ausgegeben
worden (1934).

Knapp, aber inhaltsreich faßt sie zusammen, was
sich heute über die Manichäer und ihre Religion sagen
läßt. Das ist weit mehr, als am Ende des vorigen
Jahrhunderts, weil wir jetzt durch die Funde in Turfan
und in Ägypten im Besitz von Originalschriften dieser
religiösen Bewegung sind, die — wenn auch entfernt
nicht ausgeschöpft — doch schon unsere Kenntnis erheblich
bereichert und manches von dem, was wir bereits
besaßen, in eine bessere Beleuchtung gerückt
haben.

P. zählt zunächst die Quellen auf: a) Originalschriften
in manichäischer Überlieferung. Nicht mitangeführt
werden konnten dabei einige Arbeiten neuesten Datums,
die jedoch zum Teil im weiteren Verlauf noch Erwähnung
finden: Andreas-Henning, Mitteliranische Manichaica II
1933 (s. Sp. 264ff.). III 1934. Henning, Ein mani-