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Ausgabe:

1936 Nr. 13

Spalte:

239-240

Autor/Hrsg.:

Winnig, August

Titel/Untertitel:

Heimkehr 1936

Rezensent:

Vilmar, Wilhelm

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Seite 1

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239

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 13.

240

unerfahrenen Arzt eine Anschauung und Einführung zu j muß man ihn einen nationalen Sozialisten nennen. Von
geben. j seiner Einstellung gegenüber dem Umbruch von 1933

Jedoch wird man wissenschaftlich nicht mit Kün- hören wir nichts, sie wird wohl einem neuen Buch vorbe-

kel mitgehen können. Sein Versuch, die drei Schulen
der Psychotherapie zu vereinen, kann nicht als geglückt
bezeichnet werden: „Der Kampf gegen den äußeren
Feind (Methode Adler)". „Der Kampf gegen den inneren
Feind (Methode Freud)", „Friedensschluß innen
und außen (Methode Jung)". Das klingt plausibel.
Künkel erliegt jedoch seiner Hegeischen Dialektik. Es
liegt aber ein doppelter Irrtum vor: 1) Das Leben behalten
sein. Er betont nur, wie er damals bedauert
habe, nicht in München gewesen zu sein, als der Hitler-
Putsch erfolgte. —

Am interessantesten sind wohl und auch menschlich
am bedeutsamsten die Teile des Buches, in denen der
eigene seelische Wiederaufbau mit Hilfe ernster wissenschaftlicher
Studien, besonders über Wesen und Gemeinschaft
der Bauhandwerker im Mittelalter, über den

wegt sich nicht überall nach dem Hegeischen Dreitakt, j Wandel der Baustile und dessen völkerpsychologische
Statt der Synthesen hat es oft eine „Synergie der ] Begründung dargelegt wird. Zuweilen glaubt der AutoGegensätze
". 2) Eine exakt psychologische Unter- i didakt neues gefunden zu haben, was tatsächlich länger
suchung ergibt, daß Freud/Adler weder These/Anti- , bekannt und in seiner Problematik erkannt war.
these sind noch daß Jung die Synthese ist, weil Jung ] Der Stil trägt deutliche Spuren einer mangelnden
von seinen assoziationspsychologischen Studien her noch j Früh- und Dauerschulung, aber das stört nicht, weil
immer mit dieser Psychologie behaftet ist, wie wir an j die Wärme des Gefühls und die daraus erwachsende
anderer Stelle zeigen. — „Adler war von der naturwisseu- i Stärke der Persönlichkeit das Ganze durchsonnen,
schaftlichen zur geisteswissenschaftlichen Betrachtungs- Den Titel Heimkehr" führt das Buch nicht mit

weise und dami.zur Ganzhedsbetrachtung" ubergegan- Unrecht zeigt es doch nicht nur den Weg aus dem
gen" (S. 85). Es ist ein Irrtum, die Ganzheitsbetrach- Qsten des Vaterlandes in die eigentliche Heimat und zu
hing geisteswissenschaftlich zu nennen, denn sie ist in der geliebten Frau sondern auch die Rückkehr von ander
Biologie (z. B Driesch, Alverdes) ebenso aner- : stralften Theorien zu den Quellen deutschen Lebens:
kauni,^ue 10 dfr ^eC^Zln; H5r «igt sich der w'ssen- bodenständiger Vaterlandsgesinnung und einem uner-
schafthch wunde Punkt des Kunkelschen Versuchs: er : schütterlichen Gottesglauben, den altererbten Lebensan-
gibt eingangs im Widerspruch dazu an, daß der über- 1
höhte Standpunkt über die einzelnen Schulen hinweg
der der Ganzheitsbetrachtung sei. Aber Künkel ist in
den Ganzheitsgesetzlichkeiten nicht hinreichend orientiert
. Seine ausgezeichnete Darstellungsgabe verdiente
nach so üppiger Produktion der gründlichen wissenschaftlichen
Vertiefung.

Gießen. Johannes Neu mann.

schauungen, die Winnig im Elternhause überkommen,
und zu denen er sich erneut durchgekämpft hat.

Das Buch wird deshalb auch den Lesern dieser Zeitschrift
nicht unwillkommen sein.

Marburg. V. V i 1 m a r.

Hebrew Union College Annual. Vol. X. Cincinnati 1935. (III,
597 S.) 8°. $ 2—.

Der für die Bibelwissenschaft bedeutsamste Aufsatz
in diesem Jahrbuch ist J. Morgenstern's Erörterung
des Kalendersystems des alten Israel (S. 7—148),

Winnig, August: Heimkehr. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt
[1935]. (411 S.) pr. 8°. Geb. RM 5.80.

Bewegte Zeiten haben, wie bekannt, an Biographien
keinen Mangel. Das Bedürfnis führender Persönlichkei- ; wonach es nach dem ältesten rein solaren System
ten, die Entwicklung von sich aus darzustellen, ge- "ach einander zwei lunarsolare Systeme mit verschie-
gebenenfalls sich zu rechtfertigen, ist ebenso stark wie dener Ansetzung der Feste gegeben hat. Auch die
der Wunsch interessierter Kreise, neben den offiziellen Rechnung der Tage von Sonnenaufgang ah ging erst in
Berichten individuelle Darstellungen zu lesen und da- der dritten Periode in die Rechnung vom Sonnen-
durch vielleicht mancherlei zu erfahren, was sonst nicht Untergang über. Beachtenswert ist auch A. Marmorstein,
in die Öffentlichkeit kommt. Zeigt sich der Wandel der ! Judaism and Chnstianity in the middle of the third
Zeiten aber auch im Wechsel grundsätzlicher Auffas- Century (S. 223—263). Die von Simon bei Lakisch
sung, dann tritt beiderseits das Verlangen nach psycho- erwähnten jüdischen Übertreter, über welche das Hollen-
logischer Klärung dazu. > feuer keine Macht hat, weil sie an guten Werken reich
August Winnig ist als junger Arbeiter in den Dienst sind, findet er in den gesetzestreuen Christen aus Israel,
der Gewerkschaften und in die sozialdemokratische Par- welche die Clementinischen Homilien und Recognrtionen
tei eingetreten, als Soldat des Weltkrieges hat er das i voraussetzen und die syrische Didascalia bekämpft. Der
große Erlebnis der Volksgemeinschaft, Kameradschaft damit gegebene Gegensatz der Kirche gegen das Gesetz
und vaterländischen Verpflichtung gehabt. Noch Mit- veranlaßte jüdische verstärkte Betonung seines Werts,
glied der Partei und ihr Abgeordneter in der Weimarer j Für die Geschichte der hebräischen Vokalisation sind
Nationalversammlung erhält er die schwere Aufgabe, 1 wichtig die von P. Kahle und J.. Weinberg herausgege-
die Interessen des Reiches und wohl auch der Partei '• benen Mischnafragmente mit babylonischer Vokalisation
zuerst in dem langsam geräumten Baltikum, dann als I (S. 185—222). Die mystischen Ideen von Simon ben
bestellter Kommissar in Ostpreußen zu verteidigen. Aus ! Jochai behandelt A. Kaminka (S. 149—168), talmudische
seinem starken und immer gesteigerten Gefühl, vor ; Erwähnungen griechischer Buchstaben E. Fink (S. 169
allem die Rechte des Reiches und des Deutschtums im { bis 183), Manuskriptfragmente aus der byzantinischen
Osten vertreten zu müssen, entstehen die fortgesetzten Zeit und dem Mittelalter S. Krauss und j. Manns
Konflikte mit den führenden Männern der Republik und I (S. 265—308). David Kimchi's Kommentar zu Ps.
der Partei. Die Darstellung der verschiedenen Auffas- 42—72 wird nach Ausgaben und Handschriften ediert
sungen, der daraus erwachsenden Gegensätze, die von S. Esterson (S. 309—443). Lokale Purimfeste
schließlich zu Austritt oder Ausschluß von Partei und aus besonderem Anlaß in neuerer Zeit besprechen M

Gewerkschaft, Niederlegung des Königsberger Oberpräsidiums
, infolge des Kapp-Putsches und auch fast völliger
menschlicher Vereinsamung führen, durchzieht das
ganze Buch. Winnig ist Sozialist gewesen und geblieben

Ginsberger und C. Roth (S. 445—482). Grabinschriften
aus dem 16. und 17. Jahrh. ediert S. Bernstein (S. 483
bis 552). Den Geist der Predigten des Rabbiners
Evbeschitz in Hamburg um 1750 hebt hervor J. Bettan

in dem Sinne, daß er den deutschen Arbeiter erziehen (S. 553—597).

will für den Dienst der Volksgemeinschaft und insofern Greifswald._____ G. Da 1 man.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 4. Juli 1936.

Verantwortlich: Prof. D. W. Bauer in Güttingen, Düstere Eichenweg 14.
Verla« der J. C. H i n r i c h ('sehen Buchhandlung in Leipzig C 1, Scherlstraüe 2. — Druckerei Bauer in Marburg.