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Ausgabe:

1936 Nr. 1

Spalte:

235-237

Autor/Hrsg.:

Trillhaas, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Evangelische Predigtlehre 1936

Rezensent:

Schian, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 13.

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und die eigene irdische Existenz geistlich in den Tod
gegeben haben. Durch die Kirche wird diese Welt auf
das Reich der Auferstehung bezogen und damit ihrem
verkehrten So-Sein nach aufgehoben. Der Kirche gehören
wir daher an, sofern wir allen andern Ordnungen,
die sich von der Schöpfung herleiten und durch den
Fall in die Verkehrung gerieten, entronnen sind" S. 117.
Also gibt es nur eine Losung für die Kirche: heraus
aus dieser Welt. Der ptolemäische Mensch steht in der
Welt und baut darüber einen Sonderraum für die Kirche.
Der kopernikanische Mensch kennt nur Welt und will
die Kirche in der Welt haben. Sehr viel Wahres und
sehr viel Richtiges — aber aufs Ganze gesehen —
eine Philosophie vom Denken her, nicht im Glauben
von der Bibel aus. Auch was über die römische Kirche
und die protestantische gesagt wird, ist oft sehr beachtenswert
, wenn es auch bitter ist. Aber es ist alles
zu wenig vom Evangelium her gesagt. Das bleibt doch
nun einmal frohe Botschaft — auch für diese Welt.
Und R. kennt nur eine verlorene Welt, die sich mit
aller Gewalt gegen das Evangelium stemmt. Ja, es haßt
— und hassen muß. Es scheint oft bei R. so, als wäre
das Gehaßtwerden das einzig klare Kennzeichen der Kirche
. Die Welt haßt die wahre Kirche und die wahre Kirche
haßt die Welt. Man ist oft bei R. in Versuchung zu
fragen, wer haßt mehr. So bleibt letztlich ein Dienst
der Kirche — wenn man bei R. überhaupt vom Dienst
der Kirche reden darf — die gläubigen Sünder, die im
Haß der Welt stehen — und Welt ist für R. die gesamte
Wirklichkeit mit all ihren Ordnungen — zuzu-
rüsten auf den Tag Jesu Christi, Lutherscher Geist kann
sich in dieses Buch nicht schicken.

Bonn. F. H a u n.

Trillhaas, Wolfgang: Evangelische Predigtlehre. München;
Chr. Kaiser 1935. (173 S.) 8°. = Pfarrbücherei für Amt und Unterweisung
. Rd. IV. RM 3.30 ; geb. 4.30.

Da Fezers Schrift „Das Wort Gottes und die Predigt
" nur eine (wenn man will: die) Grundfrage der
Predigt behandelt, stellt die vorliegende Arbeit die erste
ausgeführte Predigtlehre von der dialektischen Theologie
her dar. Sie läßt die Geschichte der Predigt bei
Seite, was ihr gutes Recht ist; aber sie gibt sonst allen
wesentlichen Fragen Raum. In 4 Teilen bespricht sie:
Die Predigt als Ausrichtung des göttlichen Wortes;
Predigt und Text; die Predigt als Rede; die Predigt
als Dienst des Pfarrers. Eine Einleitung erörtert unter
den beiden Überschriften: Predigt und Liturgie; Wort
und Sakrament das Verhältnis zum Gottesdienst.
Manche Wichtigen Fragen, die in dieser Inhaltsangabe
nicht erscheinen, sind doch nicht übersehen. So heißt
ein Abschnitt im 1. Teil „Der Hörerkreis der christlichen
Predigt"; und von der „Gemeindemäßigkeit"
der Predigt ist mehrfach die Rede, freilich unter Stichworten
, bei denen man diese Ausführungen nicht sogleich
vermutet (z. B. bei § 13: die Ordnung der Predigt
; bei § 14: der Dienst am Wort als Hirtenamt).
Auch Von der Kasualrede ist gesprochen: „Die Ka-
sualrede als Predigt" (§ 16). — Die Eigenart dieser
Predigtlehre ist natürlich von der theologischen Haltung
her bestimmt. Von daher erklärt sich u. a. das
Vorkommen einer Polemik gegen die „Voraussetzungen,
unter denen man vordem praktische Theologie betrie-
trieben hatte"; es sei „nicht mehr selbstverständlich,
sich von Rhetorik, Psychologie und dergl. die Gesetze
seines Handelns vorschreiben zu lassen" (Vorwort).
Diese Charakteristik der früheren Prakt. Theol. als
ganzer ist einfach falsch; vielleicht mag sie auf einzelne
zutreffen, am ehesten auf Niebergall; wir anderen
dürfen sie mit Berufung auf unsere eigenen Darstellungen
mit Nachdruck ablehnen. Auch sonst begegnet
zuweilen eine Bekämpfung früherer Arbeiten, die
deren Haltung nicht gerecht wird. Ob auch die liebenswürdige
Wendung: „eines der früheren blutlosen
Systeme der Homiletik", die der Umschlag enthält,

auf die Rechnung des Verfassers kommt, ist nicht
| sicher. — Die einleitenden Sätze über Liturgie und
Predigt sind temperamentvoll einseitig; hier bemerkt man,
i nicht gerade,mit Freude, die Neigung, die eigene, keines-
1 wegs gesicherte Begriffsbestimmung und Gesamtauffas-
| sung (zu der sehr viel zu sagen wäre) als absolut richtig
i hinzustellen. — Wesentlich ist für T. selbstverständ-
I lieh die Deutung der Predigt als „Ausrichtung des
! göttlichen Wortes"; hier findet T. schöne Formulierungen
: „Die Predigt ist nur dann echte christliche Predigt
, wenn sie Gottes Wort sagen will, von dem die
: Kirche lebt" (S. 33). Die in diesem Satz sich alsbald
anmeldenden Probleme („sagen will") werden weiterhin
1 erörtert; entscheidend sei nicht der gute Wille, sondern
der Inhalt; es handelt sich nicht um „ungebrochene
i Identität"; die Predigt „bleibt ganz und gar mensch-
j liehe Rede". Bemerkenswert ist, daß es nach T. „weder
gilt, einen anthropozentrischen noch einen theozen-
I frischen oder sonst einen Predigtbegriff aufzustellen"
| (S. 39); hier darf ich wohl auf meine Auseinander*
! setzung mit Fezer (Monatschr. f. Pastoraltheol. 1928)
i hinweisen. — Zur Eigenart des Buchs tragen auch'
j die Ausführungen über die Auslegung des Textes (§ 9)
erheblich bei. Es gehe nicht um eine „pneumatische"
oder „praktische" Exegese neben der „wissenschaft-
j liehen", historisch-kritischen; es gehe um gewissenhaftes
Verstehen dessen, was uns der Text sagt. Dem
stimme ich ohne weiteres voll zu; aber die Darlegungen
, die diese Sätze erläutern, erwecken doch mehrfach
Bedenken. Daß sie in dieser schwierigen Frage zur
völligen Klarheit führen, vermag ich nicht zu sagen.
Sehr gut sagt T.: Das vom Prediger geforderte Eindringen
in den Text wird dahin führen, daß er in kritischer
Analyse zunächst sich scheinbar des Textes!
bemächtigt, bis der Text selber die Führung übernimmt.
Die Sorge um die Anwendung wird dann darin besteben
, daß der „Text uns zur gegenwärtigen Stimme
wird" (S. 91). Ebenfalls muß man zustimmen, wenn
I sich T. gegen das Verfahren wendet, „wenn die Pre-
J digt bloße applicatio wird, ohne sich auf das zu
I gründen, was der Text sagt" (S. 89); aber der Nachdruck
, mit dem er dieses Verfahren bekämpft, erweckt
den falschen Schein, als ob diese Art irgendwo ernstlich
verteidigt würde. — Ein längerer „Zusatz" über
alttestamentliche Texte (S. 98—104) ist sehr interessant
, aber er bestätigt die eben geäußerten Bedenken
hinsichtlich der Auslegung. Neben sehr zu begrüßenden
Sätzen (z. B. S. 104: Es gilt, auch kraft alttesta-
j mentlicher Texte, Gott, den Vater unseres Herrn Jesu
Christi zu verkündigen") stehen andere, denen wider-
| sprochen werden muß. T. weist darauf hin, daß im
N. T dem A. T. nur auf dem Weg der Allegorie ein
Christuszeugnis abgewonnen wird. Das mag, meint er,
auch für die Allegorie eine Gasse bahnen, deren Luther
und andere sich „legitim" bedient haben. Hierzu sage
ich im Interesse der Wahrheit Nein; Wenn wir das
J A.T. nicht mehr sagen lassen, was es sagt, sondern
; etwas Anderes (das ist der Sinn der Allegorie), so
j vergewaltigen, wir das Wort Gottes. — Beachtenswert
und sehr erfreulich ist, daß T. der „Gemeindemäßigkeit
" der Predigt das Wort redet, der Fezer mit großein
Mißtrauen gegenübersteht. Die Gemeinde ist nicht bloß
Hörerschar, „sie ist in vielfacher Weise konstituierend
! für das Predigtgeschehen" S. 133); daß dabei gegen die
„volkspsychologische" Fragestellung im Blick auf Niebergall
polemisiert wird, zeigt, daß zwischen üemeinde-
gemäßheit und Gemeindegemäßheit große Unterschiede
I sind. T. bringt dazu manche sonst wenig betonte
Gedanken; er erläutert seine Forderung durch Darlegungen
über die „seelsorgerliche Voraussetzung der
Predigt", die viel zu denken geben und recht wertvoll
sind. Aber er hat jedenfalls mit diesen Sätzen dankenswerter
Weise eine Einseitigkeit vermieden, die sonst
bei Äußerungen dialektischer Theologen wohl begegnet
. — Zum Schluß sei nur noch auf Eines hinge-