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Ausgabe:

1936 Nr. 1

Spalte:

3-4

Autor/Hrsg.:

Egitto, Babilonia

Titel/Untertitel:

Israele, Arabia meridionale 1936

Rezensent:

Schnitzer, Joseph

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Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 1.

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Arier sei von einzigartiger Genialität und Größe gewesen.
Die Arier seien so das Licht und Heil bringende Volk
der Erde gewesen von Anfang an!!! Nun könnte man
dem gegenüber etwa auf die Urreligion der Chinesen
hinweisen oder auf die Religion der Völker, die aus viel
älterer Zeit uns viel besser bekannt ist, die wir in Vorderasien
haben (man denke etwa an die Ausgrabungen
in Ur in Chaldäa!). Liegt nun bei diesen Völkern keine
„Offenbarung" vor des Ewigen? Oder waren diese viel
älteren Religionen des Teufels ? Sie haben doch auch den
Himmelsgott! Und wie fein ist schon die Sittlichkeit
ausgeprägt! Und wie tapfer ihr Heldengeist! Aber diese
Dinge schiebt man bei Seite. Sie passen zu der Arier-
Theorie nicht.

Der Verfasser bemüht sich, um noch eines zu erwähnen
, was hier besonders interessiert, nun um den
Nachweis, daß das Christentum eigentlich arisch sei.
Jesus habe seine Lehre nicht als Fortsetzung des Judentums
, sondern im Gegensatz zu demselben vorgetragen.
Alle grundlegenden Gedanken des Christentums seien
nicht im Judentum zu finden, diesem seien sie vielmehr
geradezu entgegengesetzt. Auch die moralischen Gebote
des Judentums seien schon von Jesus selbst und erst
recht von Paulus beseitigt worden und „durch ein neues
dem Judentum fremdes und von diesem gehässig zurückgewiesenes
Gebot ersetzt worden" (S. 158). Nun, das
Gebot der Liebe, das die Zusammenfassung aller christlichen
Ethik ist, ist das Gebot des Alten Testaments.
Damit fällt diese ganze Theorie des Verfassers in sich
zusammen. Jesus stand im Gegensatz zu der Entartung
der alttestamentlichen Religion, aber nicht zu der
Offenbarungsreligion der Propheten des Alten Testaments
. Der Verfasser geht aber noch einen Schritt weiter.
Er sagt, auch alle später dogmatisierten christlichen Gedanken
seien im Grunde arisch und nicht irgendwie
aus der Religion des Judentums entnommen oder abzuleiten
.

Allmählich kommen wir zu einer sehr eigenartigen
Sachlage. .Wir können immer einen Vertreter der neudeutschen
Religiosität durch einen andern widerlegen.
Denn im allgemeinen sagt man doch heute in diesen
Kreisen, daß alles dies jüdisch sei im Christentum. Hier
ist nun solch ein Mann, der „beweist", daß alles Wichtige
im Christentum arisch ist. Das Judentum sei keine
unerläßliche Vorstufe des Christentums (S. 162). Darum
hätten die Germanen und Kelten das Christentum so
rasch und kampflos angenommen, weil die Christusbotschaft
ihnen geistverwandt gewesen sei!!! Nun
muß nur dies arische Christentum aus den Fesseln der
Verfälschung gelöst werden, damit wir unsere Wertsendung
erfüllen können. Die Mystiker und Luthers Werk
sind solche Anfänge der Reinigung oder Neugeburt.

Das Buch ist ganz spannend zu lesen. Aber es hat
mit eigentlicher Wissenschaft nichts zu tun. Es ist ein
Roman mit Anknüpfung an wissenschaftliche Beobachtungen
, die aber auch nur zu sehr den Laien verraten.
Der Verfasser hat allerlei Kenntnisse auf dem Gebiet
der Religionsgeschichte. Aber wäre er ein wirklich gründlicher
Religionswissenschaftler, dann hätte er dies Buch
nicht geschrieben. Denn mit diesen Vermutungen und
Rückschlüssen kann man als Wissenschaftler nicht arbeiten
.

Berlin. Johannes Witte.

Pettazzoni, Raffaele: La confessione dei Peccati. Parte se-
conda, vol. II : Egitto, Babilonia, Israele, Arabia Meridionale. Bologna
: N. Zanichelli 1935. (XVI, 365 S.) 8°. = Storia delle Religioni
Bd. XI.

Der rühmlichst bekannte italienische Religionshistoriker
hat in dem hier vorliegenden, wie schon in den
beiden französisch herausgegebenen, als zweite Auflage
des ersten italienischen Teiles anzusehenden Bänden
seines verdienstlichen Werkes über das Bekenntnis der
Sünden ein ungemein reiches, durchaus zuverlässiges Material
zusammengetragen, welches niemand, der sich mit

einschlägigen Fragen beschäftigt, ungestraft wird außer-
acht lassen dürfen. Dabei schwoll ihm der Stoff unter
! der Hand immer noch weiter an, wie denn die französische
Ausgabe des ersten Bandes die ihr zu Grunde
| liegende italienische an Umfang fast um das doppelte
j übersteigt. In seinem neuesten Bande widmet der Vf.

der Sündenauffassung Israels besondere Aufmerksamkeit.
, Er behandelt zunächst die individuelle Sünde und die
l Art ihrer Beseitigung in den Psalmen, in den geschicht-
j liehen Büchern, im Gesetze und anderen biblischen und
; nachbiblischen Zeugnissen, sodann das kollektive Be-
| kenntnis wieder in den verschiedenen Teilen der alttesta-
! mentlichen Urkunden, schließlich die kanaanäischen Ursprünge
, den israelitischen Herbstfestzyklus und den
j babylonischen akitu sowie den jom ha-kippurim in Geschichte
und Vorgeschichte. Der wichtigste Ertrag seiner
Untersuchungen besteht in dem Nachweise, daß
| gleich allen primitiven und selbst den dem Primitivismus
| immer noch mehr oder weniger nahe stehenden Kulturvölkern
des Morgenlandes auch Israel im Banne der
! magischen Sünde liegt, die sogar in der dem magischen
! Boden im ganzen und großen bereits entwachsenen
Religiosität der Psalmen noch nachwirkt, wenn sie hier
auch nicht mehr so lebendig und kräftig auftritt, wie
Mowinkel in seinen Psalmstudien annimmt. Schade,
I daß der Vf. nicht auch das bekannte klassische Werk
von Morinus über die Buße berücksichtigt hat, das in
L. II c. 20. 21. 22 in eingehendster Weise von Beicht
und Buße bei den älteren und neueren Juden handelt.
Was die vom Vf. am Schlüsse noch besprochenen süd-
| arabischen Inschriften angeht, so legen auch sie einerseits
von der sündentilgenden Kraft des Bekenntnisses,
I andererseits von der ausschlaggebenden Bedeutung der
I geschlechtlichen Sünde unmißverständliches Zeugnis ab.
Bemerkenswert ist besonders der Umstand, daß die Inschriften
unverkennbar einen religiös - pädagogischen
Zweck verfolgen; im Heiligtume oder im Umkreise eines
solchen angebracht, wollen sie dem gesamten Volke zur
eindringlichen Warnung vor ähnlichen Missetaten dienen.
— Wir sehen dem noch in Aussicht stehenden dritten
| Bande des Pettazzonischen Werkes, welches das Bekenntnis
bei den Syrern und Hettitern, in Kleinasien und
Griechenland verfolgen soll, mit Spannung entgegen.
München. J- Schnitzer.

Fuerth, Maria: Caritas und Humanitas. Zur Form u. Wandlung
des christl. Liebesgedankens. Stuttgart: Fr. Fronimann 1933. (VII,
190 S.) 8°. RM 5.20; geb. 6.80.

Verf. geht mit Recht von der Tatsache aus, daß in
der theologischen Arbeit der letzten Jahrzehnte der Zen-
tralgedauke des Christentums von der Liebe Gottes nicht
die volle Würdigung gefunden hat: die frühere sog. liberale
Theologie hat ihn zu sehr unter dein Gesichtspunkt
der Humanität gesehen, und die dialektische Theologie
hat ihm die beherrschende Stellung — abgesehen von

I Brunner — nicht gegeben. Die vorgelegte Studie will
nun die Wandlungen im Verständnis der Caritas bis ins

I 17. Jahrhundert aufweisen. Nach grundsätzlichen Ab-

l schnitten über das „Wesen der religiösen Erlösung", den
„Erlöser" und das „Erlösungsziel" handelt das 4. Kap.
vom „Wesen der Caritas im Evangelium", dann kommt
das Mittelalter an die Reihe mit besonderer Berücksichtigung
von Bernhard von Clairvaux und Franziskus von
Assisi; in einem weiteren Kap. wird die Caritas vornehm-

! lieh bei Vineenz von Paul und im Humanismus erörtert.

! Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit dem Verständnis
der Caritas in der Reformation, besonders bei

; Luther; ein Schlußkapitel handelt von Pascals Wertung
der Agape und gibt andeutende Wertungen in der Ge-

i genüberstellung von Nationalismus und Caritas.

Ohne Zweifel bietet die Studie eine Reihe guter Beobachtungen
, so z. B. wo Verf. christliche und außerchristliche
Erlösungsreligionen einander gegenüberstellt,
oder in den Ausführungen über Bernhard, Franziskus
und Pascal. Von hier aus ist Verf. aber auch befangen