Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1936 Nr. 12

Spalte:

218-219

Titel/Untertitel:

Gebete des Hofkanzlers und des Prager Kulturkreises 1936

Rezensent:

Clemen, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

217

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 12.

218

müssen. Die beiden kleinen Artikel von K.Müller (ZNW
23, 1924 und 28, 1929) sind Easton entgangen. Sie
hätten allerdings für seine Arbeit kaum etwas ausgetragen
. Hoffentlich wird künftig von der äjtoototaxJi
naoäfiooig in den allgemeinen kirchengeschichtlichen Darstellungen
stärker Gebrauch gemacht als bisher. Ein
Blick in den 2. Band von Lietzmanns Geschichte der
alten Kirche zeigt, daß diese Hoffnung nicht vergeblich
zu sein braucht.

Gießen. G. Krüger.

stehen und das Seinige zu dieser neuen Richtung beizutragen
.

In zwei Anhängen stellt der Verfasser schließlich
noch die Verfasserschaft des Gelasius für die sog. Traktate
I und II (Thiel, S. 51 Off. und 524ff.) außer Zweifel
. Bei einer Untersuchung, die so weitgehend mit stilkritischen
Mitteln arbeitet, begrüßt man auch die Beigabe
eines unter diesem Gesichtspunkt gearbeiteten
Wörterverzeichnisses.

Kiel. E. Wohlhaupter.

Koch, Hugo: Gelasius im kirchenpolitischen Dienste seiner
Vorgänger, der Päpste Simplicius (468—483) und Felix III. (483
—492). Ein Beitrag zur Sprache des Papstes Gelasius I. (492—496)
und früherer Papstbriefe. (Sitzungsberichte der bayerischen Akademie
der Wissenschaften, phil. bist. Abt., Jahr 1935 Heft 6). München:
Verlag der Bayerischen Akademie, in Kommission bei der Beckschen
Verlagsbuchhandlung 1935. (85 S). 8°. RM 5.50.

„Gelasius I. . . . ist eine Gestalt groß und eigen-
wüchsig genug, um Zustimmung und Abwehr noch bei
den Parteien einer späten Nachwelt zu erregen. Sein
Bild weist aber . . . verglichen mit den harmonischen
Linien des Bildes Leos des Großen schroffere und herbere
Umrisse auf. Seine geistigen Züge hatte ein Zeitalter
geprägt, das aus der gesicherten Umhegung des
universalen Imperium Romanum in das Chaos einer
neuen werdenden Welt herausgerissen war." So umreißt
Erich Caspar (Geschichte des Papsttums II,
Tübingen 1933, S. 81), dem wir ja überhaupt eine
meisterhafte Darstellung des Pontifikats des Gelasius
verdanken, das Bild dieses sprach- und gedankengewaltigen
Papstes, der mit seiner Lehre von den zwei Gewalten
einen so großen Einfluß auf spätere Zeiten üben
sollte. Deshalb verdient der geistige Werdegang dieses
Mannes, der nicht mehr jung gewesen sein kann, als
er zur Papstwürde gelangte, unsere Aufmerksamkeit. Wo
verbrachte Gelasius die Lehrjahre, die den Meisterjahren
seines Pontifikats vorausgingen? Es zeugt wieder einmal
von der Unisichtigkeit der Forschung Caspars, wenn
er auch in dieser Frage schon auf den richtigen Weg
weisen konnte; in seinen Anmerkungen S. 750f. verfolgt
er in einer knappen stilkritischen Darlegung die Frage
der Autorschaft oder der Mitarbeiterschaft des Gelasius
an den Briefen des Papstes Felix III. Hier hat nun
Hugo Koch, ein ja auch auf diesem Forschungsfelde
wohlbekannter Gelehrter, eingesetzt. Das wichtige, neue
und mit überzeugender Sachkunde und Stofffülle begründete
Ergebnis seiner Untersuchung ist: Gelasius I. hat
bereits die unter seinen beiden Vorgängern Simplicius
(4C8—483) und Felix III. (483—492) ausgegangenen
Briefe verfaßt; wir haben in diesen Briefen bereits dieselben
Sprachmittel, dieselbe Ausdrucksweise, dieselben
Verbindungen, denselben Tonfall, dieselben Gedanken.
Nicht von Simplicius und Felix III. hat Gelasius gelernt
, seine Lehrmeister waren ein Leo I, ein Augustin
und weiter zurück Cyprian und Tertullian (über die Berührung
mit diesen beiden vgl. noch besonders den Anhang
III, S. 77 ff.). Dieses Ergebnis ist in so untadeliger
Methode und mit solch meisterlicher Stoffbeherrschung
ermittelt, daß nur noch die Frage bleibt: War
es denn einem Manne vom Schlage des Gelasius innerlich
möglich, sowohl einem zögernden Simplicius wie
einem durchgreifenden Felix III. kirchenpolitische Dienste
zu leisten? Wenn Koch, der auch dieser Frage nicht
aus dem Wege gegangen ist, diese Möglichkeit durchaus
bejaht (S. 64 f.), so kann diese Auffassung nur verstärkt
werden, wenn man sich überlegt, daß gerade am
Ende des Pontifikates des Simplicius, nämlich im Jahre
482, die Einigungsformel, das sog. Henotikum, eine
neue Lage im Morgenlande geschaffen hatte. Fand
doch diese Einigungsformel der Großkirchen Konstantinopel
und Alexandrien den Beifall der Kaiser, die hier
die Möglichkeit eines kirchenpolitischen Mittelweges sahen
(vgl. Caspar II, S. 22ff.). Schon diese Tatsache
forderte einen neuen Kurs in der Politik Roms und
Gelasius war ganz der Mann um das sofort zu verSchriften
Johannes von Neumarkt, hrsg. von Joseph Klapper.
4. Teil: Gebete des Hofkanzlers u. des Prager Kulturkreises. Berlin:
Weidmannsche Buchh. 1935. (LXXVII, 426 S. m. 2 Lichtdrucktaf.)
! gr. 8°. = Vom Mittelalter zur Reformation, hrsg. v. Konrad Burdach
, Bd. VI, 4. RM 32 — .
Mit diesem Buche betreten wir Neuland: das Laien-
I gebet am Beginn des frühneuhochdeutschen Schrifttums
. Am Prager Hofe Kaiser Karls IV. entsteht ein
Gebetbuch von besonderem Charakter. Es fehlt die den
I südwestdeutschen Gebetbüchern eigene mystische Ge-
I fühlsinnigkeit, es fehlen z. B. auch die Hinweise auf
| Ablässe. Dagegen häufen sich die Abendmahlsgebete
j (die tägliche Laieneommunion wird Sitte). Die wenigsten
dieser Gebete sind Neuschöpfungen, die allermeisten
lehnen sich an ältere kirchliche und private Gebete
an. Besonders deutlich tritt hervor das Bestreben, lateinische
Gebete großer Kirchenlehrer den Laien, zunächst
den Frauen des Hofes, in freien Übersetzungen zu erschließen
oder eben erst aufkommende Andachten aus
der Frömmigkeitssphäre Avignons in diesen Kreis zu
übertragen. Das bedeutendste Zeugnis für dies letztere
Bestreben sind die beiden unser Buch eröffnenden Tagzeiten
vom Leiden Christi und vom Mitleiden Marias, die
Jon. von Neumarkt für die Markgräfin Elisabeth von
Mähren, die Gemahlin des Markgrafen Johann, des
Bruders Karls IV., bei der er in hoher Gunst stand,
verfaßt hat. Die Vorlage für die Tagzeiten vom Leiden
Christi ist ein dem Papste Johann XXII. (131G—34)
oder auch Benedikt XII. (1334—42) zugeschriebener
Cursus, für die Stundengebete vom Mitleiden Marias
die Horae de compassione Mariae virginis des Papstes
Clemens VI. (1342—52), des einstigen Lehrers Karls IV.
Diesen beiden Gebetsreihen folgen Gebete, in denen
sich Joh. von Neumarkt an Augustin, Hieronymus, Bernhard
, Petrus Damiani, Ambrosius, Anselm angelehnt hat.
Es sind, wie gesagt, keine Neuschöpfungen, aber freie
und selbständige Übertragungen in einer sehr würdigen
und feierlichen, zugleich sehr flüssigen Sprache. Daß
Joh. von Neumarkt dabei ein feines Gefühl hat für das,
was sich als Gebetsinhalt für vornehme Damen schickt
und was sich nicht schickt — er denkt dabei wohl nicht
nur an das engere Publikum, für die er in erster Linie
diese Übertragungen anfertigt —, zeigt sich darin, daß
j er die z. T. abstoßenden Einzelschilderungen der Jesu
I zugefügten Mißhandlungen wegläßt. Mit welcher Vor-
i liebe eine irregehende religiöse Phantasie mit diesen
Dingen sich beschäftigte, zeigen z. B. die 1400 im Dom
zu Passau gehaltenen Passionspredigten Paul Wanns
(herausgeg. von Franz Xaver Zacher 1928). Man ver-
I gleiche mit diesen Predigten die beiden Tagzeiten, und
I man wird erkennen, was für einen geläuterten Geschmack
der Hofkanzler gehabt hat. An die von ihm
verfaßten Gebete schließen sich an und mit ihnen mischen
sich solche von Militsch von Kremsier, die sich
von jenen abheben durch volkstümliche Einfachheit der
Gedanken und natürlich-schlichte Sprache, und Gebete
| unbekannter Herkunft, die aber ihren Ursprung zumeist
j demselben Bestreben verdanken wie die Gebetsübertragungen
des Hofkanzlers. Die handschriftliche Verbreitung
, der der Herausgeber mit größtem Eifer nachgegangen
ist, zeigt, daß diese Gebete schnell in Frauenklöstern
, weiterhin aber auch in bürgerlichen Kreisen
Eingang fanden und daß sie aus dem böhmisch-mährischen
Heimatsraum auch ins Südböhmisch-Oesterreichi-
sche, Oesterreichisch-Bayerische, Bayerische, Schwäbi-