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Ausgabe:

1936 Nr. 12

Spalte:

213-214

Autor/Hrsg.:

Nyberg, Henrik S.

Titel/Untertitel:

Studien zum Hoseabuche 1936

Rezensent:

Bewer, Julius August

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213

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 12.

214

nations civilisees". Gerade im Hinblick auf den Vorwurf
des finsteren Charakters des Calvinismus verbreitet
sich Leon Wencelius ausführlich über ,L'idee de
joie dans la pensee de Calvin'. Schon in früheren Jahrgängen
hat A. Koyre ansprechende Studien über deutsche
Mystik und Philosophie veröffentlicht: ,Un mysti-
que Protestant, Valentin Weigel' (VIII, 227ff.; 329ff.);
.Sebastian Franck' (XI, 353 ff.); ,Paraeelse' (XIII, 46ff.;
145 ff.) — in den vorliegenden Heften bietet er „Bemerkungen
zur Ausgabe der lateinischen Werke Meister
Eckarts" und zum Aufenthalt „Hegels in Jena" auf
Grund neuerer Publikationen. In dankenswerter Weise
hat der Berner Alttestamentier M. Haller ,La question
juive pendant le premier millenaire chretien' aufgegriffen
und sollen diese Ausführungen auch im deutschen
Original baldigst erscheinen. Wie fast in allen
Jahrgängen finden sich auch hier kenntnisreiche Aufsätze
von Maurice Goguel (Paris) aus seinem neu-
testamentlichen Forschungsgebiet: ,L'apötre Pierre a-t-il
joue un röle personnel dans les crises de Grece et de
Galatie?'; ferner ,Le caractere et le röle de l'element
cosmologique dans la soteriologie paulinienne' und ,Les
fragments nouvellement decouverts d'un Evangile du
He siecle'. Zum Problem ,L'historicite de Jesus' nimmt
der Altmeister G. Baldenspergerin seinem ,A pro-
pos des recits evangeliques de la Passion et de la Resur-
rection' noch einmal Stellung, indem er mythisch-legendäre
Motive auch in den evangelischen Berichten über
Passion und Auferstehung nachzuweisen sucht. In Heft
6 veröffentlicht der bereits oben genannte G. van der
Leeuw sein Referat auf dem Brüsseler Religionskongreß
über: ,La mentalite primitive et la religion' und
A. Causse bietet eine Untersuchung: ,Les tendanccs
universalistes de la secte et la signification de l'hu-
manisme juif. Dem kirchenhistorischen Gebiet gehört
der Aufsatz von J. Pannier an: ,De la Prereforme
ä la Reforme. A propos des deux dernieres publica-
tions de Lefevre d'Etaples (1534). Besonders bedeutsame
Aufsätze werden in Sonderheften herausgegeben
und als Ergänzung erschienen bisher 30
Bände wissenschaftlicher ,£tudes d'histoire et de Philosophie
religieuses publiees par la Faculte de Theologie
protestante de l'Universite de Strasbourg' im gleichen
Verlag (Felix Alcan, Paris), worunter so glänzende
Arbeiten wie die preisgekrönten Untersuchungen von
F. Menegoz ,Le Probleme de la priere' und von
R. Will ,Le culte' (3 Bände) sich befinden.
München. R. F. Merkel.

Nyberg, Prof. H. S.: Studien zum Hoseabuche. Zugleich ein
Beitrag zur Klärung des Problems der Alttestamentlichen Textkritik.
Upsala: A. B. Lundequist 1935. (VIII, 144 S.) gr. 8°. = Uppsala
Universitets Ärsskrift 1935, 6.
Diese ausgezeichneten philologischen Studien von
einem anerkannten Orientalisten sind äußerst anregend
und lehrreich. In der Einleitung werden im Gegensatz
zum landläufigen Brauch folgende Prinzipien der Textkritik
aufgestellt. 1) Die Überlieferung ist überwiegend
mündlich und das bleibt auch nach der Niederschrift
die normale Form. 2) Das schriftliche A. T. ist eine
nachexilische Schöpfung, nur ein kleiner Teil war vor
dem Exil schriftlich fixiert. 3) Ziel und Aufgabe der
Textkritik ist, die älteste schriftliche Überlieferung der
jüdischen Gemeinde wiederzufinden. Literar- und Textkritik
dürfen hierbei nicht verwechselt werden. 4) Ma-
nuscripta ponderantur, non numerantur. 5) Das Alter
einer Handschrift ist für ihren inneren Wert nicht entscheidend
. 6) Die alten Übersetzungen haben eine lange
innere Geschichte durchgemacht. 7) Zwischen Konsonantenüberlieferung
und Vokalüberlieferung ist zu unterscheiden
. 8) Das Hebräische des A.T. ist keine einheitliche
Größe. Daß wir es nur in jerusalemer Überlieferung
haben, darf über die tiefgehenden Differenzen
nicht hinwegtäuschen. Hosea's Sprache war die
altnordhebräische mit ihren Besonderheiten in der Formenlehre
, der Syntax und dem Wortschatz.

Alle diese Prinzipien sind richtig und mit Aus-
i nähme des 1) und in gewisser Hinsicht des 2) allgemein
anerkannt. Aber leider wenden sie nicht allgemein
befolgt, weshalb ihre klare Aufstellung durchaus
mal wieder nötig war. Die starke Betonung des
1) ist wichtig und in der letzten Zeit auch schon von
anderen in den Vordergrund gerückt, in der Textkritik
jedoch bisher fast garnicht beachtet worden. So richtig
2) im Großen und Ganzen ist, darf man doch die
schriftstellerische Leistung vor dem Exil nicht ganz
so gering anschlagen. Vgl. das Bundes buch (Ex.
; 24,7), das Deuteronomium (2. Kg. 22f.); das Buch
der Lieder oder Jaschar (Jos. 10, 13, 2. Sam. 1, 18,
1. Kg. 8,12), das Buch der Kriege Jahwes (Num.
21,14); weiter Jes. 8,16; 30,8, Jer. 36. Zu 8) müssen
wir leider bekennen, daß wir von der Geschichte der
; hebräischen Sprache jedenfalls vorläufig zu wenig wissen
, um damit sicher operieren zu können, so willkommen
das wäre. Nyberg findet selber doch auch nur
wenig, das er als altnordisraelitisch bezeichnen konnte:
den Plural zebahöth (4,19; 8,13), den Inf. constr.
I auf — e statt auf —eh in hakke (6,9; auch Brown-
I Driver-Briggs, Hebrew Lexicon, ad loa fügen „(Ephrae-
i mitic?)" hinzu), den er auch in liste 'enöthäm — „um
I ihre Quellen zu trinken" (10,10) wiederfindet. Dazu
kommt etwa noch die Bedeutung von näsä' = „die
' Sünde anzurechnen" (1,6).

Das Bedeutsamste an Nybergs Arbeit ist, daß er wie-
| der auf die Wichtigkeit eines intensiven Studiums der
, Grammatik und des Wortschatzes der hebräischen
I Sprache in Verbindung mit den verwandten semitischen
| Sprachen hinweist — wobei übrigens das Neuhebräische
nicht fehlen darf — und an anscheinend verderbten
i Stellen den masoretischen Text damit als durchaus
I richtig erweist. Hier findet man manche feine grammatische
und lexikalische Bemerkung. Freilich kom-
| men dabei auch sonderbare Übersetzungen und Er-
! klärungen heraus. Z. B. 10,5 „Bei der Kalbsgemeinde
j von Beth Awen suchen die Bewohner von Samaria
Schutz. Denn in Trauer sind 'A1 und seine Gemeinde
I gefallen — während seine Priester über ihn jauchzen
j — wegen seiner Herrlichkeit, weil sie ihm entschwun-
j den." Nyberg conjiziert hier 'al we'ammö statt 'alaw
| 'ammö. 'AI ist ein heidnischer Gott. Dies ist eine
J der Stellen, die, so sonderbar sie anmuten, für das reli-
i gionsgeschichtliche Verständnis des Hoseabuches mit
am wichtigsten werden können, wenn sie sich wirklich
als haltbar erweisen sollten. Es sind das die Stellen,
I wo Nyberg die Götter 'AI, 'Eljön, Bethel, Melek findet
und kadös auf den Gott 'AI, kedösim auf heid-
j nische Götter, särim auf den göttlichen Hofstaat
l eines Gottes bezieht. Hier mag Richtiges zugrunde lie-
i gen, wie dann auch andere, z. B. O. Eißfeldt (AR,
| 1930, S. 17 f.), in 10,15; 12,5 den Gott Bethel fin-
j den. Vorläufig leuchtet mir aber nur eine Stelle ein,
nämlich 11,7, wenn 'al hier wirklich Gottesname und
nicht doch mit anderen 'eljön oder ba'al zu
lesen ist: „Mein Volk will sich nicht dazu verstehen,
sich zu mir zu bekehren, darum rufen sie an 'AI, der
aber wird sie gar nicht erhöhen" (hu' . . . j?röm?mem).
■ Wenn aber die folgenden Verse 8—9 „die grimmige
Antwort des 'AI auf Israels Hinwendung" enthalten
sollen, so halte ich das für durchaus unwahrscheinlich,
i Da „müßte" Nyberg wirklich schon seinen „ganzen
religionsgeschichtlichen Kommentar" dazu schreiben. Im
Anhang werden noch Ps. 16 und 82 behandelt, wo
! auch 'El, 'AI, 'Eljön und Ksdösim vorkommen.
Merkwürdig ist, daß der ausgezeichnete Textkritiker
Nyberg über GL stolpert, das doch bekanntlich die
lucianischen Handschriften bedeutet. Abschließend sei
aber noch einmal die hohe Bedeutung dieses Werkes hervorgehoben
.

New York. Julius A. Bewer.