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Ausgabe:

1936 Nr. 11

Spalte:

203-204

Autor/Hrsg.:

Eger, Karl

Titel/Untertitel:

Zu Schleiermachers 100. Todestag, 12. Februar 1934 1936

Rezensent:

Wobbermin, Georg

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203

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 11.

204

sein-können überhaupt und im ganzen d. h. was ihm
sein Heil sichert (S. 147). Von dieser im teilweisen Anschluß
an Lactantius (religare!) gegebene Bestimmung
aus hält R. Magie und Religion nicht für unvereinbare
Gegensätze, sondern urteilt, daß Magie völlig in das
Gebiet der Religion hineinfallen kann. Mit dieser Konsequenz
wird meines Erachtens auch jene Bestimmung
als unzureichend erwiesen, so gewiß im übrigen auch
— und gerade! — von ihr gilt, was oben über R.'s
Konstruktionen gesagt wurde. Zur Begründung nach
beiden - Seiten hin muß ich auf mein „Wesen der Religion
" (Kap. IX) verweisen.

Als besonders wertvoll erscheinen mir die Ausführungen
R.'s über Angst und Verzweiflung als weltanschauliche
Grenzsituationen in der Bewegung des Daseins
zum Glauben hin und alle weiteren mit dieser
Gedankenführung zusammenhängenden Abschnitte (S.
127 ff.), weiterhin dann die Darlegungen über die in
der Geschichtlichkeit des menschlichen Daseins gründenden
Schicksale des Gottesglaubens (S. 201 ff.).

Bemerkenswert ist die scharfe Ablehnung'der
dialektischen Theologie. Sie gründet sich auf
das meines Erachtens sachgemäße Urteil, daß diese zeitweise
Modetheologie eine willkürlich-gewaltsame Verkürzung
der theologischen Aufgabe bedeutet. Nicht erkannt
ist seltsamer Weise die Bedeutung Schleiermachers
für den ganzen Fragenkomplex.
Und doch weisen wichtigste Einsichten R.'s — wie die
über den „unvermeidlichen Zirkel" der phänomenologischen
Konstruktion (S. 98 f.) und die über das Verhältnis
von Schriftverheißung und Glaubenserfahrung
bei Luther (S. 233 f.) durchaus und geradlinig auf die
Linie Luther-Schleiermacher im Sinne der grundsätzlichen
Wechselbeziehung von Glaubensäkt (fides qua
creditur) und Glaubensgegeilstand (fides quae creditur).
Berlin. G. Wobbermin.

Eger, Karl: Schleiermacher als vaterländischer Prediger.

Rede gehalten im Dom am 11. 2. 34. (Zu Schleiermachers 100. Todestag
12. 2. 34.)

Heinzelmann, Gerhard: Schleiermachers Lehre von der
Kirche. Gedächtnisvorlesung geh. 12.2.34 i. d. Aula. Halle: M.
Niemeyer 1934. (39 S.) 8°. = Hallische Universitätsreden 61. RM 1.40.
Die kleine Schrift stellt die Reden zusammen, die
zum Gedächtnis des 100. Todestages Schleiermachers
Eger am 11. Februar 1934 im Dom zu Halle, Heinzelmann
am 12. Februar in der dortigen Universitäts-
Aula gehalten haben. Zwei kurze, aber gediegene und
lehrreiche, deshalb beachtenswerte Schleiermacher-
Studien.

Eger beschränkt sich für sein Thema auf die vaterländischen
Predigten, die Schi, in Halle selbst im Jahre
1806 gehalten hat. Es sind zunächst die Predigten aus
dem akademischen Gottesdienst vor der Schlacht bei
Jena, dann 3 Predigten aus der Zeit nach der Auflösung
der Hallischen Universität durch Napoleon — einschließlich
der berühmten Neujahrspredigt 1807.

Die Beziehung auf die Gegenwart wird durch Aufweis
der teilweisen Gleichheit und teilweisen Verschiedenheit
der geschichtlichen Situationen sehr eindrucksvoll
herausgestellt.

Heinzelmann setzt nicht weniger eindrucksvoll bei
dem Bericht ein, den uns Schl.'s Witwe über seine letzten
Tage und Stunden hinterlassen hat. Was er darüber
sagt, bestätigt von neuem, wie unberechtigt der gelegentlich
und auch neuerdings wieder (durch Karl
Barth) erfolgte gehässige Mißbrauch dieses Berichts ist.

Für Schl.'s Lehre von der Kirche gelangt Heinzelmann
zur Anerkennung von drei bleibend wertvollen
Gedankenreihen: 1. Der Glaube an Christus die verbindende
Lebensmacht aller Mitglieder der Kirche. 2. Für
die evangelische Kirche ist jeweilig die Auseinandersetzung
mit den geistigen Mächten der Zeit unerläßliches
Erfordernis. 3. Ebenso ist für sie wirkliche Volksverbundenheit
unerläßlich.

Trotz dieser sachgemäßen dreifachen Einsicht gelangt
aber H. nicht zum Aufweis der theologischen
Linie Luther-Schleiermacher als des für die heutige

| theologische und kirchliche Lage gewiesenen Ansatzes.
Und doch nötigt schon die ungebrochene und folgerichtige
Geltendmachung jener dreifachen Einsicht zu

j dieser Position. Gewiß darf man Schi, nicht an dem
deutschen Reformator „messen". Aber das schließt nicht
aus, daß die für unsere heutige Situation wichtigste Ar-

| beitslinie von Luther über Schi, und nicht
etwa an Schi, vorbei führt.
Berlin. G. Wobbermin.

Schflmer, Wilhelm: Tod und Leben bei Dostojewski. Ein

Beitrag zur Kenntnis des russischen Christentums. Calw: Brficke-
l Verlag. (96 S.). RM 4.20.

Schümer sucht das Unheimliche in Dostojewskis Gedankenwelt
zu verstehen, indem er als sein Grunderlebnis
die Zweideutigkeit alles Seienden setzt: Einmal das
furchtbare Bewußtsein, ausgeliefert zu sein an das
Nichts, und dann wieder die vertrauensvolle Hingabe
an die göttliche Liebe. Der Mensch „als einzelner" kann
Gott nicht ertragen, aber „der gnädige Gott begegnet
ihm in der Liebe des Mitmenschen und der Schönheit
der ihn umgebenden Natur, das heißt aber in der
mystisch-kosmischen Gemeinschaft der Kirche". Die russische
Kirche habe das im Westen verratene Erbe der
Urkirche bewahrt, nämlich die allbrüderliche christliche
Gemeinschaft. Deshalb sei die Menschheit einzig und
allein durch diese Kirche zu retten. Und so spricht
denn auch Schümer als Ertrag seiner Arbeit den Wunsch
aus, „daß sich die protestantische Kirche von Dostojewski
nach dem evangelischen Charakter ihrer eigenen
Verkündigung fragen läßt."

Stettin. Hugo Stelter.

Piper, Otto: Kirche und Politik. Kirchliche Gegenwartsfragen
l.jHeft. Calw: Brücke-Verlag 1933. (88 S.) geb. RM 2-.

Es ist gut, wenn Fragen wie „Staat und Kirche"
immer wieder in zeitgemäßer Weise einer prinzipiellen
Untersuchung unterzogen werden. Aber unsere Zeit
ist darin schnellebig, und die Fragestellung muß beinahe
von Tag zu Tag eine andere werden. Dauernder Frontenwechsel
ist vonnöten. Nun sind wir jetzt endlich
soweit zu wissen, daß „Kirche und Politik" keine Gegensätze
sind. Der Christ soll und muß auf Grund des N. T.
zu Staat und Volkstum Stellung nehmen. Aber wie
der Staat mit Recht fordert, daß man das Große der
Bewegung sehen und nicht über Kleinigkeiten schimpfen
soll, so muß man dementsprechend das gleiche
Recht auch der Kirche zugestehen. Viele Leute wissen
nur deshalb nichts vom Wesen und den Leistungen
der Kirche, weil sie sich nie darum gekümmert haben.

Piper will die Aufgabe nicht von der Politik, sondern
von der Kirche her in Angriff nehmen. Er geht
dabei aber nicht von theologischen Spekulationen aus
oder von einzelnen Bibelworten, sondern Von den biblischen
Urgestalten, die er mit der Gestalt Christi in
Beziehung setzt. So gewinnt er die Lösung vom Gesamtgehalt
der heiligen Schrift her: Das Heimatverlangen
des deutschen Menschen kann in der evangelischen
Kirche sehr wohl gestillt werden. Der Kampf
wird immer bleiben. Aber er wird nur dann seinen
Sinn haben, wenn er nicht wie bisher mit undeutschen
Methoden, sondern mit echtdeutscher Ritterlichkeit und
Wahrhaftigkeit geführt wird.
Stettin. Hugo Stelter.

Kierkegaard, Sören: Das Evangelium der Leiden. Christliche
Reden. Übers. V. W. Kütemeyer. Calw: Brücke-Verlag 1933.
(124 S.) kl. 8°. RM 2—.

Kierkegaard ist neuerdings wieder in Aufnahme gekommen
. Nicht bloß die Theologen haben sich, angeregt
durch die dialektische Theologie, wieder mit ihm
beschäftigt, sondern auch die Philosophen haben ihn
neu entdeckt. Darum ist es Wilhelm Kütemeyer als
Verdienst anzurechnen, daß er diese 3 Reden übersetzt