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Ausgabe:

1936 Nr. 11

Spalte:

195-196

Autor/Hrsg.:

Bornkamm, Günther

Titel/Untertitel:

Gesetz und Schöpfung im Neuen Testament 1936

Rezensent:

Bertram, Georg

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Seite 1

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195

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 11.

196

Noell, Ludwig: Die Prophetle des Alten Testamentes. Düsseldorf
: Verlag A. Bagel A. O. 1935. (145 S.). Geb. RM 3—.
Ein Buch, das, ohne auf den gegenwärtigen Streit
um das A. T. besonders Bezug zu nehmen, sehr zur
rechten Zeit kommt. Gewiß gibt es vielerlei Schriften
zur Prophetie des A. T., aber die vorliegende hat
doch ihr besonderes Recht. Sie ist verfaßt von einem
Schulmann, der als langjähriger Religionslehrer an
Volksschulen, Lehrerseminar, als Provinzialschulrat und
Leiter von Kursen zur Vorbereitung auf die Mittelschullehrerprüfung
über ein reiches Maß unterrichtlicher
Erfahrung verfügt und dabei mit gutem theologischen
Wissen die einschlägige Literatur beherrscht, sodaß man
sich seiner Führung getrost anvertrauen kann. Im ersten
Teil wird der allgemeine Charakter der Prophetie behandelt
und im zweiten Teil die einzelnen Propheten,
soweit sie für den Unterricht von Bedeutung sind.
Die geschichtlichen Hintergründe treten deutlich hervor.
Mit feinem psychologischem Verständnis werden die
einzelnen Propheten geschildert, ohne daß doch alles
psychologisch erklärt wird, es bleibt durchaus Platz
für das Geheimnis, das hinter der Prophetie steht;
psychologisch besonders fein die Darstellung der Geschichte
Bileams. In besonnener Weise wird man an
die Probleme herangeführt und werden diese besprochen.
Richtig wird betont, daß die Propheten nicht gegen
jeden Kultus, sondern nur gegen einseitige Überschätzung
polemisieren. Die Propheten, das ist auch ein Vorzug,
kommen reichlich selbst zu Worte und zwar, was berechtigt
scheint, in der Mengeschen Übersetzung.

An Einzelheiten sei Folgendes angemerkt. So gewiß bei Elias dem
Verf. zuzustimmen ist, wenn er die Behauptung zurückweist, E. sei zum
Horeb gegangen, um dem dort wohnenden Jahwe über die Erfolglosigkeit
der Bemühungen um den Jahwedienst zu berichten, worauf J. in
furchtbarem Zorn mit Unwettern antwortet, so erscheint doch zweifelhaft
, ob es richtig ist, aus der Geschichte mit den Baalspriestern zu
schließen, daß dem E. schon der ethische Monotheismus der großen
Propheten eigen gewesen sei. Der tritt klar doch erst bei Arnos hervor
, dessen besondere Bedeutung etwas mehr hätte betont werden können
. Die gewichtigen Bedenken gegen die Echtheit von Arnos 9, 11 —15
werden zurückgewiesen, aber nicht widerlegt, bei Hosea hätte der am
Schluß des Abschnitts gebrachte Gedanke von der Wendung der Religion
zum einzelnen ebenfalls noch stärker betont werden können, wie
das etwa bei Cornill geschieht. Nicht ganz glücklich erscheint die Erklärung
des „Empfangens" der prophetischen Botschaft durch das, was
Paulus meint, wenn er davon redet, daß er seine Verkündigung „empfangen
" hat, das paßt zu Gal. 1,12, aber nicht zu 1. Cor. 11, 23 und 15, 3,
wo doch an menschliche Vermittlung der Botschaft zu denken ist. Sehr
fein die Bemerkung zu Mich. 6, 8, daß hier das Recht des Arnos, die
Liebe des Hosea und die Ehrfurcht des Jesaja zusammenklingen. Beim
Deuteronomium wird gesagt, daß die Anschauung de Wettes darüber
von keiner Wissenschaft seitdem erschüttert ist. Bei diesem Buch ist
wohl richtig gesehen, daß in ihm Priestertum und Prophetentum einen
Bund geschlossen haben. Besonders gelungen erscheint die Schilderung
von Jeremia und seiner Zeit.

Halle a. S. Wilhelm Usener.

Bornkamm, Günther: Gesetz und Schöpfung im Neuen Testament
. Tübingen: J. C. B. Mohr 1934. (28 S.) 8°. = Sammig. ge-
meinverständl. Vorträge u. Schriften a. d. Gebiet d. Theologie und
Religionsgesch. 175. RM 1.50; in Subskr. 1.20.

Das Gesetz fordert die ungeteilte Unterwerfung des
Menschen unter den Willen Gottes. Auch als Volks-
nomos hat es der Mensch nicht als Glied eines Volkes
natürlicherweise zur Verfügung, er ist vielmehr auf seine
Offenbarung durch Gott angewiesen. Es ist bezeugt
durch die Schöpfung, mit der es besteht und vergeht.
So verkündet auch die Schöpfung den Willen Gottes.
Sie weist den Menschen auf das Vertrauen zu Gott als
dem liebenden Vater. Gott hat die Ordnung der Vergänglichkeit
und das Gesetz des Todes durch Tod und Aufer-
weckung Christi gewendet: So ist in dem Evangelium
von Jesus Christus das Geheimnis von Gesetz und
Schöpfung enthalten. Wir sind durch das Heilsgeschehen
hineingewiesen in die Schöpfung Gottes und in die
Ordnungen der Welt. So ist keine Loslösung der Schöpfung
und natürlichen Ordnung von dem Geschehen in
Christus mehr möglich, deshalb auch kein Schwärmer-

I tum, das die Ordnungen der Welt zerstören möchte,
I und auch keine Gleichgültigkeit gegenüber den hier
gestellten Aufgaben; gefordert ist vielmehr von dem
Glaubenden die Bewährung in dem Stand, in dem er
berufen ist.

Damit vertritt Verf. ein praktisches Christentum, das
er gegenüber allen Mißverständnissen vom Menschen
] her, gegenüber aller Selbstgerechtigkeit und Selbstsicher-
! heit rein und lauter darzustellen sucht. Aber natürlich
I — darin sind wir uns mit dem Verf.. einig — werden die
hier auftauchenden Gefahren nicht durch vorsichtige und
i kluge Abgrenzungen, sondern durch die Sicherheit des
1 gottgegebenen Glaubens überwunden. Diese Gewißheit
bringt der Verf. zum Ausdruck, wenn er abschließend
I sagt: „Das Bekenntnis des ersten Artikels ist das Be-
! kenntnis dazu, daß Gott an der Schöpfung das erfüllen
i wird, was wir im zweiten und dritten Artikel bekennen."
Gießen. Georg Bertram.

Taylor, Vincent, Ph. D., D. D.: The Formation of the Gospel

Tradition. Eight Lectures. London: Macmillan & Co. 1933. (VIII,
214 S.) 8°. Geb. 7 sh. 6 d.

Der Verfasser vorliegender Vorlesungen, die 1932
an der Universität Leeds gehalten wurden, ist der
Forschung bekannt geworden durch seine in Stree-
ters Bahnen gehende Untersuchung über die älteste,
von Markus-Texten freie Form des Lukasevangeliums
(Behind the Third Gospel, 1926; vgl. dazu M. Dibelius
in dieser Zeitung 1927, 146—48). In dem vorliegenden
! Buch, das durch die Schuld des Referenten erst jetzt
i zur Besprechung kommt, macht er sich zur Aufgabe, die
I Resultate der formgeschichtlichen Arbeit an den Evan-
| gelien englischen Lesern nahezubringen und zu prüfen
und auf diese Weise zugleich zu zeigen, daß diese Resultate
die „Protolukas"-Hypothese nicht unmöglich
1 machen, sondern stützen (ein Anhang bekämpft die
I gegen Taylors früheres Buch lautgewordene Kritik).
I Taylor setzt sich zu diesem Zweck hauptsächlich mit
Bultmanns „Geschichte der synoptischen Tradition",
j 2. Aufl., auseinander, benutzt aber auch die gesamte
sonstige Literatur (die 2. Auflage von Dibelius' Form-
j geschichte stand ihm noch nicht zur Verfügung).

Einer Übersicht über die Geschichte der Forschung,
: die vor der Vermischung von formgeschichtlicher Ana-
I lyse und geschichtlicher Skepsis warnt, läßt T. zunächst
1 eine Darstellung des Wesens der formalen Untersuchung
der evangelischen Tradition folgen. Er glie-
i dert, im Anschluß an Bultmann, die Überlieferung in
„Pronouncement-Stories" (so nennt er die kurzen Be-
' richte, die Dibelius „Paradigmen", Bultmann „Apo-
: phthegmata" nennt), Wundergeschichten, Worte Jesu, Geschichten
über Jesus, und er anerkennt, daß die älteste
I Form der Tradition in der Tat aus losen Einzelgeschichten
bestand. Doch betont er gegenüber historischer
Skepsis die stetige Anwesenheit von Augenzeugen. Ein
weiteres Kapitel behandelt die Leidensgeschichte, die nach
j T. von vornherein in mehreren Formen umlief (Form
j des Mk., des Protolukas und des Job.). Die Aufer-
| stehungsgeschichten waren dagegen ursprünglich Einzelberichte
. Es folgt die Besprechung der „Pronounce-
I ment-Stories" (zu denen z. B. auch Mk. 4,10—12 ge-
! rechnet wird!), in deren Mittelpunkt ein Wort Jesu
steht. Mit Recht weist T. darauf hin, daß diese Er-
I Zählungen sich auch dadurch als alt ausweisen, daß
j sie fast ausschließlich sich in den ältesten Quellen finden
. Die nun folgende Untersuchung der Worte und
i Gleichnisse Jesu zeigt, daß neben Einzelworten auch
Spruchgruppen auf Jesus zurückgehen. Auch hier wird
gegenüber Bultmann die Zuverlässigkeit der Überlieferung
betont, doch auch auf die gefährlichen Mo-
' mente der mündlichen Weitergabe verwiesen. Mit Bultmann
werden dann auch alle Erzählungen, die ein
Wunder enthalten, mit wenigen Ausnahmen unter dem
I Titel „Wundergeschichten" zusammengefaßt. Die Ana-
; lyse der Geschichten zeigt dann freilich doch, daß hier