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Ausgabe:

1936 Nr. 10

Spalte:

192

Autor/Hrsg.:

Zoellner, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der erste Petrusbrief 1936

Rezensent:

Michel, Otto

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 10.

192

19. Jahrhundert, er greift sogar hier und da aufs zwan- des Herausgebers sprechen von dem Sinn und der Auf-
zigste über. Die in diesem Zeitraum sehr kräftige Ent- i gäbe des Buchs. Wer aber glaubt, daß die Andachten

wicklung kommt natürlich immer wieder zur Geltung,
aber sie findet nicht die sehr zu wünschende, klare, in
großer Linie laufende Darstellung; ihre inneren Motive
treten nicht scharf genug heraus. Das hat seine Ursache
vor allem darin, daß Verf. seinen Stoff nicht sachgemäß
zu begrenzen weiß; bei einem so ungeheuer weiten
Thema, wie dieses, mußte er sich streng auf das Notwendigste
beschränken; Ausführungen über katholische
und evangelische Beichte, Gebetsverhöre, Versagen des
Hausstandes, Evangelische Jünglingsvereine, ja auch
über Kirchliche Sittlich'keitspflege und noch viele andere
Gegenstände konnten und mußten fortbleiben. Mit der
Herausstellung der hier in Frage kommenden Haltung
der Kirche (W. spricht vielfach von „den Geistlichen
") hat Verf. sich viel Mühe gegeben; er benutzt
als Quelle weitgehend die Kirchenzeitungen und ähnliche

irgendwie kirchenpolitisches Gepräge tragen, wird auf
das angenehmste enttäuscht. Nur gelegentlich und ganz
selten klingt einmal der innere Kirchemkampf an. Sie
sind auf der einen Seite ganz wirklichkeitsnahe und
sprechen von den Gefahren, die der Kirche Christi
drohen, lassen dabei aber ohne alle Engherzigkeit das
alte Evangelium in hellem Glanz leuchten. So kann
das Buch jedem ernsten Christenhaus empfohlen werden
, es hat dauernden Wert und behält seine Bedeutung
auch über die Gegenwart und ihren Kampf hinaus
. Die Andachten dienen dazu, fortlaufend in die
Schrift einzuführen, so werden Stellen aus Jesaja, Jer.,
Joh., Acta, 1. Cor., Gal., 1. Petr. behandelt. Manche
Andachten sind allerdings etwas lang. Ihre bei aller
Tiefe Gemeinverständlichkeit auch bei schwierigen Texten
wie Jerem., Gal. lassen sie für die Hausandacht

kirchliche Blätter. Dieser Fleiß ist rühmlich; und man- j besonders geeignet erscheinen,
ches Zitat, das er aus weit zurückliegenden Jahrgän- ; Halle a. S. Wilh. Usener.

gen (mit viel zu viel Platzverschwendung) abdruckt,

ist für sich interessant; aber ob die Methode im Zoellneri Generalsuperintendent i. R. D. Wilhelm: Der erste
Ganzen richtig ist, ist sehr fraglich. Das Ergebnis Petrusbrief für die Gemeinde ausgelegt. Potsdam: Stiftungsverlag
ist doch im Großen dasselbe, das bereits längst be- [1935]. (100 s.) gr. 8". Kart. RM 1.8O.
kannt ist, wenn schon es vielleicht manchmal etwas j Eine gemeindegemäße Schriftauslegung will auf
einseitig formuliert worden ist; die Zeitschriften konn- i Grund sorgfältiger theologischer Vorarbeit den bib-
ten einfach gar nicht so umfassend und allseitig be- lischei, Text verstehen, nachbuchstabieren und in die
nutzt werden, daß die bekannten Grundlinien durch Gegenwart hineinstellen; sie muß aus der zwingenden
Herausstellung der doch sehr wichtigen Verschieden- ; Gewalt des Wortes Gottes herausgeboren sein. Die
heiten zwischen den kirchlichen Gruppen und Rieh- reformierte Kirche hat uns manche fruchtbare Bildtungen
ins Einzelne hinein beleuchtet worden waren; m f erklärung geschenkt; ich denke an D. Humbürg
diesen Abschnitten ist der Stoff starker gewesen als j und Lic §e Quervain. Aber auch die lutherische
der Verfasser. Endlich bleiben Kirchenzeitungen wenn . Kircne darf nicht zurückstehen, wenn sie den Dienst
es auf Herausstellung der allgemeinen, entscheidenden 1 am Worte recht verstehen will. D. Zoellner will
Linien geht, immer mit Vorbehalt zu benutzende Quel- j uns in die Gedanken des 1. Petrusbriefes einführen;
len. Was von den die Stellung der Kirche betreffenden ■ seine (etwa 100 S. umfassenden) Ausführungen sind
Teilen gilt, mochte ich nicht einfach ebenso auf die , im Laufe einer Reihe von jahren fortlaufend gesclnic-
Abschnitte, die von der Lehrerschaft handeln, anwenden; < ben (s Vorwort). Man merkt es ihnen auch an, daß
aber manche der genannten methodischen Mangel be- sie nicht aus einer bestimmten Situation heraus entgegnen
auch hier. Dabei soll ausdrücklich anerkannt , standen sind oder zu einer besonderen Situation ge-
werden, daß auch in diesem Teil Verf. aus Lehrerzei- ; sprochen werden. Wir haben eine solide und nüch-
tungen und ähnlichem Material (das aber natürlich terne Textbesprechung vor uns, wohltuend durch das
wieder nicht entfernt vollständig benutzt werden konnte) , gänzliche Fehlen beliebter theologischer Schlagwortc
manches herzugetragen hat, was die Dinge in bemer- , und durch das Freisein von jeder Polemik gegen Bücher
kenswerter Weise beleuchtet. In welchem Grad Verf., und Meinungen. Allerdings fällt die ausführliche Darwenn
er wirklich wissenschaftliche Methoden anwen- j stellung und das theologische Verständnis der „Beden
wollte, hätte schärfere Selbstbeschrankung üben : kehrung" auf (S. 68-75); hier liegt offenbar eine
müssen, zeigen z. B ganz charakteristisch die Satze | sachliche Notwendigkeit vor, sich mit einem pietistischen
über die lutherische Privatbeichte S. 32; dort stellt ; Verständnis dieses biblischen Begriffes auseinanderzu-
er sehr unbefangen Vermutungen über Luthers und ; setzen kh würde auch njcht ohne wejteres jeden
Melanchthons Stellung zur Privatbeichte auf, als ob j SaTZ z >s unterschreiben; mißverständlich ist der Satz
es darüber nicht längst gründliche und sehr gediegene „Bekehrung ist der neue Anfang, mehr nicht" (S. 73).
Quellenforschungen gäbe! Die beigegebenen sehr aus- < Die Antithese gegen jede unbiblische Auffassung von
führlichen bibliographischen Nachweisungen, die doch Bekehrung ist berechtigt; wir müssen aber auch den
nicht irgend vollständig sein können, auch wieder nur | Anschein vermeiden, als sei Gottes Handeln an uns nicht
Aufführung von benutzten Werken sein wollen, leiden, | eine Einheit Was Gott tut, das tut er ganz
obwohl nicht nur der Fleiß anzuerkennen ist, sondern j Aber Z. weiß etwas von dem Enthusiasmus, der auch
die Aufzählung auch sonst manchen Wert hat, doch ! und gerade jn frommen Kreisen verbreitet ist; und die-
an allerhand Mangeln. Was sollen in diesem Zusam- ; ser Enthusiasmus ist nicht weniger ernst zu nehmen
menhang Aufzählungen von Gemeinde- und Kreissyno- | ajs jeder andere '
dalblättern, von Gustav-Adolf-Boten u. ä. Sachen? — Gemeindegemäße Schriftauslegung ist nicht an ein
Mehrere Abschnitte des Buchs und das Literaturverzeich- bestimmtes Schema oder an gesetzliche Norm gebunden:
nis sind auch als Dissertation ausgegeben. I unsere Kirche würde arm sein, wenn dem ' so wäre.
Breslau-Sibyllenort. M. Schian. j Wir brauchen gerade in unserer besonders kämpfenden

Zeit noch eine andere Art, dem Menschen die Botschaft

Herntrich, Volkmar: Ihr sollt meine Zeugen sein. Andachts- der Bibel zu sagen. Vorbildlich ist aber die an Schrift
buch der Bekennenden Kirche. Gütersloh: C. Bertelsmann 1935. und Bekenntnis gebundene Ausführung des gegebenen
(528 S.) 8°. RM 6 — ; geb. 7.50. Themas; allerdings bewegt mich doch die Frage, ob der

Es sind größtenteils bekannte Namen von Kirchen- Reichtum des 1. Petrusbriefes nicht manchmal zu kurz

führern, akademischen Lehrern und Pfarrern der Be- ; kommt (z. B. 2,9: „Die Tugenden Gottes"). Angenehm

kenntnisfront, die die Andachten geschrieben haben. ; sind die thematischen Randbemerkungen.

Das Geleitwort von Präses D. Koch und das Vorwort I Halle a. s. o. Michel.

Mit einer Prospektbeilage des Verlags Alfred Topelmann, Berlin W 35.
Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 23. Mai 1936. — Hett 1 des „Bibliographischen Beiblattes- kann infolge der durch die
Umstellung (s. ThLZ 1936 Nr. 7) verursachten Mehrarbeit leider erst mit ThLZ Nr. 12 ausgehen.

Verantwortlich: Prof. D. W. Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14.
Verlag der J. C. Hi n ri c Ii s'schen Buchhandlung in Leipzig C 1, Sclierlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.