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Ausgabe:

1936 Nr. 10

Spalte:

185-186

Autor/Hrsg.:

Gloria, Elisabeth

Titel/Untertitel:

Der Pietismus als Förderer der Volksbildung und sein Einfluß auf die preußische Volksschule 1936

Rezensent:

Schlemmer, Hans

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Seite 1

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185

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 10.

186

— Das Vatikanische Konzil. Seine Geschichte von innen geschildert
in Bischof Ullathornes Briefen. Übersetzt u. erweitert von Hugo
Lang. 2. Auflage. München: J. Kösel u. F. Pustet 1933. (467 S.)
gr. 8°. Geb. RM 12—.

B.'s Geschichte des Vatikanischen Konzils versucht
an Hand von neu erschlossenen Quellen die Forschung
über den alten Gegensatz Friedrich—Granderath
hinwegzuführen. In der Tat stehen ihm neben der
alten Collectio Lacencis die neue vollständige Ausgabe
der Konzilsakten bei Mansi, mehrere Memoiren-Werke
und vor allem die vielen Briefe eines selbständigen, keiner
Partei angehörenden und doch charaktervollen Konzilsteilnehmers
wie Ullathornes über seine Vorgänger
hinaus zur Verfügung. Die hier, wenn auch in einer
Gesamtkonzilsgeschichte, vermittelte Kenntnis der Briefe
Ullathornes muß besonders hervorgehoben werden. Daß
auch die Literatur sorgfältig beachtet ist, ist bei einem
Manne wie B. selbstverständlich.

Sein Werk beginnt natürlich mit der Schilderung
der Vorgeschichte des Konzils. Die Frage nach der weltlichen
Gewalt des Papstes, der Gallikaiiismus, der
Ultramontanisinus und der Neu-Ultramontanhmus werden
hier behandelt. Trotz theologischer Klarheit liegt
in diesem Teil ein schwacher Punkt des Buches. Der
neue Aufstieg des kurialen Gedankens, der neue große
Einfluß des Papsttums nach der Schwächeperiode der
Aufklärung wird weder in seinem Ursprung noch in
seiner Entwicklung wirklich verständlich. Wenn, um
nur Einiges zu nennen, Dinge wie das Napoleonische
Konkordat oder die Dogmatisierung der Immaculata Con-
ceptio garnicht erwähnt werden, so ist dieser Mangel
auch nicht verwunderlich.

Das Schwergewicht des Buches liegt denn auch zweifellos
in der Schilderung des Konzilisverlaufs mit seinen
Nöten und Spannungen, mit seiner Vielgeschäftigkeit
hinter der Szene, die sich bis zu Intrigen steigern konnte,
aber auch mit seiner ernsthaften theologischen Arbeit,
die all das andere begleitete. Ganz deutlich wird, daß
nur wenige Konzilsteilnehmer aus theologischen Gründen
die Lehre von der Infallibilität des Papstes ablehnten
, daß vielmehr die meisten Opponenten die Dogmatisierung
nur für inopportun hielten, jeweils auch noch
aus verschiedenen Gründen heraus. Von daher kann
die spätere Anerkennung der Lehre seitens der Opposition
nicht überraschen.

B. schließt mit kurzen Bemerkungen zu den vielerörterten
Fragen nach der Ökumenizität des Konzils, seiner
Freiheit, der Interpretation der Dekrete und einer Würdigung
. Daß er das Konzil und die Dogmatisierung
der Papstlehre bejaht, ist selbstverständlich. Aber er
steht weder dem Verhalten des Papstes, noch dem der
Mehrheit, noch dem der Minderheit kritiklos gegenüber
. Man wird das ruhig urteilende Werk B.s also wohl
als die Geschichte des Konzils ansehen müssen, die
die katholische Stellungnahme am klarsten und objektivsten
widerspiegelt. — In der Darstellung treten englische
Gesichtspunkte naturgemäß verhältnismäßig stark
in den Vordergrund; um so eindrucksvoller ist es, daß
auch bei dieser Sachlage die große Bedeutung des deutschen
Katholizismus deutlich sichtbar wird.

Angesichts der Vorzüge von B.s Buch ist es erfreulich
, daß Hugo Lang O. S. B. eine deutsche Übersetzung
veranstaltet hat, die schon in zweiter Auflage
vorliegt. Sie gibt den vollständigen Text der Vorlage
wieder, erweitert um einige Anmerkungen und Auszüge
aus dem Konzilstagebuch des Abtes Utto Lang
von Metten. Sämtliche Zusätze des Übersetzers sind
sorgfältig gekennzeichnet. Die Übersetzung läßt die englische
Diktion gelegentlich durchschimmern. Das wird
kaum als Mangel empfunden werden, da so der Stil
B.s erhalten bleibt.
Kiel. Kurt Dietrich Schmidt.

Gloria, Dr. Elisabeth: Der Pietismus als Förderer der Volksbildung
u. sein Einfluß auf die preuß. Volksschule. Osterwieck,

Harz: A. W. Zickfeldt 1933. (IV, 94 S.) 8°. = Hallische pädagogische
Studien, hrsg. v. Paul Menzer, H. 18. RM 2.50.

Der Gegenstand der Arbeit bringt es mit sich, daß
in ihr theologische und pädagogische Betrachtungen
vereinigt sind. Die theologischen sind leider völlig
1 unzulänglich. Die Vf. stellt eine Fülle heterogener
Zitate über den Pietismus zusammen, aber ein eignes,
begründetes Urteil besitzt sie nicht; wer es fertig bringt,
den Pietismus als „die ideale christliche Weltanschauung
", Zinzendorf als „Separatisten" und Hengstenbergs
„Bestrebungen" als „kirchlich-pietistisch" zu
! bezeichnen, zeigt damit an, daß er der wissenschaftlichen
Kirchengeschichte fremd gegenüberstellt. Etwas besser
sind die pädagogischen 'Partien; besonders der Nach-
I weis der Abhängigkeit Felbigers vom Pietismus ist
! verdienstlich. Aber der sichere Maßstab fehlt auch
, hier meist, sodaß die pietistische Pädagogik gegenüber
I der reformatorischen ungebührlich bevorzugt wird. Auch
| neigt die Vf. dazu, pietistisch mit „kirchlich" gleichzu-
: setzen, was pädagogisch ebenso falsch ist wie theo-
: logisch; das eigentliche Hauptproblem, wie sich der
| realistische Einschlag der pietistischen Pädagogik aus
; ihrem Wesen erklärt, wird kaum gesehen,geschweige
denn gelöst. Manche für den Gegenstand unentbehrliche
, schon längst vorhandene Spezialuntersuchungen
hat die Vf. übersehen, so Brunnengräber Rudolph
von Beckendorff" (Düsseldorf 1929) und Quittschau
„Das religiöse Bildungsideal im Vormärz"
(Gotha 1931).
Berlin-Lichterfelde. Hans Schlemmer.

Lämmerzahl, Dr. Elfriede: Der Sündenfall in der Philosophie
des deutschen Idealismus. Berlin: Junker & Dünnhaupt 1934.
(122 S.) gr. 8°. = Neue deutsche Forschungen, Abt. Philosophie,
Bd. 3. RM 4.60.

Die Verf. liefert mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur
Lösung der immer wieder aufbrechenden Problematik
des Verhältnisses von Christentum und deutschem Idealismus
. Sie wendet sich besonders gegen i lelmut Groos,
der in seinem Buch „Der deutsche Idealismus und das
Christentum" (1927) einen scharfen Trennungsstrich
zwischen der Philosophie des Idealismus und dem Christentum
zieht. Sie sucht im Gegensatz dazu an Hand
des zentralen Sachverhalts des Sündenfalls und der
Sünde zu zeigen, daß auch die Haltung des Idealismus
i christlich sei. Das Thema ist interessant und hochbedeutsam
. Ich stimme auch der Grundthese der Verf.
durchaus zu und halte nach der negativen Arbeit der
dialektischen Theologie Arbeiten dieser Art für wichtig
und fruchtbar. Aber die Art, wie die Verf. ihre Aufgabe
zu lösen versucht, befriedigt nicht. Schon die Stoffgliederung
ist auffallend. Fast die Hälfte des zurVer-
I fügung stehenden Raumes nimmt die Analyse des Sündenbegriffs
bei Kant ein, während in dem Rest der
Sündenbegriff bei Fichte, Schiller, Sendling, Hegel und
Schleiermacher untersucht wird. Knapp 5 Seiten sind
Schleiermacher vorbehalten. Es liegt auf der Hand,
. daß dieser Raum nur zur — oft lückenhaften — Skiz-
i zierung des allernotwendigsten ausreicht. Auffallend ist
außerdem, daß die Abhandlung „Muthinaßlicher Anfang
der Menschengeschichte" (1786) Kants sehr ausführlich
untersucht wird, während Kants gerade für
! die Erfassung der Sündenbegriffs grundlegende Schrift
[ „Religion i. d. Grenzen der bloßen Vernunft" nur
anhangsweise erwähnt, aber nicht im Entferntesten für
das Problem ausgeschöpft wird. Ähnlich ergeht es —
um nur einiges zu nennen — der „Philosophie, der
Mythologie und Offenbarung" Sendlings.

Am meisten aber wird die Arbeit dadurch benachteiligt
, daß die Verf. auch nicht den Versuch macht,
systematisch zu formulieren, wie sie den eigentlich
christlichen Begriff Sünde auslegt. Erst dadurch wäre
ein fester Maßstab zur Beurteilung des idealistischen
Sündenbegriffs gewonnen. Die kurze Zusammenfassung
am Schluß der Arbeit genügt nicht. Außerdem werden