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Ausgabe: | 1935 Nr. 10 |
Spalte: | 177-178 |
Autor/Hrsg.: | Rigaux, Béda |
Titel/Untertitel: | L' Antéchrist et l'Opposition au Royaume messianique dans l'Ancien et le Nouveau Testament 1935 |
Rezensent: | Gall, Alfred |
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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 10.
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mit ihm alle mittelalterlichen Sekten und Spiritualisten.
Die Anschauung aber von den Zeugen der Wahrheit, die
genuin protestantisch ist, und in der sich Luthers Bewußtsein
von seinem Zusammenhang mit der Mystik
ausspricht, hat charakteristischerweise der Humanismus
nicht. Lazarus Spengler hatte beides: Er sah die Kirchengeschichte
als die Geschichte eines großen Verfalls.
Aber er wußte auch von den Zeugen der Wahrheit, vornehmlich
den Mystikern, die die heilige Fackel einsam
und unerkannt weitergegeben haben, bis sie in die Hände
Luthers kam. Weil Spengler diese beiden Seiten der protestantischen
Geschichtsanschauung hat, darum ist auch
der Humanismus nur ein Ferment in seiner schließlich
doch kirchlich-lutherischen Haltung gewesen. Ich habe
über diese Fragen in meinem Buch über Gottfried Arnold
gehandelt, dessen Titel besser: Die protestantische
Geschichtsanschauung gelautet hätte; ich freue
mich, auch in dieser Darstellung von Spengler die Bedeutung
der Geschichtsanschauung auch für die Erfassung
seiner Frömmigkeit im Zusammenhang mit der
Frage: Luthertum und Humanismus erkennen zu können.
Das Buch Schuberts ist nicht vollendet. Es reicht
etwa bis 1523, und das letzte Kapitel hat der Herausgeber
fleißig ausgestaltet. Der zweite Band sollte bis
zum Reichstag von Augsburg reichen und hätte gewiß
in den Bahnen alter Ideen des Vf. neue Einsichten in
die Wege der Politik bis 1530 gebracht. Ein Aktenband,
in deni'die Quellen des ersten Bandes zum Teil abgedruckt
werden sollten, war vorbereitet.
Man nimmt, wenn man das Buch aus der Hand legt,
von H. v. Schubert, der einem persönlich dabei wieder
einmal nah tritt, Abschied, und man dankt dem Herausgeber
für seine Mühe und für seine schöne Einführung.
Zu wünschen wäre vielleicht, um im „trocknen Ton" zu
schließen, daß die einzelnen Kapitel in genauen Inhaltsangaben
am Anfang oder Schluß des großen Werks erschienen
wären.
Berlin. Erich Seeberg.
Rigaux, P. Beda, O. F. M.: L'Antechrist et l'Opposition au Roy-
aume Messianique dans l'Ancien et le Nouveau Testament. Paris:
J. Qabalda 1932. (XVI, 425 S.) gr. 8°. = Universitas Catholica
Lovaniensis, Dissertationes ad gradum magistri in Facnltate Theologica
consequendum conscriptae. Ser. II. Tomus 24.
Die Studie, die hier vorgelegt wird, zeugt von außerordentlich
tiefgründigem Wissen und sehr gelehrten
Vorstudien. Man kann wohl ruhig sagen, daß die Literatur
vollständig übersehen ist und in vornehmer sachlicher
Weise verwertet wird. Die Kritik auch der abgelehnten
Anschauungen ist durchaus ruhig und sachlich
, auch wenn der Standpunkt des Verfassers begreiflicher
Weise für ihn indiskutabel ist. Man kann von
ihm keine Zustimmung zum literarkritischen Standpunkt
der protestantischen Wissenschaft verlangen, wenn diese
nicht einmal bei einem großen Teil der alttestamenitlichen
Wissenschaft zu erwarten ist. Erst recht kann ich dann
auch nicht verlangen, daß der gelehrte Verfasser, von
der Methode und den Resultaten meiner 1926 erschienenen
BamXeia xoO »eoö sich überzeugen läßt, die ich
persönlich für abschließend absehe: vielleicht wird sich
doch bald die Erkenntnis durchsetzen, daß unsere jüdisch
-christliche Eschatologie ihrem innersten Wesen
nach Form und Inhalt aus dem Parsismtis stammt,
also, modern gesagt, arischer Herkunft, ist. Auch der
Antichrist stammt, wie ich erwiesen habe, aus der persischen
Religion.
Bei diesem grundsätzlichen Gegensatz kann und mag
ich daher mich nicht in Einzelheiten und Grundsätzlichkeiten
mit dem Verfasser auseinandersetzen, zumal ich
seine objektive Darstellung nur aufs höchste loben
kann. Ich gehe daher nur kurz auf den Inhalt seines
Buches ein.
Die Studie zerfällt in zwei Teile: L'Antechrist et
l'opposition au royaume messianique das l'Ancient Testament
und l'Antechrist et l'opposition au royaume messianique
dans le Nouveau Testament. Jeder der zwei
Teile ist logisch aufgebaut und nach zeitlichen und inhaltlichen
Gesichtspunkten. Das erste Kapitel „le se-
pent dans le Protevangile" scheint mir das wertvollste
i zu sein. Die übrigen Kapitel befassen sich in der Hauptsache
mit der Stellung der Heiden zum Königreich
Gottes, vor allem mit der Feindschaft gegen Gott. In
Kapitel 7 und 8 werden wir in die griechische Zeit der
Apokalyptik geführt. Der zweite Teil führt von der
! Synopse über Paulus zu den johannäischen Schriften.
Die Darstellung ist übersichtlich, einfach und klar, bietet
! aber nichts wesentlich Neues und Selbständiges, aber
j wir dürfen dem Verfasser für sein Gelehrtes Buch und
die Anregung, die es gibt, dankbar sein.
I Gietkn. A. v. Gal 1.
ßellardi, Lic. Werner: Die Geschichte der „Christlichen
Gemeinschaft" in Straßburg (1546- 1550). Der Versuch einer
„zweiten Reformation". Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte
Straßhurgs mit zwei Beilagen. Leipzig: M. Heinsius 1934. (XVI,
217 S.) gr. 8°. = Quellen u. f'orschgn. z. Refonnationsgesch. (früher
Stud. z. Kultur u. Gesch. d. Reformation) Hersg. v. Verein f. Refor-
mationsgesch. Bd. XVIII. RM 15—.
Der Arbeit Bellardis kommt insofern eine aktuelle
Bedeutung zu, als sie das geschichtliche Relief der Einführung
einer kirchlichen Gemeindedisziplin an der Art
darstellt, wie Bucer die Reformation der Straßburger
Gemeinde und die Verlebendigung der Kirche zu einer
durch eine strenge Bußdisziplin und Kirchenordnung
zusammengefaßte Gemeinde durchgeführt hat. Wenn
man das Buch Bellardis aufmerksam durchliest, kann
man sich dem Eindruck nicht entziehen, daß ein großer
Teil der heutigen kirchlichen Kämpfe auf die Tatsache
zurückgeht, daß die Absicht, wie sie Bucer vorschwebt,
die aus der Reformation hervorgehenden kirchlichen
Gemeinden durch eine Kirchen-Disziplin aus einem Haufen
kirchlicher Namenchristen in eine lebendige christliche
Gemeinschaft zu verwandeln, auf Grund des Überwu-
cherns der dogmatischen Streitigkeiten und den Kämpfen
um die „reine Lehre" sich nicht durchgesetzt hat. Es
ist bezeichnend genug — und der Verf. stellt diese
Tatsache richtig an die Spitze seiner Untersuchung —
daß die von Bucer entworfene Kirchen- und Gemeindeordnung
erst 1691 im Druck erschienen ist und daß
i erst der Versuch des Pietismus, die in der Orthodoxie
j erstarrte Kirche durch collegia pietatis und durch eine
I Verlebendigung des christlichen Gemeinschaftsgedankens
I zu erneuern, zu der Entdeckung des Bucerschen Entwur-
| fes geführt hat, der unter dem bezeichnenden Titel ver-
[ öffentlich! wurde: Vertheidigung / Der / so genandten/
Collegiorum pietatis / Hiebevor / Von / Martino Buce-
ro / dem berühmten Theologi f in Namen eines gesamten
Ehr- / würdigen Ministerii der Stadt Straß bürg /
auffgesetzet und dasiger Obrigkeit / überreicht", eine
Schrift deren Echtheit durch die moderne Kirchengeschichtsforschung
bestätigt wurde.
Nach einer einleitenden Illustration des Bucerschen
Planes an der Gemeindereform des Pietismus bringt der
Verf. in seiner eigentlichen Untersuchung zunächst eine
Darstellung der Bedeutung der Kirchenzucht innerhalb
der Geschichte der Straßburger Reformation und zeigt,
wie einerseits aus dem Abwehrkampf gegen die Sekten,
andererseits aus dem Problem der Auswahl der Sakramentsgemeinde
sich der Anstoß zu einer positiven Kir-
chenzuchtordnung in Straßburg ergibt, und wie sich in
der Ziegenhainer Zucht- und Ältestenordnung vom Jahre
1538 bereits die Grundzüge der späteren Straßburger
Kirchenordnung anzeigen. Die Vorgeschichte der Straßburger
Gemeinschaftsbewegung selbst zeigt eine Fülle
von Reformversuchen, die, mit dem Jahr 1545/46 einsetzend
zu einem lebhaften Kampf zwischen den Ratsund
Kirchenbehörden führen, insofern der Rat in der
Verkirchlichung der Gemeindezucht eine Beeinträchtigung
der obrigkeitlichen Gewalt sieht, während die Vertreter
der Reformpartei darauf hinweisen, daß mit den
Mitteln der obrigkeitlichen Kirchenordnung eine wirk-