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Ausgabe: | 1935 |
Spalte: | 169-170 |
Autor/Hrsg.: | Friedrichs, Gustav |
Titel/Untertitel: | Deutung und Erklärung der germanischen Märchen und Mythen 1935 |
Rezensent: | Vorwahl, Heinrich |
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Theologische Literaturzeitung
BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK
unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOBBERMIN, beide in Göttingen
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN
Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften. Bearbeitet v. Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, u.Lic.H. SEESEMANN, Göttingen
Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50
Manuskripte uotl gelehrte Mitteilungen sind a u 9 ■ c h I i e ß 1 i ch an Professor ü. BAUER in Güttingen, Düstere Eichenwee 14, zu senden,
Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. Gewähr für Besprechung oder Rücksendung von unverlangt gesandten Rezension«,
cxemrjlaren, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, wird nicht übernommen.
Printen* in Gcrmany.
VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1
60. JAHRGANG, Nr. 10__ 11. MAI 1935
Spalte
A1 k o f e r: Das Leben der heiligen Theresia
von Jesu (Piper)..............181
Bellardi: Die Geschichte der „Christlichen
Gemeinschaft' in Straßburg; (1546—1550)
(Benz) ...................178
Besson: Nach vierhundert Jahren (Lerche) 1S3
Fichtner: Die altorientalische Weisheit in
Spalte
ihrer israelit.-jüd. Ausprägung (Zimmerli) . 171
Friedrichs: Deutung und Erklärung der
germanischen Märchen und Mythen (Vorwahl
) ....................169
Fünfzig Jahre evangelischer Arbeit im Fernen
Osten 1884—1934 (Richter).......102
Hutten: Um Blut und Glauben (Witte) . 192
Spalte
M o o g : Hegel und die Hegeische Schule
(Hoffmann).................183
Müller: Die neugerm;mischen Religionsbildungen
der Gegenwart (Witte) .... 169
Rigaux: L'Antechrist (Gall)........177
Schubert: Lazarus Spengler und die Reformation
in Nürnberg (Seeberg).....172
Mülle r, Dr. Alfred: Die neugermanischen Religionsbildungen j Wesen und Dinge auf astronomische Erscheinungen
der Gegenwart, ihr Werden und Wesen. Bonn: L. Röhrscheid bezogen: „Hans im Glück" liege die Abnahme der Voll-
1934. (73 S.) gr. 8°. = Untersuchungen zur ailgem. Religionsge- mondszeit zugrunde, Schneewittchen sei eine Vertreterin
schichte hrsg. von Carl CJemen. Heft 6. RM 3.50. ; des 24 stündigen Neumondtages, denn es hätte die Neu-
Diese Schrift zerfällt in zwei Teile. Der 1. Teil schildert i mondnacht als schwarzes Haar, das Neumondmorgenrot
das Werden, der 2. das Wesen der genannten Strömungen. J als rote Gesichtsfarbe, den weißen Neumondtag als
Der 1. Teil zeigt die Wurzeln dieser Bildungen auf bei j weiße Hautfarbe. Rotkäppchen sei die Morgenröte; der
Herder, Schopenhauer, Nietzsche, von Hartmann, Drews, ; Wolf der schwarzen Neumondnacht gleichzusetzen, da-
Dahn, Gaubineau, Wagner, Bonus und Chamberlain. [ gegen Aschenputtel der 24 stündige Vollmondtag, wäh-
Merkwürdiger Weise fehlt hier Lagarde, den die Deut- j rend die 3 goldenen Haare des Teufels Symbole der
sehe Glaubensbewegung (D. G.) meiner Meinung nach j Sonne, des Mondes und der Venus seien. Die 3 Brüder
mit Recht zu ihren Vätern zählt. Im Wesentlichen wer- j seien Teile des 24 stündigen Tages, doch könnten Neu-
den dann die nordischen, religiösen Bünde in ihrem | mond- und Vollmondszeit auch durch 4 Personen vertreten
werden.
Somit haben wir es mit einer Neuauflage der altorientalischen
Astrallehre zu tun, von deren Vätern H.
Winckler auch genannt wird, nur mit dem Unterschied,
daß inzwischen der Norden das Zentrum geworden ist.
Als Ganzes ist diese Weltanschauung bereits von M.
Witzel ad absurdum geführt, indem er die bekannten
3 Haare Bismarcks mondmythologisch auswertete und
der Begründung der Deutschreligion und der Ablehnung I den letzten Krieg in diesen Stil übertrug. Der Märchen-
Wollen geschildert. Es fehlt aber hier wieder eine eingehende
Besprechung der D. G. Hauers, die meiner Meinung
nach hätte berücksichtigt werden müssen. Wichtiger
und wertvoller ist der 2. Teil der Schrift. Dieser
behandelt zuerst die religionsphilosophischen Voraussetzungen
der beschriebenen Bewegungen und schildert hier
namentlich deren These, daß alle Religion völkermäßig
bestimmt sein müsse. Sodann handelt der 2. Teil von
des Christenrums als Religion des deutschen Volkes, j erfinder müßte immer ein ganzes astronomisches System
Drittens wird gezeigt, welches die Quellen der Deutsch
religion sind: die Anknüpfung an den Sinn der altgermanischen
Religion und an die deutsche Mystik, teilweise
auch an den Idealismus. Die Glaubenslehre und das
kultische Wesen finden auch noch ihre Berücksichtigung.
Das alles wird aus sorgfältig gesammelten, teilweise
schwer zugänglichen Quellen belegt. Die kritische Schlußbetrachtung
, rein vom religionswissenschaftlichen Standpunkt
deckt die Schwäche der Strömungen auf. Sie
zeigt, wie ungenügend die Fundamentierung auf der altgermanischen
Religion ist, kommt zu dem Ergebnis, daß
hier im Grunde Atheismus vorliegt, und daß die Verengung
auf die volksmäßige Rassen-Religion eine unhaltbare
Position ist. Diese Schrift ist durch ihre Objektivität
sehr wirksam.
Berlin. Johannes Witte.
Friedrichs, Gustav: Deutung und Erklärung der germanischen
Märchen und Mythen. Leipzig: W. Heims 1934.
(88 S.) gr. 8°. RM 3—.
Nach Friedrichs bilden Mythen und Märchen ein einheitliches
Ganzes, so daß es möglich sei, von den mythischen
Rätseln aus die gemeinsame Weltanschauung
systematisch zu entwickeln. Da nun in den Rätseln Zeitabschnitte
als Personen, Tiere, Bäume, Nester, Körbe
etc. erscheinen, seien alle im Märchen vorkommenden
gegenwärtig gehabt haben, dessen Allgemeingültigkeit
durch die Vielheit der Erzähler hinfällig wird, wie auch
die Vieldeutigkeit der Symbole die Möglichkeit einer
anthroposophischen (Wolfram) wie psychoanalytischen
Ausdeutung zeigt (Heymann, D. med. Woch. 1929/
2108). So sind alle die beliebten Erklärungen, die ihre
ursprüngliche Bedeutung entdeckt zu haben behaupten,
für die Wissenschaft wertlos (Ranke). Wenn Schlör
darauf hinweist, daß das jugendliche Irresein Züge aufweise
, die den typischen Vorstellungen des Märchens
verwandt seien, ist daran richtig, daß hier das Triebleben
des primitiven Menschen unverhüllten Ausdruck
findet. Daraus erklärt sich die von Spieß hervorgehobene
Grausamkeit und Freude am Verbrechen. Aber es handelt
sich um Dichtungen, in denen das Volk verrät,
welche Richtung seine Wachträume nehmen, wenn sie
ins Blaue greifen und sich die Erfüllung schaffen, die
das Leben versagt, wofür ich auf meine Psychologie
der Vorpubertät S. 120 verweise. Denn allen gut gemeinten
pädagogischen Auswertungen, die das Märchen gern
an die Stelle des A. T. setzen möchten, zum Trotz gilt
Rankes Urteil, daß die Märchen auf die Frage nach der
ethischen Gestaltung der Welt im Sinne einer unheroischen
, wesentlich auf irdische Genüsse gerichteten
Wunscherfüllung antworten.
Quakenbrück. Heinrich Vorwahl.
169 170