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Ausgabe:

1935 Nr. 9

Spalte:

160-161

Autor/Hrsg.:

Dunin Borkowski, Stanislaus von

Titel/Untertitel:

Aus den tagen Spinozas 1935

Rezensent:

Kesseler, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 9.

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in 52,99—136 zum Abschluß (1596—98) und teilt einzelne
Urkunden z. B. das Testament des Viertlpredigers
Latomus, der eine Bücherei von ca. 286 Stück im Wert
von 200 fl. besaß, und den Bestallungs- von 1597 und
den Ausweisungsbefehl von 1598 mit. Von demselben
Vf. erhalten wir „Die Geschichte des Protestantismus
in Olmütz" in 52,148—174; 53,110—151; 54, 118—160;
55,59—112. Von 1522 bis 1619 zieht die Reformationsgeschichte
mit ihrem Verlangen nach evang. Predigt,
ihrem Märtyrertum und ihrem Kampf gegen Wiedertäufer
und Jesuiten in der mährischen Bischofsstadt am
Auge vorüber. J. Hü bei beschließt seinen Aufsatz
über „das Schulwesen Niederösterreichs im Reformationszeitalter
" mit der Zusammenstellung der Schulorte
und der Lehrkräfte. Deutlich erkennbar ist der Einfluß
der Reformation auf die Förderung der deutschen Schulen
und der leichte Übergang vom Schulamt zum Pfarramt
und umgekehrt. J. Loserth teilt „Zu den Anfängen
der Reformation in Steiermark die Visitation und
Inquisition von 1528 und ihre Ergebnisse" mit (54,83
bis 97) und zeigt damit, wie früh schon die Reformation
in der Steiermark sich durchsetzte. Dann äußert sich
derselbe Vf. „Zur Geschichte des Brucker Libells" von
1572 und 1578, in dem der für die Gegenreformation
sich einsetzende Erzherzog Karl unter dem Druck der
Türkennot seinen protestantischen Untertanen große Zugeständnisse
machen mußte (53,7—23). E. Winkelmann
schreibt „zur Geschichte des Luthertums im uai-
tersteirischen Murr- und Draugebiet", wo nur die deutschen
Sprachinseln sich zum größten Teil wenigstens
der Reformation erschlossen (54,98—117; 55,155 bis
172). Die Anfänge um 1528 sind noch ganz im Dunkel;
erst von 1541 an liegen mehr Nachrichten vor. Eingehend
untersucht H. Krimm „Die Agende der niederösterreichischen
Stände vom J. 1571" und zeigt den
Anteil des Christoph Reuter und das rasch wechselnde
Interesse des Kaisers Maximilian II. an dieser Arbeit
des Chyträus, die dieser 1578 unter dem Einfluß der
Kritik umgestaltet neu ausgehen ließ. In der kaiserlichen
Forderung der Agende sieht der Vf. den Höhe- und zugleich
Wendepunkt der österreichischen Reformation (55,
3—64). Ihre Beurteilung durch Maximilian wurde insgeheim
von katholischer und bayrischer Seite aus streng
beobachtet und beeinflußt, wie der Vf. auf Grund seiner
Archivfunde nachweist. Diese Arbeit verdient weitgehende
Beachtung auch für die Beurteilung der Politik
des Kaisers Rom und Spanien gegenüber. „Der Kirchenbau
des österreichischen Protestantismus" wird nach
Umfang und Art von P. Brat he dargestellt (55,133
bis 154). Die Protestanten konnten nicht allzuhäufig
die seitherigen katholischen Kirchen übernehmen, sondern
waren zu Neubauten gezwungen. Viele derselben
fielen um 1600 der katholischen Zerstörungswut zum
Opfer. Der Hallenbau wurde aus dem Spätmittelalter
übernommen, die Kanzel aber vom Mittelpfeiler an die
Ecke von Altarraum und Schiff verlegt. Epitaphien und
Wappen besonders der Stifter sind häufig. Eigentümlich
ist auch die bauliche Verbindung mit dem Pfarrhaus
oder der Schule. Auch die Zeit bis zum Toleranzpatent
ist verschiedentlich berücksichtigt. Chr. Stubbe erzählt
in einem Beitrag zur Geschichte des evang. Gottesdienstes
in Wien vor dem Toleranzpatent „von dem dänischen
Gesandtschaftsprediger Burchardi" und seinen
seelsorgerlichen Nöten, die ihn mit der österreichischen
Staatskanzlei 1777 in Konflikt brachten und zu seiner
Abberufung führten (53, 52—60). Stubbe veröffentlicht
weiter zwei Dokumente „zur 150j. Bestandfeier der
Wiener evang. Gemeinde A. B.", nämlich die Instruktion
für den dänischen Legationsprediger Eckhoff von 1778
und die Bitte der Wiener evang. Gemeinde um Überlassung
des dänischen Gesandtschaftspredigers Fock als
ihren ersten Pfarrer im J. 1783.

„Zur Geschichte der Emigration der Salzburger Protestanten
von 1731/2" schreibt J. K. Mayr (52,136
bis 147) und sucht Recht und Unrecht nach beiden Sei-

j ten zu verteilen; die Hauptschuld tragen die Beamten und
- Pfarrer, die das Volk jahrelang quälten, und dann der
i Kanzler des als eifriger Seelsorger erscheinenden Erz-
bischofs Firmian, Cristani, der als gewiegter Politiker
alle Einwände und Bedenken des kaiserlichen Hofs wie
j der Corpus Evangelicorum listig überwindet und die
Verfolgten als Rebellen beurteilte, die ihr Luthertum
nur als Deckmantel ihres politischen Widerstandes vorschützten
. T h. Wotschke schildert, unter wie großen
Mühen und Opfern 1642 versucht wurde, „die Frankfurter
Folioausgabe der Arndtschen Postille" unter den
österreichischen Protestanten zu verbreiten (55, 65—68).
T h. H a a s e schildert „das evang. Schulwesen in Bie-
litz bis zum Toleranzpatent" (53,95—109) und die
! Mühsal und Heimlichkeit des offiziell verbotenen, tat-
j sächlich geduldeten Winkelschulwesens besonders unter
Maria Theresia. K. Völker behandelt „die An-
| fänge des evang. Schulwesens in Wien vor und nach dem
Toleranzpatent" (55,113—132) und zeigt, wie die evan-
j gel. Schule sich aus der dänischen Gesandtschaftsschule
I heraus entwickelte über eine Katechetenschule hinweg,
j die sich eine Zeitlang nur als „Katechesis" um den Religionsunterricht
annehmen durfte, bis sie dann dank
einer Stiftung zu einer für Lutherische und Reformierte
gemeinsamen Schule ausgebaut werden konnte. K. Völker
; gibt weiter ein Bild von dem „Zustandekommen des österreichischen
Protestantenpatents vom 8. April 1861" (52,
3—68) und würdigt die Arbeit der Minister Graf Thun
i und Schmerling eingehend. Die Durchführung machte
aber in Tirol besonders Schwierigkeiten, die der Vf. in
einem neuen Aufsatz darlegt (53, 61—94) und die es erst
1875 zur Anerkennung des Patents auch in Tirol kommen
ließen. Auch „die Entstehung des reformierten Senio-
rats in Galizien" (55,173—178) im J. 1862 hängt mit
dem Protestantenpatent zusammen; aber das reformierte
Seniorat bildet zusammen mit drei lutherischen die Su-
perintendentur A. und H. B., wie sie schon seit 1811
j heißt.

Der 55. Jahrgang enthält erfreulicherweise eine
I Übersicht über alle in den seitherigen Jahrgängen erschienenen
Beiträge und ein Inhaltsverzeichnis, während
die vorhergehenden Jahrgänge den Inhalt nur auf dem
Umschlag zeigen.

Horb. Q- Bossert.

Dunin Borkowski, Stanislaus von, S. J.: Aus den Tagen Spi-
| nozas. Geschehnisse, Gestalten, Gedankenwelt. Erster Teil. Das Entscheidungsjahr
1657. Münster i. W.: Aschendorffsche Verlagsbuchh.
1933. (IV, 495 S.) 8°. RM 20—; geb. 22—.

Das vorliegende Buch ist der zweite Teil eines auf
vier Bände berechneten großen Werkes über Spinoza.
! Der Verfasser, der bereits vor 24 Jahren zuerst über den
jungen Spinoza geschrieben hat, stellt diesen hinein
in das politische und geistige Leben seiner Zeit, um den
j „neutralen Ort" aufzudecken, wo in Anknüpfung an seine
j Zeit und aus seiner Ursprünglichkeit heraus der Philo-
i soph den Uransatz, den Urimpuls findet, von dem aus
j er später sein System entwickelt. Am Schluß des Bu-
! ches finden sich ausführliche Belege aus den Quellen,
t aus denen der Verfasser schöpft, bezw. auf die er Bezug
i nimmt.

Es wird ein sehr farbiges Bild von den politischen
! Strömungen in den Generalstaaten nach dem 30 jährigen
Kriege gegeben, wo die friedensfreundliche Politik der
Kaufmannskreise in Jan de Witt über die kriegsfreudige
! der Oranier die Oberhand gewann, dann aber zusammen-
| brach. Es wird der Einfluß aufgezeigt, den Macchia-
i vellis Anschauungen in den damaligen politischen und
' philosophischen Kreisen hatten, und auch die politisierenden
Schwärmer nach Art des Comenius werden gekennzeichnet
. So machte der junge Spinoza einen anschaulichen
, lebendigen „politischen Lehrgang" durch, woraus
es erklärlich wird, daß er mit seiner Philosophie
j nicht im Theoretischen bleiben, sondern seine Zeit ge-
I stalten wollte.