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Ausgabe:

1935 Nr. 8

Spalte:

140-141

Titel/Untertitel:

Die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Bundes 1935

Rezensent:

Jonat, Friedrich Karl

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139

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 8.

140

schaftlich zuverlässigen Erklärung alttestamentlicher Erzähl
u n g s bücher nur in engen Kreisen vorhanden.
Wenn das in Holland anders ist, steht es dort gut.
S. 36—89 enthalten die Übersetzung; sie ist in Anwendung
des Adversativum, des Asyndeton u. a. von einer
ernsten und bemerkenswerten Modernität und enthält
viele unauffällige stilistische Beiträge zum Verständnis
der Handlung, welche zum Teil als solche durch den
Druck gekennzeichnet werden und auf sorgfältiger wissenschaftlicher
Einsicht beruhen. Die 31 Kapp, werden
in 11 Gruppen geordnet, deren letzte nach II. Sam. übergreifen
würde. Darauf folgt S. 91 —172 eine im Allgemeinen
knappe Umschreibung der erzählten Handlungen;
eingefügt sind im Bedarfsfalle sachdienliche Einzelausführungen
. Einige der letzteren sind zurückgestellt auf
S. 178ff.; die auf S. 182 zu 10,12 gebotene über die
Frage: „wer ist sein Vater?" bildet eine dankenswerte
Förderung unserer Einsicht. S. 173—178 findet sich eine
Tabelle der Abweichungen vom synagogalen Wortlaut,
S. 180 eine andere Tabelle über Arabismen; 10,24 hätte
mit 17,25 zusammengelegt werden sollen; 11,1 mit
14,7, aber auch mit vielen nicht angeführten Satzkonstruktionen
; 14,1 mit 17,26; 20,19, ferner 14,18 mit
18,3; 26,5, falls nicht die Textkritik einen besseren
Aufschluß gäbe. Denn natürlich kann sich auch ein entstellter
Wortlaut oft genug auf irgend welche sprachliche
Gepflogenheiten berufen, aber eben auf solche, die keineswegs
schon während der Entstehung des Originals
in dessen Heimat bestanden haben müssen. 14,22 gehört
gleichfalls zu den Symptomen einer uneinig gewordenen
Überlieferung und besagt nichts über den sprachlichen
Charakter des Originals. Die pronominalen und
demonstrativen Ausdrucksmöglichkeiten der lebenden
Sprache waren reicher als die Schulgrammatik zuläßt;
daher wird hallaz zwar eine Analogie des Arabischen
sein, aber trotzdem gut kananäisch. — Vorausgeschickt
sind ein Literaturverzeichnis S. 32 ff. (und S. 5), Charakteristiken
der Haupt-Personen S. 26 ff., des politischen
und religiösen Hintergrundes S. 16—26 und eine Skizze
des Erzählungstils und der Zusammensetzung des Buchs
S. 10—15. Ein Bedürfnis des ins Auge gefaßten Lesers
nach solchen Charakteristiken besteht zweifellos; sie enthalten
nicht nur Selbstverständliches, doch auch Anfechtbares
. Am anfechtbarsten wäre das aus dem Stil
Gefolgerte, so S. 10 über die Reden der Beteiligten.
Nicht oder doch nur in den seltensten Fällen gelingt
den Erzählern die Charakteristik des Individuum; die
wollen sie auch nicht, sondern sie lassen die Personen
konventionell reden und kennzeichnen dadurch die Bevölkerungsklasse
, welcher der Redner angehörte, die
Bildungstufe u. ä. Diese Erkenntnis erschüttert die li-
terargeschichtlichen Voraussetzungen, auf die sich de
Groot einrichtet, mehr als man wohl von vornherein erwartet
; doch ist er auf S. 14 bereit einen Abstand einiger
Generationen zwischen den Stoffen und den Verfassern
zuzulassen. Dessen ungeachtet ist die über die Entstehung
des jetzigen Buchs S. 14 f. vorgetragene Gesamthypothese
, sobald man ihre wissenschaftliche Durchführung
an den Einzelbestandteilen versuchen würde —
wozu sie sich jederzeit bereit halten muß — ungleich
„komplizierter" (S. 12) als die bis jetzt bewährten einschließlich
einer von de Groot mit diesem Worte beurteilten
. Man sieht dies schon an dem Aufgebote gegensätzlicher
Richtlinien; so soll das eine Mal ein Bericht
erweitert sein (S. 143), das andere Mal gekürzt (S. 15).
Letztere Annahme, die sich in der alttestamentlichen
Wissenschaft noch immer einer ungeprüften Beliebtheit
erfreut, gestattet meist eine ungerechtfertigte Vereinfachung
der literarischen Probleme. Beruht sie nicht auf
einer Verwechselung mit der Selbstverständlichkeit, daß
die Wirklichkeit immer reichhaltiger ist als ihre Beschreibung
? Vollends aber die Zulassung entgegengesetzter
Arbeithypothesen ist ein Behelf; die Grenzen
seiner Anwendung können kaum eng genug gezogen
werden.

Praktische Bibelauslegung in dem im evangelischen
; Deutschland üblichen Sinne des Begriffs enthält das
Buch nur selten, so im Zusammenhange mit der behaupteten
Einheitlichkeit des Geistes der Texte. Hinter dieser
scheint sich zweierlei zu verbergen, das zu der Be-
1 hauptung selbst noch nicht ausreicht: eine völkische Re-
; ligion der an den Begebenheiten Beteiligten und eine
; redaktionelle Tendenz. Daß der Gesichtspunkt der erbaulichen
Anwendbarkeit der Texte zurücktritt, ist jedoch
das Gegenteil von einem Tadel des Buches. Es will gemeinverständlich
sagen, was auf wissenschaftlichem Wege
erarbeitet ist. Damit ist aber für die erbauliche Wir-
j kung der Texte das Nötige und Genügende getan.
Kiel. Wilhelm Caspari.

1 Die heilige Schrift des Alten und des Neuen Bundes. Übersetzt
von Paul Rießler und Rupert Storr. 3. Aufl. Mainz: Matthias-
Grünewald-Verl. 1934. (XV, 1423 S.) kl. 8°. Lwd. RM 10 - ; Ldr. 15—.
Rießlers Übersetzung der heiligen Schrift des Alten
Bundes im Umfang der Vulgata erscheint innerhalb zehn
Jahren zum drittenmal, diesmal vereint mit R. Storrs
Übersetzung des Neuen Testaments und in einer geschmackvollen
, billigen Volksausgabe. Das Jubiläum der
Lutherbibel zwingt unwillkürlich zum Vergleich beider
Bibelübersetzungen. Hier kann nur so viel hervorge-
! hoben werden: beide sind wissenschaftlich und deutsch,
i freilich die Rießler-Storr'sche ist mehr wissenschaftlich
| als deutsch. Von diesem Vorwurf wissen sich auch
andere neuere Bibelübersetzer nicht frei! Bei Rießler
wirkt besonders störend sein Nichttrennen zusammengesetzter
Zeitwörter, wenn es auch bei Luther von Fügungen
wimmelt wie: „Er heimsucht die Missetat". Luthers
Bibel hatte Vorreden zu den einzelnen biblischen
Büchern und reichlich Noten. Bei Rießler-Storr füllen
sie 78 enggedruckte Seiten. Wie nötig diese Einrichtung
ist, glaube ich in meiner Übersetzung des A. T.s gezeigt
zu haben. Daß Rießler-Storr aber das Schriftganze in
die üblichen Kapitel und Verse zerbrechen, ist nicht nur
unlutherisch sondern veraltet. Um auch nur einen kurzen
Blick in die Selbständigkeit dieser neuen Bibelübersetzung
tun zu lassen, schreibe ich das Deboralied und
Rom. 8,31 ff. aus. Eine Begründung seiner textkritischen
Ergebnisse hat Rießler zwar zum Teil in seinen
Kommentaren und sonstigen Schriften gegeben, zum Teil
aber harren sie noch des Drucks.

Da sang Debora mit Abinoams Sohne, Barak, jenes Tages also:
j „Stimmt an in Jsrael, ihr Führer! Einfalle, Volk, beim Loblied auf den
| Herrn! Ihr Könige, hört! Horcht auf, ihr Herren! Ich bin des Herrn:
ich will lobsingen; ich weihe dem Herrn, dem Gotte Israels, ein Lied.
Herr! Als du ausgezogen von Seir, als du von Edoms Fluren hergekommen
, gezittert hat die Erde, getrieft die Himmel; getrieft von Wasser
Wolken. Gebebt vorm Herrn, dem Herrn, die Berge, vorm Herrn, vor
Israels Gott, am Sinai. Gefeiert haben Stralien zur Zeit des Anatsohnes
J Samgar, in Jaels Tagen. Denn die, die sonstens auf den Stralien zogen,
; betraten jetzt nur Seitenpfade. In Israel gemangelt haben Schwerter, ja
■ gemangelt, bis daß du aufgestanden bist, Debora, bis daß du dich in Israel
! erhoben hast als Mutter. Dies wählte neue Führer, die sich damals
einten. Schild aber sah man nicht, noch Speer bei vierzigtausend Mann
| in Israel. Die Hochgemuten bei den Führern Israels, die sich dem Volke
j hingegeben, sie hatten hoch den Herrn gepriesen. Die ihr auf den
weißen Eselinnen reitet, die auf den Wagen fuhren, die auf dem Weg
marschierten, sie stießen Rufe aus, anstimmend den Gebetsgesang: des
Herren Siegestaten priesen sie: Die Siegestaten seines Schwertes in Israel!
Dann zogen sie herab mit Planken, das Volk des Herrn. Auf! Auf!
Debora! Auf! Auf! Anstimme den Gesang! „Auf, Barak! Gefangene,
du Sohn des Abinoam, mache dir!" Voll Kraft stieg da herab die kleine
! Schar. Das Volk des Herrn stieg wutentbrannt herab, ganz eng vereint.
I Auszog Ephraims Stamm in Kühnheit und hinter ihm mit seinen Leuten
' Benjamin. Auszog Makir; herab die Edlen stiegen. Hinzogen die aus
i Zabulon Gemusterten. Und bis Debora blieben Issakars Anführer und
unter Barak stellt sich Issakar und wird zu Tal gesandt mit seinen
Truppen. In Rubens Sippen waren Große bitteren Gemütes. „Was bliebest
du unschlüssig sitzen? Um der Gemeinen Hohn zu hören?" In
Rubens Sippen waren Große bitteren Gemütes usw.

Was sollen wir zu alledem sagen ? Wenn Gott für uns ist, wer ist
1 dann gegen uns? Er, der seines eigenen Sohnes nicht geschont hat,
i vielmehr ihn für uns alle hingegeben hat, wie sollte dieser uns nicht
alles auch mit ihm in Gnaden schenken ? Wer wollte gegen Gottes Aus-