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Ausgabe:

1935 Nr. 7

Spalte:

126

Autor/Hrsg.:

Lehrmann, Johannes

Titel/Untertitel:

Der Vater des Vaterlandes 1935

Rezensent:

Lerche, Otto

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Seite 1

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125

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 7.

126

Ordens und der Hierarchie und endlich das Verhältnis
des Protestantismus zu den Kapuzinern zu schildern.

Das Buch ist bei aller Gelehrsamkeit und Gründlichkeit
in vieler Hinsicht recht naiv und nicht ohne gegen-
reformatorischen Elan geschrieben, der Staunen erregt.
Es fällt J. an keiner Stelle ein, die oft recht derben und
eindeutigen Missionsmethoden und Erfolge der Patres
zu kritisieren; er begnügt sich vielmehr damit, festzustellen
, daß die Kapuziner an gewaltsamen Massenbekehrungen
keinen Anteil hatten, und daß ihre Erfolge
durchaus bescheidene waren. —

Die Schrift ist aufschlußreich für Geschichte, Methode
und Einzelheiten der gegenreformatorischen Konversionen
und die Stellungnahme des Katholiken von
heute dazu. Wenn J. behauptet, daß die Kapuziner nur
im Sinne und im Interesse der Kirche gearbeitet haben,
daß ihnen alle weltlich-politischen Interessen immer fern
gelegen haben (S. 52), so steht dazu im Widerspruch
das S. 6 Gesagte über die vielseitige Betriebsamkeit der
Patres auf politischem Gebiete, ihre Bemühungen um
die bairische Kur, ihre Einmengungsversuche betr. Jülich
-Kleve und ihre Vorschläge betr. Restitution der
Pfalz. Ebenso sind mehrere fürstliche Konversionen
dieser Zeit — sicher Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels
, der übrigens nicht ein Enkel sondern ein Urenkel
Philipps des Großmütigen war, Pfalzgraf Christian August
von Sulzbach und Graf Ludwig Eberhard von Leiningen
-Westerburg, vielleicht aber auch Herzog Johann
Friedrich von Braunschweig-Lüneburg — kaum umstrittene
Erfolge der Kapuzinermission und zwar als solche
durchaus politisch zu wertende. Auch die allerdings
vergeblichen Bemühungen um die Konversion des Pfalz-
grar-Kurfürsten und manche andere Anstrengungen in
der Vorbereitung oder Verhinderung des großen Kriegs
gehören hierhin, und J. stellt mit gewisser Resignation
fest, daß — wenn nur den eifrigen Bemühungen der
Kapuziner Erfolg beschieden gewesen wäre — vielleicht
die Patres den dreißigjährigen Krieg hätten verhindern
können. Bemerkenswert sind die Worte über wirtschaftliche
Hilfe an Konvertiten (S. IS und sonst), über die
Nichtaufnahme von Konvertiten und Konvertitensöhnen
(S. 28), über das ständig beobachtete gute Einvernehmen
mit den Franzosen während ihrer Gewaltherrschaft
am Rhein (S. 55, 116) und das unverhüllte, von J.
offenbar auch für heute noch gebilligte Ziel, dem öffentlichen
Leben katholisches Gepräge zu geben (S. 58).

Die Vorgeschichte und tiefere Anlage der Konversion
des hessischen Landgrafen wird übergangen; von Ca-
lixt und seiner Theologie hat J. so wenig Vorstellungen,
daß er nicht einmal den Namen des Helmstedter Professors
richtig schreibt (S. 33). Ob wir es bei den

religiös bewegten Zeit diene und helfe: zur Belehrung und zur Erbauung
und vielleicht auch zur Warnung" — gewiß aber zur Unterhaltung.
„Es hat den Anschein, als ob das Herrnhuter Geschehen heute mehr
denn je Verständnis begegnen mülite. — Wie denn überhaupt das ganze
Buch dem Leser die Gewißheit in Erinnerung bringen möchte, daß
Glaube Berge versetzt." — Theologisch, ja auch geistesgeschichtlich mit
dem Verfasser über diese oder jene Einzelheit zu rechten oder zu markten
, will uns nicht angebracht erscheinen. Die Darstellung als solche ist
von großem ursprünglichen Reiz.

Wir wünschen dem Buch recht viele, auch theologische Leser.
Berlin. Otto Lerche.

Der Vater des Vaterlandes. Wilhelm I. von Oranien. Ein Heldenleben
in 163 Bildern von G. Benczur, E. Debat-Ponsan, L. Fahrenkrog,
W. de Famars-Testas, W. Friedrich, L. Gallait, C. Haeberlin, P. Hey,
J. Hilverdink, A. Hoffmann, J. Hoynck van Pagendrecht, A. Kampf,
H. Kaulbach, H. Knackfuß, L Koch, W. Kuhnert, A. de Neuville, A.
Roloff, P. Thumann sowie nach alten Kupferstichen u. Stadtansichten
m. verbindendem Text nach JolmLothrop Motl ey, Friedrich vonSchiller,
F Rachfahl u. Carl Doenges hrsg. von J. Lehr mann. Leipzig:
Helingsche Verlagsanst. 1933. (160 S. m. Abb.Jgr. 8°. = „Heldentum
in Bildern" Bd. 1. RM 3 — .

Die 350. Wiederkehr des Todestages von Wilhelm L von Oranien
(t 10. Juli 1584) folgte bald auf die 400. Wiederkehr seines Geburtstages
(*25. April 1533). Beide Gedenktage haben hier und da, auch im evangelischen
, insbesondre im reformierten Deutschland Anlaß zu schlichten
Feiern und literarischen Würdigungen gegeben. Das vorliegende Heft
mit seinen 163 recht ungleichwertigen und gleichmäßig mangelhaft
wiedei gegebenen Bildern stellt einen neuen Versuch einer literarischen
Heldenfeier dar. Was geboten wird, sagt in aller Ausführlichkeit der
Titel. Interessant ist, daß neben Alfred Roloff, Ludwig Koch-Wien,
Hoynck van Pagendrecht und Anton Hoffmann auch Arthur Kampf, Paul
Hey und Ludwig Fahrenkroog eigens für dies Buch neue Bilder „angefertigt
" haben. Die Reihe der Bilder umfaßt die ganze europäische Welt
von 1550 bis 1584 und geht gelegentlich über diese Zeitgrenze weit
hinaus. Der historische Quellenwert des Büchleins ist jedoch bei alledem
gering.

Berlin. Otto Lerche.

Hoffmann, Hermann: Die Jesuiten in Deutsch-Wartenburg.

Schweidnitz: Komm.-Verl. d. Bergland-Ges. 1931. (224 S. m. Abb.)
gr. 8°. = Zur schles. Kirchengesch. Nr. 5. RM 4 — .

Der Verfasser hat schon eine größere Anzahl von Schriften zur
schlesischen Jesuitengeschichte vorgelegt, so eine Geschichte des Saganer
Jesuitengymnasiums (1928), eine Geschiche der Jesuiten in Brieg (1931)
der Jesuiten in Glogau (1926) und der Jesuiten in Schweidnitz (1930).
Er bearbeitete ferner Müllers Geschichte des Glogauer Jesuitenkollegs
(von 1723, 1926) und legte mancherlei andere Arbeiten zur Kirchengeschichte
von Breslau, Glogau, Liegnitz und Schweidnitz vor. Auch die
vorliegende Arbeit zeichnet sich aus durch eine mehr sorgfältige als das
weniger Wichtige hervorhebende Sammlung eines weitschichtigen Materials.
Dabei hat H. nicht einmal die Hauptquelle, das Wartenberger Jesuitenarchiv
, auf das Konrad Wuttke bereits 1908 aufmerksam gemacht hatte,
benutzen dürfen. H. beabsichtigt, durch Einzelbehandlung der schlesischen

Taufen is'lT) nicht 'mit 'unstatthaften Wieder taufen Jesuitenhäuser die Grundlage für eine Gesamtdarstellung der Jesuiten-
iduicu io. tt; inv.in . _>___■..« , ., tatigkeit in Schlesien zu schaffen.

zu tun haben? Daß die Kapuziner gelegentlich den Korn
munikanten Wein nebenher im Glase darreichten, ist
eine außerordentlich interessante Mitteilung und gestattet
einen tiefen Einblick in die Methoden der Konversion,
bei denen es in der Mehrzahl der Falle garnicht um
geistige Dinge, sondern um ganz primitive Äußerlich

Berlin. Otto Lerche.

Wolf, Prof. Dr. Heinrich: Angewandte Geschichte. Bd. 2: Angewandte
Kirchengeschichte. Eine Erziehung zu völkischem Denken
u. Wollen. 3., verb u. ergänzte Aufl. Leipzig: Th. Weicher 1934.
(XVI, 456 S.) gr. 8°. RM 5 ; geb. 6-.

keiten ging (5. j>y). t..u-^ ,lrlj „,,fc,.ui,,R Über die angewandte Kirchengeschichte Wolfs etwas Neues zu

~— ö-"o — , ' , . , . .. r,i;„„ ,„{.ni,|„n uuci uic hikcv»uuic cuengesemente wous erwas Neues zu

Im Ganzen aber bietet die sorgfältige una autscniul}- , sage0( ist unnötig| wohl auch unmöglich: denn daß Wolfs Erkenntnisse
reiche Arbeit viel Interessantes und Wertvolles, das j 1914 richtig: waren, haben diese beiden Jahrzehnte seitdem vollauf er-
keineswegS in der lokalen Geschichtskunde Stecken blei- wiesen auch für die, denen diese Erkenntnisse unerwünscht waren. Und
ben sollte. diejenigen, die an der Schärfe der Pointierung, an der unerbittlichen
R .. Otto Lerche. Verteilung von Licht und Schatten Anstoß genommen haben, werden
___ : heute dankbar empfinden, daß Wolf Maß zu halten weiß und sachlich

; bleibt: es wäre für ihn eine Kleinigkeit, seine richtigen Erkenntnisse

Hirzel, Stephan: Der Graf und die Brüder. Die Geschichte | m|t cjnjgen Übertreibungen in manche heute tonangebenden Richtungen

einer Gemeinschaft. Gotha: L. Klotz 1935. (VIII, 359 S m. 1 Bildn.) 1 njnejn m stellen und an dem Ruhm des Tages teilzuhaben. Wolf bleibt

8°. geb- RM 4-80- : sachlich, er tastet z. B. an keiner Stelle die geschichtliche und religiöse

Es handelt sich hier um keinerlei Roman, auch nicht um einen Größe von Paulus an und er beteiligt sich nicht an der Herabwürdigung

Herrnhuter-Roman — etwa nach Art von Hermann Anders Krüger — j Karls des Großen. Die vorliegende Ausgabe ist nur um etwas stärker

wie hier und da von eifrigen Zeitungsschreibern — ohne daß sie das | als die vorige, während sie nicht ganz den Umfang der ersten erreicht.

Buch gelesen hatten — behauptet wurde, sondern um eine schlichte : Die eigentliche chronologische Darstellung schließt hier schon bei S. 395,

Geschichte, die mit Anmut und innerer Anteilnahme vorgetragen wird. während die erste Auflage da 30 Seiten mehr in Anspruch nahm. Die

Der Verfasser sah sich — schicksalsmäßig — vor die Aufgabe gestellt, Kürzungen hier und da sind der strafferen und geschickteren Linien-

.dem Menschen Zinzendorf und seinem Werk ein Denkmal zu er- führung zu Gute gekommen. Eigentlich tiefgreifende Aenderungen in den

richten in einer Form, die dem suchenden Menschen gerade unserer entscheidenden Abschnitten sind nicht vorgenommen.