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Ausgabe:

1935 Nr. 7

Spalte:

121-123

Autor/Hrsg.:

Schwarz, Richard

Titel/Untertitel:

Das Christusbild des deutschen Mystikers Heinrich Seuse 1935

Rezensent:

Benz, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 7.

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ordine rerum. S. 82, 2 (Fei. ep. 8, 3 S. 248) wird wohi Thiel mit contra
observantiam regulärem (Schvc.: saecularem, cod.: singularem) Recht behalten
, da die Berufung auf die regula oder die regulae der Kirche in
diesen Briefen häufig ist, siehe S. 109, 14 : nullo regulari ordine, 109, 22:
regulari severitate, 109,24: non competentibus regulsi, 110, 20 : dum tanta
maiorum solvitur obscrvantia.S.70,9 (Fei. ep. 2,3 S. 234), haben die Hdschrr.:
quae (nämlich die constitutio von Chalcedon) Nicaeni conventus pendit adet,
oder pendet ardet, articulo. Seh«', schreibt suppeditaret; Jhcpendet arete,
was richtig sein wird, vgl. S. 79, 17: quae de Nicaeni concilii tenore pro-
cedenselc, S. 27, 16': ex synodi tenore veniente damnatione. Daspendere ist zwar
meistens von einem de oder ex abhängig, aber doch auch vom bloßen
Abi., z. B. Oelas. Tr. 6, 9 (S. 604): coelo auetore pendere. S. 77, 23
(Fei. ep. 12,1 S. 258) hat der cod: quaram (sc. Utterarum) Basilius fuit
lector interpretatum, Tutus etc., Thiel mit Sirmond,': lator, i"ter cetera
Tutus etc., Schw.: lector interpresque, Tutus etc., zu schreiben wird sein :
lator interpresque, Tutus etc., weil in den Briefen häufig vom Ueberbringer:
Uator, periator, portitor, baiulus), nie von einem lector die Rede ist. — S.
10, 30 ist nicht Mt. 16, 19 angezogen, wie Schw. am Rande angibt,
(ebenso Thiel Oelas. Tract. 4, 5 S. 562), sondern sonderbarer Weise
Mt. 18, 18, obwohl die Worte an Petrus gerichtet sein sollen; und aus
der Stelle ist dem Zusammenhange zu Liebe nur das „Lösen" herausgegriffen
und dieses dafür in zwei Wendungen wiedergegeben, um den
Gleichklang mit der Stelle zu wahren. S. 80, 17 ist auf Proverb. 22,
28 angespielt. S. 2S0 Z. S v. u. steht in „Phillippsiana" ein p zuviel,
sonst immer richtig. S. 277 A. 1 muß es st. p. 47, 21 heißen 47,24,
S. 300 Z. 1 v. u. vor der Anm. 1 : III p. 121 f. st. III p. 131 f., und
S. 302 Z. 11 v. u. natürlich „das päpstliche Vikariat" st. „plötzliche
Vikariat".

.München. Hugo Koch.

Schwarz, Dr. Richard: Das Christusbild des deutschen Mystikers
Heinrich Seuse. Eine Begegnung von Germanentum u. Christentum.
Greifswald: L.Bamberg 1934. (95 S. u. 1 Taf.) gr. 8°. = Deutsches
Werden. Greifswalder Forschgn. z. dt. Geistesgesch. Hrsg. von L. Magon
u. W. Stammler. H. 5. RM 3 —.

Die Arbeit stellt eine fleißige und gründliche Darstellung
des Christusbildes bei Seuse nach seiner dogmatischen
, mystisch - religiösen, ethisch - religiösen Seite
und nach seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung dar und
ist insofern eine Bereicherung der Seusestudien, die bisher
dieses Thema vernachlässigt haben. Leider sind
die Ergebnisse dieser Arbeit abgebogen durch einige
aphoristische Thesen von den germanischen Elementen
in Seuse. Die Arbeit stellt in der Anwendung des
Rassegedankens auf eine so extrem christliche Gestalt
wie Seuse eine so charakteristische Fehlinterpretation
dar, daß es sich lohnt, an sie einige prinzipielle Bemer-
kun'oen über die Handhabung des Rassegedankens in
derSmittelalterlichen Geschichte anzuknüpfen.

Die Arbeit ist zunächst in der alten exakten Methode
der literarhistorischen Forschungen gehalten, die versucht
, die Grundgedanken und Grundprobleme des Seit-
sesch'en Christusbildes aus den Werken Seuses seihst
zu ermitteln und mit den zeitgeschichtlichen Erscheinungen
der deutschen und außerdeutschen Mystik zu
vercleichen und der kirchlichen Tradition der verschiedenen
Motive nachzuspüren. Soweit diese Linie eingehalten
ist, führt die Arbeit zu richtigen Ergebnissen: die
Seusesche Christusmystik liegt nicht in der Linie der
Eckhartschen, sondern mehr in der Linie der Bernhardini-
schen Mystik. Ihre biblischen Grundlagen sind die pau-
linische 'Kreuzmystik und die johanneische Logoschri-
stoloo-ie. Ihre dogmatischen Elemente weichen nicht von
der Kirchenlehre ab, sondern behalten in der Anschauung
von der Trinität, vom Logos, von der Inkarnation, von
den beiden Naturen Christi, von der Kirche als Leib
Christi, vom Sakrament die orthodoxen Anschauungen
bei. Die Bildform, in die sich seine religiöse Erfahrung
kleidet, ist die deutsche Minnelyrik und ihre ritterliche
Formen- und Bilderwelt.

Freilich ist bereits auf dieser Ebene der Forschung
der historische Blick nicht überall gleich geschärft. So
bringt z. B. das Kapitel über die „Ewige Weisheit" im
Gegensatz zu den exakten dogmengeschichtlichen Forschungen
über die übrigen Probleme nur allgemeine
billige Erwägungen „Alle himmlische Liebe ist irgendwie
auf der" sinnlichen Sphäre aufgebaut. Denn das ist
das letzte Geheimnis aller Mystik: die Sublimierung

des sinnlichen Eros in die geistig-mystische Höhe".
„Der Mensch als Mann denkt sich in der mystischen
Ehe Gott gern irgendwie mit einem weiblichen Akzent
." „Und so ist es auch möglich, daß der Mensch
. als Mann das Göttliche irgendwie mit einem weiblichen
Akzent denkt." „Heinrich Seuse aber besaß eine
weichliche Seele. . . Er schrieb für Frauen. . . Darum
erscheint auch das Christusbild dieses Mystikers oft in
weiblicher Akzentuierung. . ." „Für das mystisch-religiöse
Verhältnis Seuses bedeutet Christus gar zu oft
das „Ewig-Weibliche", das ihn hinanziehen soll — in
mystischer Liebe!" Hier wäre es an Stelle solcher tiefsinniger
Irgendwie-Sätze notwendig gewesen, die Sophia-
Spekulation der bernhardinischen und dominikanischen
Mystik und ihre älteren Grundlagen zu untersuchen, denn
auch diese ganze Sphäre ist wie die dogmatische bereits
in der Zeit Seuses traditionell geformt durch eine Menge
seit der altkirchlichen Zeit festliegender Motive, Ideen
' und Bilder, und es genügt nicht, als Analogiebeispiel
auf die unter Justinian erbaute Hagia Sophia in einer
Anmerkung hinzuweisen.

Über diese Schicht der Forschung legt sich nun die
dogmatische These von dem „germanischen" Charakter
der Frömmigkeit des „deutschen" Mystikers. Nun ist
es ohne Zweifel notwendig, die Frage nach den germanischen
Elementen in der auf deutschem Boden hervor-
l tretenden Mystik zu erforschen. Aber gerade diese Frage
I wird von dem Verf. mit unzulänglichen Mitteln gelöst,
indem er ganz unsystematisch ein paar verschwommene
: Vorstellungen vom Wesen des Germanischen zusam-
' menrafft, die er auch beim Leser vorauszusetzen scheint
und auf die er im letzten Moment mit Gewalt die Er-
1 gebnisse seiner Forschungen zurückbiegt. Solche all-
1 gemeinen Gesichtspunkte sind: der Gegensatz der germanischen
Mystik zur altkirchiichen Frömmigkeit, der
I darin bestehen soll, daß „die germanische Mystik mehr
j das subjektive Moment in der Betrachtung der Person
j Christi und auch der Kirche" hervortreten lasse. Weiter
| wird die germanisch-historische Tatsächlichkeit der alt-
| kirchlichen-pneumatischen Wirklichkeit gegenübergestellt.
I „Aus der persönlichen individuellen Erfahrung will der
t germanische Mensch seine Erkenntnisse gewinnen", ein
, Gedanke, für den sich der Verf. auf ein mißverstandenes
Wort des Abtes Herwegen beruft: „Für den germanischen
Menschen ist die größte Wirklichkeit das ihm
greifbar Nächste." Ebenso undeutlich ist der Gegen-
| satz von Gotisch und Romanisch, wobei der Verf. Gotisch
-Germanisch in eins setzt. In der Chrisrusschau
: Seuses findet der Verf. die „wesenhaft deutsche dyna-
, mische Tatsächlichkeit, wie wir es bereits als die See-
; lenlage des germanischen Menschen erkannten". Schließlich
empfindet der Verf. die Wendung der Christusmystik
; zur praktischen Nachahmung Christi als wesenhaft germanisches
Ethos, denn „aller deutscher Idealismus ist
vor allem ethischer Idealismus". „Durch die starke
Betonung des Ethos offenbart Seuses Christusbild die
tiefe Verankerung in der germanischen Eigenart und
Geisteshaltung. Das sind wesenhaft deutsche Züge:
Christus ist der leidende Held, dem der Mensch in Gehorsam
und Treue nachfolgen soll." Auf diese Sätze
beschränken sich im wesentlichen die Äußerungen des
Verf. über das Germanische bei Seuse. Daneben taucht
noch völlig beziehungslos der Begriff des Volkstums
I auf: „Weil das Christusbild H. Seuses . . . vor allem
gotisch-germanische Züge aufweist, trägt die Jesusgestalt
des schwäbischen Mystikers einen wahrhaft volks-
turn-bedingten Charakter."

Es gibt keine dieser flachen Thesen, die der Verfasser
nicht selbst in den Ergebnissen seiner Schriften
widerlegte. Zur These vom Gegensatz vom Germanischen
und Altkirchiichen: S. 45ff. wird in dem Kapitel
über den sakramentalen Christus vom Verfasser richtig
ausgeführt, wie für Seuse Christus im Sakrament
corporaliter „nach sei und libe, als warlich ich bin in
I dem himel in meiner volkommenen klarheit (sagt Chri-