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Ausgabe:

1935 Nr. 6

Spalte:

109

Autor/Hrsg.:

Stroh, Otto

Titel/Untertitel:

Christlicher oder deutschreligiöser Gottesglaube? 1935

Rezensent:

Witte, Johannes

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109

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 6.

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Stroh, Prof Lic. Otto: Christlicher oder Deutschreligiöser
Gottesglaube? Dresden: C. L. Ungelenk 1934. (56 S.) 8°. =
Kirche im Angriff. Brennende Fragen d. Gegenwart. H.2. RM — 80.
In der Fülle der Broschüren, welche sich jetzt mit
dem sogenannten Deutschglauben beschäftigen, der doch
so garnicht deutsch ist, hat auch diese kleine Schrift
ihre besondere Bedeutung. Im Anschluß an den 1. Artikel
handelt sie von Gott, dem Schöpfer, Gott, dem
Vater und Gott, dem Herrn. Mit feiner Einfühlung in
das an sich Naheliegende der Gedanken in Rosenbergs
Mythus, bei Hauer und Bergmann, wird dann doch gezeigt
, in systematischer Weise, auf biblischer Grundlage,
wie verkehrt diese Gedanken alle sind. Dem Berechtigten
einer Kritik an einem falschen Biblizismus trägt
Stroh durchaus Rechnung, indem er z. B. erklärt, daß
das antike Weltbild nicht Gegenstand unseres Glaubens
ist, daß der Begriff der Schöpfung nicht „auf einen
einmaligen Akt am Anfang der Zeitlinie" eingeengt
werden darf, und daß der Schöpfungsbericht nicht „als
authentische Schilderung des einstigen Hergangs, sondern
als authentische Antwort auf die Frage nach dem
trao-enden Grund alles Seins" gepredigt werden muß.
Das ist sehr erfreulich, daß das hier gesagt wird.
Allein das hätte so längst auch wirklich gepredigt werden
müssen. Sehr richtig wird auch darauf hingewiesen,
daß der Begriff des Vatertums Gottes, auch wie ihn die
Erklärung des 1. Artikels gibt, eine schwere Sache des
Glaubens' ist in dieser durch die Sünde und ihre Folgen
verdorbenen Welt. Einem Krüppel und einem armen Arbeitslosen
das zu sagen, ist eine harte Sache. Aber
ebenso richtig ist, was Stroh über die Flachheit des
Deutschglaubens sagt, der die Verantwortung nicht ernst
nimmt und eigentlich nur sich selbst kennt. Ebenso
fein wird aufgezeigt, daß die Schwärmerei für Eckehart
bei den Deutschgläubigen zur logischen Konsequenz
die Vergleichgültigung dieses Lebens hat, die man
dem Christentum vorwirft, und die dieses praktisch
nicht hat. Es ist dies also eine brauchbare, gedankenreiche
Schrift, ein gutes Rüstzeug für den Kampf gegen
den Deutschglauben.

Berlin. Johannes Witte.

Wieneke, Friedrich: Deutsche Theologie im Umriß. Soldin:
Madrasch 1933. (190 S.) gr. 8°. = Schriftenreihe d. „Dt. Christen". 5.

kart. RM 4.50 ; geb. 5.70.

Dieses Buch ist das Ergebnis einer jahrelangen
praktischen Bemühung um ein positives Verhältnis des
Christentums zum Nationalsozialismus. Verf. hat in der
Kampfzeit bewiesen, daß das Christentum und die völkische
Freiheitsbewegung zusammengehören im Gehorsam
gegenüber dem Schöpfungswort Gottes. Gegen
zwei Auffassungen des Christentums richtet sich Verf.,
die ihm in diesen Auseinandersetzungen seit 1929 immer
wieder entgegengetreten sind: gegen die Starrheit der
Lehre von der gefallenen Schöpfung, durch die jeder
kämpferische Einsatz unmöglich gemacht wird, und gegen
die internationale und humanitäre Menschheitsidee,
die die völkische Bindung als Gottesfügung und Auftrag
übersieht. Diesen beiden Fronten, die z. T. der einseitig
verstandenen dialektischen Theologie, dem Marxis-
mus°und Liberalismus entstammen, setzt Verf. den E n t-
sc he idungs Charakter des Glaubens und die A rt-
gemäßheit der Verkündung entgegen. Es geht ihm
immer wieder darum, den Christen auf den besonderen
Auftrag hinzuweisen, den er mit dem Evangelium als
Deutscher hat. Verf. lehnt es durchaus nicht ab, daß
Gottes Frage auch über dem besten Wollen steht (S.142)
und weiß sehr wohl, daß es allein auf die Rechtfertigung
durch den Glauben ankommt (S.IIS). Aber nicht die
Sünde und das in der Sünde Verbleiben ist der Wille
Gottes, sondern die Freiheit. Daher steht der Christ
täglich in einem entscheidungsvollem Kampf gegen die
Macht der Sünde.

Wir haben bei W. den Einsatz für ein heldisches und
lebensfrohes Christentum, so wie er es in den Erläuterungen
zu den Richtlinien der Deutschen Christen ausgesprochen
hat. Das Buch kann aber nur den Dienst
einer ersten Anregung geben, der eine tiefe wissenschaftliche
Arbeit nachfolgen muß. Es wäre verkehrt, wollte

j es selber schon als die neue Deutsche Theologie — auch

| nur im Umriß — genommen und gewertet werden. Es
ist ein Buch mit tiefen Einsichten und wichtigen Hinweisen
, denen aber die biblischen und gedanklichen Begründungen
fehlen. Unsere Deutsche Theologie wird
schwerer sein müssen, als es in diesem Buch den

1 Anschein hat. Wir brauchen ja auch nur an die beiden
wichtigsten Forderungen des Verf. zu erinnern, um sofort
ganz; tief in die Fragen hinein zu kommen. Es sei

| in diesem Zusammenhang auf das Buch von Hirsch
„Die gegenwärtige geistige Lage" hingewiesen. W. hält
sich zu sehr an die Überwindung der alltäglichsten und
wenig begründeten Widerstände von unlebendigen Men-

1 sehen.

W. behält die übliche Einteilung der Theologie bei:
| Grundlagen, Biblische-, Historische-, Systematische- und
I Praktische-Theologie. In diesen Abschnitten liegt das
! Neue nicht im Aufriß und in der Aufgabenbestimmung
(S. 117), sondern in den Gesichtspunkten für eine neue
j Durcharbeitung des Ganzen. Diese ganze Arbeit ist
I getragen von der berechtigten Voraussetzung, daß die
Kirche organisch in allen Lebensbeziehungen des Volkes
ihren Auftrag bekunden muß (S. 159).

Bei der Bibelwissenschaft legt er Wert darauf, daß
die Bibel nicht von ihren Teilen aus verstanden werden
kann, sondern nur als Ganzheit (S. 45, 63). Er fordert
eine wissenschaftliche Texterfassung, die sich der Beantwortung
dem Kirchenvolke gegenüber bewußt ist (S. 42,
63). Daher wehrt er sich gegen die Unwissenschaftlichkeit
Dinters (S. 63), gegen die wissenschaftsfeindliche
Haltung der Orthodoxie (S. 42) und gegen den volksfernen
Liberalismus. Falsch ist es aber, wenn er behauptet
, daß die Frage nach der Verbindlichkeit des A.T.
erst heute gestellt werde (S. 44). Diese Frage erhebt
bereits Marcion! Erinnert sei auch an Luthers grundsätzliche
Doppelstellung gegenüber dem A.T. und an die
Ablehnung der Verbindlichkeit in der Zeit der Aufklärung
, z. B. Semler.

In der historischen Theologie hält er mit Recht
die Nachprüfung der bisherigen Ergebnisse der Kirchengeschichte
für notwendig, und zwar unter dem Gesichtspunkt
, in wie weit Blut und Rasse den Werdegang der
Kirche mit bestimmt haben (S. 71). Anregend, aber
durchaus noch nicht endgültig ist die Gegenüberstellung
von Rosenbergs und Rankes geschichtsphilosophischer
Auffassung: Rosenberg begründet die Ideale im natürlichen
Menschen, Ranke dagegen im Sein „vor Gott".

Die systematische Theologie behandelt er von der
Dreieinigkeit aus, kommt dann zum Rechtfertigungsglauben
und zur christlichen Sittenlehre. Natur, Geschichte
und Kirche sind die Wirkungsstätten des dreieinigen
Gottes. Verf. bestimmt den Einsatzpunkt der
Systematik in dem Lebensgrunde des frommen Menschen.
Schon hier müßte notwendig die Gemeinde in den Aus-

| gangspunkt einbezogen werden, weil es keine isoliert
glaubenden Menschen gibt. Es ist ein falsches Festhalten
an der altlutherischen Dogmatik, die systematische
Theologie an die Reihenfolge der drei Glaubensartikel
anschließen zu wollen. Wenn der erste Ar-

; tikel nicht von Anfang an im Zusammenhang mit dem

j dritten, also mit der christlichen Gemeinde gesehen
wird, sind die Gottesbegegnungen in der Natur nicht von
einer Mythologisierung der Natur zu unterscheiden. Darin

j liegt überhaupt die systematische Schwierigkeit bei W.,
daß er einmal letzte, rassische und politische Forderungen
als Gottesforderungen ausgibt und dann doch
wiederum der Theologie die Sinndeutung des ganzen
Lebens zuweist. Er sagt: „Die Sprache des
Blutes verkündigt etwas vom Willen Gottes" (S.
96); in der heutigen Situation der Menschheit ist
„dann und wann" das Volkstum als letzter Wert zu