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Ausgabe:

1935 Nr. 5

Spalte:

95-96

Autor/Hrsg.:

Lother, Helmut

Titel/Untertitel:

Neugermanische Religion und Christentum 1935

Rezensent:

Witte, Johannes

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95

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 5.

96

Im dritten Bande von Tillmanns „Katholischer Sittenlehre
", der vor den beiden ersten erschienen ist, wurde
bereits darauf hingewiesen, daß man die psychologischen
Vorfragen in einer besondern Abteilung behandeln
würde. Das war ein völlig neuer Gedanke, und
man durfte einigermaßen gespannt sein, wie die beiden
Verfasser, Tillmann und Müncker, dieses Problem lösen
würden. Denn man kann natürlich keine Sittenlehre
schreiben, ohne auch in den einzelnen Stücken immer
wieder auf die psychologische Grundlage zurückzukommen
. Aber diese Trennung hat sich als glücklich erwiesen
. So konnte nämlich die psychologische Seite
im Zusammenhange dargestellt werden, und die praktische
brauchte nicht immer wieder durch Vorfragen
unterbrochen zu werden. Auf diese Weise gewann man
zwei in sich abgeschlossene Darstellungen, die aber

des Buches liegt in den kirchengeschichtlichen Partien.
Nach dem ersten Teil, in welchem die völkisch-religiösen
Bewegungen und Programme unserer Tage, vor allem
in Hauer, Wirth, Rosenberg und Bergmann, geschildert
werden, behandelt der zweite Teil die geschichtlichen
Voraussetzungen. Sehr Gutes wird hier über die Quellen
gesagt. Hervorgehoben sei die Ausführung über den
sehr jungen Charakter und den sehr fraglichen Wert
der Runen und Symbolzeichen auf die Wirth ein so übergroßes
Gewicht legt. Gut gelungen ist ferner die Darstellung
der inneren Aneignung des Christentums durch
die Germanen und die Schilderung des nationalgermanischen
Christentums. Die Mystik, der Idealismus und
Martin Luthers deutsche Sendung werden in ausgezeichneter
Weise gekennzeichnet. Mit dieser Kennzeichnung
ist überall der Nachweis verbunden von der Verzeichnung

doch innerlich mit einander verschränkt sind. ! aller dieser Vorgänge und Geisteserscheinungen durch
Ist im dritten Bande „die Nachfolge Christi" der ! die Vertreter der neugermanischen Religion. Aus diesen
alles beherrschende Begriff, so hier „das Gewissen". Darlegungen Lothers, die überall den kenntnisreichen
Aber auch hier geht Müncker eigne Wege. „Die Frage Fachmann beweisen, der aus reichem Wissen hier oft
nach dem Wesen des Gewissens, die von der Sc hol a- andeuten kann, wird dem Leser besonders klar, wie
stik verschieden beantwortet wurde, wird neu gestellt", oberflächlich die Vertreter der neugermanischen Religion
und so steht zu erwarten, daß Münckers Gedanken auch diese Dinge behandeln. Das gilt ebenso von dem Ab-
aut die Methoden der Moralpädagogik in „Unterwei- schnitt über die Christianisierung der Germanen. Er-
sung, Predigt und Beichtstuhl" nicht ohne Einfluß blei- wähnt werden kann an dem Buch auch die klare, Überben
werden. zeugende Gedankenführung und die gemeinverständliche
„Die Gewissensentscheidung ist der zentrale Akt Schreibweise. Das ist ein großer Vorzug und macht
der sittlichen Persönlichkeit." Von diesem Satz wird das Buch sehr brauchbar für seine Verbreitung uniier wei-
ausgegangen. Dann wird das Gewissen als „Funktion" testen Volkskreisen. In dem heutigen Ringen um diese
und als „Anlage" behandelt, die Irrwege in der Ge- Dinge kommt sehr viel darauf an, daß wir Bücher haben,
wissensbildung werden aufgedeckt und Anweisungen zu ; die auch Nicht-Theologen leicht und mit Gewinn lesen
richtiger Gewissensbildung, zur Verhütung und Heilung ; können und gern lesen werden. Solch ein Buch, das für
von Fehlentwicklungen gegeben. Diese Anweisungen i die Verbreitung in Laienkreisen hervorragend geeignet
stimmen übrigens auch mit den Erfahrungen, die man j ist, ist dies Buch von Lother. Schließlich sei noch herin
Heil- und Erziehungsanstalten gemacht hat, überein. ' voigehohen, daß die Auseinandersetzung mit der neu-
Den Psychopathen und Hysterikern wird Verständnis germanischen Religion in vorbildlich sachlicher und vorentgegengebracht
, Innenwelt und Umwelt werden be- , nehmer Form geschieht, ohne Verzeichnung der Gegner
rücksichtigt. Auf die Frage der Vererbung wird mit j und ohne Ruhmredigkeit inbezug auf die eigene Sache.
Vorsicht eingegangen, da ja die Gesetze der Vererbung Ich habe selten ein Buch mit solcher starken Zustimmung
noch nicht genügend erforscht sind. Die Psychoanalyse ] und so vorbehaltlos empfehlen können wie diese Schrift,
wird abgelehnt; aber sie hat uns nun doch einmal die ! Berlin. Johannes Witte.
Augen geöffnet für manche Dinge, die wir früher nicht

I: Reiseberichte von Fritz Frank, Jerusalem.

90 Seiten mit 52 Tafeln und 20 Plänen. 8°. Preis geheftet RM 6—
Sonderdruck aus Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins,

so gesehen haben. Und so kann auch Müncker nicht 1 soeben erschien:
umhin zu fordern, daß man Verdrängungen vermeide

und Hemmungen aus aufgestautem Schuldgefühl besei- j Aiic fdY 'ÄKSlItfl
tige, „das oft auf falschen Idealen beruhe". Der Wert HUD UCl A-*l dUO.

der Aussprache „auch außerhalb des Bußsakraments" '
wird anerkannt.

Nicht nur in der religiösen Grundhaltung, die überall
durchbricht, sondern auch in der ganzen Anlage des
Buches geht Müncker mit Tillmann konform, so daß ! B~nd 57 ng^C
auch äußerlich schon die Einheitlichkeit des Werkes j

ZU Tage tritt. (Im Übrigen verweisen wir auf die Be- Die Erforschung der 'Araba, der tiefen Senke vom Toten bis zum Roten
sprechung des dritten Bandes in Nr. — der „Theol. i Meer, um die sich im vorigen Jahrhundert viele Abendländer bemühten,
Lit-Ztc " ) war neuerdings fast ganz ins Stocken geraten. Der Jerusalemer Deutsche

.&- Fritz Frank hat sie jetzt wieder aufgenommen und auf zwei langen

Stettln- _Hugo btelter. , einsamen Fußwanderungen in den Wintern 1932/3 und 1933/4 eine Fülle

--'-- 1 von Beobachtungen gesammelt, die das Natur- und Geschichtsbild der

Lother, Prof. Lic. theol. Helmut: Neugermanische Religion abgelegenen Landschaft sehr bereichern. Das vorliegende erste Heft
und Christentum. Eine kirchengeschichtliche Vorlesung. Güters- bringt die von ihm während seiner Reisen gemachten Aufzeichnungen,
loh: C. Bertelsmann 1934. (IX, 171 S.) gr. 8°. kart. RM 4 - ; j Bilder und Pläne, ein großenteils völlig neues Material. In einem zweiten

geb. 5—. ' Hefte werden Albrecht AI t und LotharWic kert einige besonders wichtige
Unter der großen Zahl von Schriften, brauchbaren Fundgruppen bearbeiten, vor allem das erst jetzt überschaubar gewordene
und minderbrauchbaren, welche in letzter Zeit das obige | System der römischen Kastelle und Straßen, die nabatäischen, griechischen
brennende Thema behandelt haben, verdient diese Schrift i undlateinischenlnschnftenundd.eFelszeichnungendesvon Frank besuch-
Lothers eine sehr wohl verdiente Heraushebung. Dies ten 0ebiets- Em °r«er zu ««den Heften w.rd das Ganze ab-
ist ein Buch, das bleibenden Wert behält, und zwar
hohen Wert. Es ist auch mehr als eine kirchengeschichtliche
Vorlesung. Es gibt auch sehr feine,
tiefgreifende, grundsätzliche Auseinandersetzungen
mit der neugermanischen Religion, z. B. über Rasse und
Religion, Deutschgefühl und Gottesoffenbarung, Unsagbarkeit
und Dogma, Heroismus und Sünde und über
Selbstbegnadung und Sünde. Freilich der Hauptwert

schließen.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN
BUCHHANDLUNG IN LEIPZIG C1

Mit einer Prospektbeilage der J. C. M e tzl e r'sehen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart.
Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 16. März 1935.

Verantwortlich: Prof. D. W. Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14; für den Anzeigenteil: C. Kunze, Leipzig
Verlag der J. C. Hinri ch s'schen Buchhandlung in Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.