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Ausgabe:

1935 Nr. 5

Spalte:

83-84

Autor/Hrsg.:

Friedrichs, Gustav

Titel/Untertitel:

Die Grundlagen des germanischen Götterglaubens 1935

Rezensent:

Clemen, Carl

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83

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 5.

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zur Sprache, ferner die äußern Kennzeichen der ver- !
schiednen Stände und Sitten, die auch sonst kurz cha- I
rakterisiert werden, besonders die Yogin. Den Schluß
bilden „heilige Munis und Sektenstifter", sowie Götter- '
wagen und Tempel, deren Form vielleicht strenggenomr j
men wieder nicht mehr zur Religion im engsten Sinne
des Worts gehört, aber in so origineller und interessan-
ter Weise behandelt wird, daß man auch dafür dankbar
sein wird. Und das alles dient eben zur Erläuterung
von Abbildungen die man so vollständig nirgends sonst j
findet, ja die zum guten Teil aus schwer zugänglichen i
(meist natürlich englischen) Werken entlehnt sind. So
bildet dieses Heft einen ganz besonders wertvollen Be- !
standfeil des Bilderatlas — zugleich freilich den letzten, j
den sein Herausgeber noch selbst hat durchsehen kön- j
nen. Blickt man auf alle bisher erschienenen Hefte, i
die ich sämtlich in dieser Zeitschrift habe anzeigen j
können, zurück, so wird man ihm über das Grab hinaus j
für dieses Unternehmen, dem auch das Ausland kein '
andres an die Seite zu stellen hat, dauernd dankbar sein, i
Zugleich darf man wohl hoffen, daß es von irgendwelcher
sachverständigen Seite fortgesetzt wird — für einige
Lieferungen sind ja schon Bearbeiter gewonnen,
die auch auf dem Titel dieser letzten angeführt werden.
Bonn. Carl C1 em e n.

Friedrichs, Gustav: Die Grundlagen des germanischen Götterglaubens
. Leipzig: W. Heims 1934. (128 S. u. 11 Abb. a. 4 Taf.)
gr. 8°. RM 4.80

Aus deutschen Rätseln, Märchen, Sagen und Mythen
der verschiedensten Völker und auch biblischen
Stellen (der Erzählung vom Sündenfall, dem Gleichnis
vom reichen Mann und armen Lazarus, der Schilderung
Offb. Joh. 22,1 f.) glaubt Friedrichs schließen zu können,
daß „allen Wesen und Dingen des germanischen Glaubens
astronomische Erscheinungen zu Grunde liegen, die
in der verschiedensten Weise aufgefaßt sind" (15). Das
wird dann auf zahlreiche Mythen und Gestalten der
Edden angewandt, auch auf das Bild des Krodo, an
dem Fr. allerlei sieht, was wohl sonst noch niemand
entdeckt hatte und ebensowenig an der von ihm beigegebnen
Abbildung zu erkennen ist — außerdem hatte
schon Grimm (Deutsche Mythologie) das Bild vielmehr
auf einen slavischen Gott gedeutet, während ihn
Wirth in seiner Ura-Linda-Chronik allerdings wohl für
einen Gott der Ostsassen erklärt. Fr. sagt weiter von
den beiden Raben auf dem Bilde des h. Oswald im
Heiligenbuch von 1488, von denen der eine mit einer
goldnen Büchse und einem Brief um den Hals auf ihn
zufliegt, der andre mit einem Ring im Schnabel von
ihm weg, und die Jung (Germanische Götter und Helden
) und nach ihm Rosenberg (Der Mythos des 20.
Jahrhunderts) auf die Raben Odins gedeutet hatte (92):
„Der von Oswald wegfliegende Rabe stellt die am Morgen
von der Erde sich erhebende schwarze Neumondsnacht
dar, welche die Sonne als Ringlein der Welt bringt,
aber der auf ihn zufliegende Rabe ist die kommende
schwarze Neumondsnacht, die den zunehmenden Mond
als eine goldene Büchse und den Sternenhimmel als
ein Brieflein bringt." Endlich der angebliche Thronsessel
auf dem Bild der Kreuzabnahme Christi an den
Externstekien ist nach Fr. (43) „ein Symbol der Dämmerung
mit der Abend- und Morgendämmerung als Armen,
auf dem (auf wem?) während des Tages der blaue
Himmel als eine Gottheit sitzt". Doch will er später
(125) vielmehr auf dem Relief „Hödur, die winterliche
Vollmondsnacht, sehen, wie er den zu seiner Vollmondsnacht
gehörigen Vollmondstag als Baldurs Leichnam
trägt", und erkennt im übrigen an den Externsteinen
wieder allerlei Dinge, die bisher wohl noch niemand
gesehen hatte und auch auf den von ihm beigegebenen
Abbildungen niemand erkennen wird. Ist er in der
Beurteilung der Steine als des „größten germanischen
Heiligtums" von Teudts Germanischen Heiligtümern abhängig
, so hat er doch von den Widerlegungen dieser

und der andern vorher genannten Schriften keine Notiz
genommen und kennt auch sonst namentlich die neuere
(aber auch die ältere) Literatur über die germanische
Religion nur ganz unvollkommen. Daher ist er auf
diese wilden Phantasien gekommen, die hier nur deshalb
kurz besprochen werden sollten, um vor dem Buch
zu warnen.

Bonn. Carl Clernen.

Die Ura-Linda-Chronik. Übers, u. mit einer einführenden geschieh«.
Untersuche, hrsg. von Herman Wirth. Leipzig: Koehler & Amelang
1933. (323 S. u. 269 Abb. a. Taf.) 8°. geb. RM 9.60.

Im Jahre 1872 erschien in Holland die Ura-Linda-
Chronik (Het Oera Lindaboek) im Druck, herausgegeben
von Conrector I. G. Ottema. Sie beanspruchte,
friesische Urgeschichte und friesischen Urglauben in
Aufzeichnungen der Urzeit selbst darzustellen, die sich
in der Familie Over de Linden (ura Linda) als
kostbares Gut fortgeerbt hätten. Das Papier sah sehr
alt aus, die Schrift schien eine Runenschrift unbekannter
Gestaltung zu sein, die Sprache sollte Altfriesisch
sein. Nach dem Vermerk eines Abschreibers in ihr
selbst war sie 1256 n. Chr. abgeschrieben worden aus
Papieren, die aus der Flut gerettet waren. Besitzer der
Handschrift war ein ehemaliger Seemann Cornelius over
de Linden, der behauptete, von dem Vorhandensein der
Chronik in der Familie von je gewußt und sie 1848
von einer Tante empfangen zu haben. Die holländische
Wissenschaft ist mit dem Erzeugnis damals in einem
! schnellen und heftigen Kampfe gegen frisomanische
1 Kreise fertig geworden. Ich gebe zusammenfassend die
Hauptinstanzen. Das Papier ist ein modernes Maschinen-
; papier, das nicht viel älter als etwa 1850 sein kann und
1 künstlich alt gemacht wurde. Die Runenschrift istkünst-
I liehe moderne Neubildung. Das Altfriesisch wimmelt
1 von Hollandizismen, grammatischen Mißverständnissen
und ganz jungen modernen Worten. Die friesischen Ur-
; zeitnamen sind durch und durch unecht (z. B. „Jan",
I das mit dem griechischen „Jon" gleich gesetzt wird).
Das Datum für den Untergang Atlands, von dem die
Chronologie sämtlicher Stücke des Buchs ausgeht, 2193
v. Chr., berührt sich mit den traditionellen Sündflutdaten
und wird aus einem holländischen Kalender entnommen
sein. Die der freimaurerischen Gotteslehre und
zugleich den Schriftzeichen des Werks zugrunde liegende
Symbolik vom Jahresrad beruht auf dem Zusammenwerfen
von jul (Wintersonnenwende) und hjul (Rad)
und findet sich schon vorher in einer Schrift Anfang
der Fünfziger. Die Darstellung Buddhas ist abhängig
von Volney, Les ruines, einem 1783 erschienenen, in
maurerischen Kreisen auch Deutschlands und Hollands
zum Teil in Übersetzungen verbreiteten Werk. Es lohnt
deshalb auch nicht, auf die freimaurerische Religiosität
und den phantastischen historischen Unsinn des Werkes
mit irgend einem Wort einzugehen. Die Entstehung
der Handschrift ist zeitlich so eng begrenzt, wie man
nur wünschen kann. Für 1867 steht ihr Vorhandensein
fest. Die nachweislichen Abhängigkeiten lassen für ihre
langsame Entstehung die Mitte der Fünfziger als den
wahrscheinlichsten Einsatz erscheinen. Vorbereitungen
und Versuche können natürlich noch eine Reihe von
Jahren zurückliegen. Da Cornelius over de Linden das
Jahr 1848 als den Zeitpunkt genannt hat, da er in den
Besitz gelangte, mag man für sie bis 1848 zurückgehen.
Es handelt sich jedenfalls um eine mühselige langjährige
Arbeit.

Wenn H. Wirth jetzt diese Sache, die nicht nur
für die Fachwissenschaft, sondern für jeden mit Tatsachensinn
begabten Menschen erledigt ist, wieder hervorholt
, so bedient er sich im Wesentlichen folgender
Hilfsmittel. 1. Er erinnert an die Zeugnisse, die zu
Gunsten von Cornelius over de Linden beigebracht sind
dafür, daß er seit 1848 vom Vorhandensein der Handschrift
vielfach gesprochen hat, auch einmal einem militärischen
Vorgesetzten angeboten hat, sie ihm zu zeigen.