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Ausgabe:

1935 Nr. 3

Spalte:

62-64

Autor/Hrsg.:

Achelis, Thomas Otto

Titel/Untertitel:

Deutsche und dänische Schulen einer Schleswiger Grenzstadt im Wandel der Jahrhunderte 1935

Rezensent:

Renkewitz, Heinz

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Gl

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 3.

62

und es so sein macht, wie es ist." Mandel redet auch
vom „Abbau des Jenseits" und zitiert als Beleg für
seinen Abbau das Jenseits ein Wort Bindings: „Ich werde
das Leben nicht dadurch entwerten, daß ich hinter ihm
noch etwas erwarte." „Hier wird", so sagt Mandel von
seiner „christlichen" Religion, „die Vergänglichkeit und
der Tod nicht zum Elend und Jammertal, sondern zum
Übergang und Durchgang einer über alle Maßen großen
und herrlichen Weltwirklichkeit". Ein persönliches Fortleben
ist natürlich ausgeschlossen. Der Mensch taucht
auf und geht unter im großen Pan. Mit dem Problem
des Leides findet er sich so ab, daß er erklärt, man
müsse eben das Schicksal, das man hat, tapfer tragen
und er zitiert ein Wort von H. Kern, daß wir „die gute
und große Liebe" haben müssen „zum Schicksal und
zum Tode". Das Problem des Bösen ist für Mandel
dadurch erledigt, daß er sagt: „Das Willensubel des
Bösen ist jederzeit durch bewußte Öffnung für die in
uns waltende Gottheit zu bessern." „Wohl weiß er
von Schuld, aber deren Tilgung läßt er sich nicht abnehmen
und schenken, sondern er vollzieht sie selbst
im Tuii und Leiden und trägt sie innerlich zur Reifung
und Vertiefung." Das alles nennt Mandel Christentum,
im Sinne des wirklichen Jesus-Evangeliums: Nach Mandel
„ist das Evangelium ein ganz ungeheurer, unbändiger
Zukunfts- und Welterneuerungsglaube (ohne Sündenpessimismus
und Mittlerheil), ein aktivistischer Glaube
der Berge versetzt. Und dazu eine Hingabe, die alles
zu' opfern bereit ist, deren Zeichen das Kreuz ist. Das
ist nichts anderes als die heldische Frömmigkeit nordisch
-deutschen Wesens". Das Wesen dieser deutschen
Religion, die also offenbar auch die Religion des wirklichen
Jesus war, ist ihm die deutsche Mystik „als
eine unekstatisch und unvisionär fühlendwollende, wesenhaft
seelengründliche Gottesmystik immanenter Art, als
die nordischem Wesen genau entsprechende klassische
Wirklichkeitsmystik". Den Einwand, daß die Mystik
nichts spezifisch nordisch Arisches sei sondern „international
", begegnet Mandel mit der Behauptung, daß
zwischen Mvstik und Mystik große Unterschiede beständen
, die oben gekennzeichnete Mystik sei eben spezifisch
nordisch-arisch. Das ist nun schon unrichtig.
Denn die Mvstik des Mongolen Laotse trägt genau dieselben
Züge^ Nur ist sie ernster als die Mystik Man-
dels, denn°sie steht unter der furchtbaren Spannung, daß
sie mit der Wirklichkeit der Welt nicht fertig wird, was
Mandel so spielend vermag. Was soll man zu diesem
Buch Mandels nun sagen? Wenn dies die unserm nordisch
-arischen Seelentum artgemäße Religion ist, dann
ist dies Seelentum denkbar unernst und flach. Wieviel
tiefer und ernster quälen sich die „Heiden" Ostasiens
und Indiens mit Tod, Schuld und Leid ab! Auch unsere
germanischen, nichtchristlichen Vorfahren haben das getan
. Sie wußten, daß die Geldzahlung für einen Todschlag
keine Sühne war. Daher suchten sie Sühne durch
Opfer, und zwar durch Menschenopfer! Wieviel tiefer
ist die indische Idee, daß man in ungezählten Wiedergeburten
die Schuld abbüßen muß. Und sie hatten dann
doch die Erkenntnis, daß auch das nichts half. Nicht
wahr! Wenn ein Mörder eines Familienvaters auch
reumütig des Ermordeten Frau und Kinder ernähren
und versorgen würde, das Leben und die Liebe des Ermordeten
kann er nie ersetzen, das Leben dem Ermordeten
nie zurückgeben. Darum bleibt seine Schuld!
Und es ist eben Schuld vor Gott. Die alten Germanen
wußten aber wohl etwas vom Zorn der Götter. Sind
diese Arier nun unarisch gewesen? Von dem angeblich
uns artfremden, morgenländischen „Sündenpessimismus"
und Sühnegedanken waren sie ja doch noch nicht infiziert
. Und hatten ihn doch! Genau wie die arischen
Inder und Perser ihn hatten und haben. Nein, diese
Religion Mandels ist weder arisch noch deutsch. Es
ist eine verflachte Abart der sich auf der ganzen Erde
findenden Naturreligion, die allen ernsten Problemen
des Lebens gegenüber versagt. Welch Grauen vor dem

Tode lebt in allen ernsten Menschen aller Völker! Mandel
aber geht über das Sterben hinweg, als wäre es
, eine Kleinigkeit. Und so sich mit dem Leiden abfinden?
Ich möchte wohl wissen, wie Mandel damit wirklich
großem Leid begegnen will!

Aber noch das andere muß gesagt werden. Diese
Religion als echte Religion Jesu anzugeben, das ist doch
schlechterdings unmöglich. Und daß Mandel meint, seine
Religion könne je den Inhalt der Verkündigung einer
deutschen, christlichen Kirche bilden, das ist gro-
1 tesk! Verkündigung jeder christlichen Kirche wird stets
J das sein, was Mandel „dogmatisches Christentum" nennt,
oder es ist keine christliche Kirche mehr. Das bedeutet
: nicht „Orthodoxie", aber es bedeutet eben wirkliches
1 Christentum. Das hat Mandel nicht. Ich kann nicht begreifen
, wie Mandel noch Lust haben kann, Professor
J für systematische, christliche Theologie zu sein.
Ja, wie er das noch sein kann! Wo er doch sogar die
liberale Theologie als für die Neubelebung der Kirche
ungenügend ablehnt! Aber das sind Mandels persönliche
Angelegenheiten. Ich muß den gesamten Inhalt
dieser drei ersten Hefte ablehnen und bestreite mit aller
Entschiedenheit als Religionswissenschaftler, daß die
Voraussetzungen des ersten Heftes richtig sind. Damit
ist auch für mich dies dritte Heft untragbar.
Berlin. Johannes Witte.

A c h e 1 i s , Dr. Thomas Otto: Deutsche und dänische Schulen
einer Schleswiger Grenzstadt im Wandel der Jahrhunderte.
Hadersleben: W. I.. Schlitze 1934. (146 S.) 8°. RM 2.25.

Die vorliegende Geschichte des Schulwesens derStadt
Hadersleben, im an Dänemark abgetretenen Nordschleswig
gelegen, hat den Anspruch auf besondere Beachtung
. Sie ermöglicht ein „geschichtlich gerechtes Urteil
", zu welchem beizutragen der Verf. nach dem Vorwort
bestrebt ist, und sie dient damit dem Zweck, anstatt
in „verderblichem Kampf", der manche Fehler mit sich
gebracht hat, in „fruchtbarer Spannung" die sachlichen
Gegensätze sich auswirken zu lassen, und sie trägt
dadurch zu einer ersprießlichen Behandlung der Minderheitenfrage
bei. Der unparteiische und gerechte Geist,
in dem das Buch geschrieben ist, wird ihm in dem
engeren Kreis der daran Interessierten die Beachtung

i zuteil werden lassen, die es verdient.

Aber auch für jeden Deutschen, dem die Geschichte

| und das Schicksal der deutschen Minderheiten im Aus-

i land am Herzen liegt, und der mit den Verhältnissen,
unter denen evangelische Deutsche im Auslande leben,
bekannt werden will, ist das Buch von A. wichtig. Denn
es zeigt erstmalig aufgrund der amtlichen Quellen und
zahlreicher persönlicher Notizen und Veröffentlichungen
daran beteiligter Personen die Schulgeschichte einer
Schleswiger Grenzstadt. Da die Darstellung bis in die
Reformationszeit zurückgeht, haben wir eine Geschichte
des Bürgerschulwesens in einem kleinen Bezirk vor uns.
Die enge Verbindung zwischen Kirche und Schule in
früheren Jahrhunderten wird gezeigt, und die Bedeutung,
welche die Kirche für die Erhaltung des Volkstums nationaler
Minderheiten besitzt, tritt besonders in der Schilderung
der Kampfzeit des vorigen Jahrhunderts klar
zutage. Es waren gerade die Männer der Kirche, die in
dem Kampf um den dänischen Religionsunterricht in
der preußischen Zeit für eine Berücksichtigung der Wünsche
von Seiten der dänischsprechenden Bevölkerung eintraten
und damit mehr im Interesse einer weitschauenden
Politik handelten als die Vertreter des städtischen
Schulkollegiums, bei denen die Erinnerung an die dänische
Unterdrückungspolitik seit 1851 nachwirkte.

Allerdings wirkte sowohl in der dänischen als auch
in der deutschen Zeit bei dem Schulkollegium eine Auffassung
der Sprachverhältnisse mit, die wohl heute als
überwunden zu gelten hat, daß nämlich die Sprache als
selbständiges Rechtssubjekt angesehen wurde, das Anspruch
auf Herrschaft habe, woraus sich mit Notwen-

I digkeit die Forderung ergab, den Kampf um die Unter-