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Ausgabe:

1935 Nr. 3

Spalte:

53-54

Autor/Hrsg.:

Hermes, Rudolf

Titel/Untertitel:

Aus der Geschichte der deutschen evangleisch-reformierten Gemeinde in Hamburg 1935

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 3.

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Unbekannte ausländische Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege.
(Oeseluchtsfreund Bd. LXXXVI und separat Buchdruckerei Paul von Matt
& Cie. Stans 1932.)

Zürich. L. v. Muralt.

leitung gibt Rosenhagen eine kurze historische Übersicht
; er schildert die kryptocalvinistischen Streitigkeiten
, die Hinrichtung Krells und die Wirksamkeit Hoes
von Hoenegg in dem damals rein lutherischen Sachsen.

Hermes, Rudolf: Aus der Geschichte der Deutschen evan- I Die wenigen Glieder der sich um 1700 bescheiden ent-

gelisch-'reformierten Gemeinde in Hamburg. Hamburg: H. I wickelnden Gemeinde, fast ausschließlich französischer

Christian 1934. (vill, 213 S. u. mehr. Taf.) 8°. geb. RM 4-. i Herkunft, halten mehr oder weniger enge Beziehungen

Rose nhagen, Dr. Gustav: Geschichte der evangelisch-refor- j zum Hofe ^ Kurfürst entschließt sich zur Tole-

mierten Gemeinde in Dresden 1689-1835 Nach arehivalischen , rierung darm zur Privilegierung. Gelegentlich werden

Quellen bearbeitet. Dresden: C. Heinrich in Komm. 1934.r(194S. | auch ^ wfc schon Hamburgj Fürsprachen der

" Di? Geschichte der evangelisch-reformierten Gemein: ! Brandenburgischen Kurfürsten bezw. Preußischen Köni-

de in Hamburg ist um fast hundert Jahre älter als die ' gf vermittelnd und fordernd gewirkt haben. W,e in

der DresdeneröGemeinde. Abgesehen davon handelt es Hamburg so tritt auch hier allmählich das n.chtdeut-

sich in Hamburg wie in Dresden um eine Gemeinde, die , sehe Element zurück: die Glieder franzosischer Abstam-

- zunächst wenigstens - in doppelter Diaspora, der muug werden assimiliert und es entwickelt sich eine rem

des Glaubens und§ der des Volkstums lebte. In beiden deutsche üemeinde. In Hamburg starb 1686 der letzte

Gemeinden machten die um ihres Glaubens willen aus franzosische Prediger - der freilich der Gesan.tgemem-

Frankreich vertriebenen Calvinisten einen beträchtlichen gnoch.besondere Not gemacht hatte - und 1774 der

Prozentsatz aus Beide Gemeinden — allerdings Ham- , letzte, holländische Prediger, in Dresden ist die Ge-

W stSker als Dresden - haben unter der Haupt- ^inde bis etwa 1764 rein französisch, von da ab über-

uurg sxarKer dli> L/iputu _____ ___ Wiewen bis 1835 wnh nor-h Hu» frarr,nc srhon Mampn

Schwierigkeit der Diaspora, der Bestellung geeigneter
und ausreichender Geistlicher schwer und lange zu leiden
gehabt. . ...

Aber in Hamburg lagen die Verhaltnisse doch bedeutend
schwieriger als in Dresden. In Hamburg hat
das konfessionell lutherische Geistliche Ministerium die

wiegen bis 1835 wohl noch die französischen Namen,
aber der Charakter war nur noch schwach national
gemischt. Das recht gut gewordene Verhältnis zur lutherischen
Landeskirche zeigt sich z. B. darin, daß 1839
Volkmar Kohlschütter, der spätere Oberhofprediger und
Vizepräsident des lutherischen Landeskonsistoriums Hilfs-

Abhaltune reformierter Gottesdienste und den gemeinde- Prediger der reformierten. Gemeinde wurde und vor ihr

mäßigen Zusammenschluß der vornehmlich holländischen die Festpredigt aus Anlaß der Jubelfeier der Reformation

und französischen Calvinisten lange Zeit zu verhindern | in Sachsen hielt. Ebenso waren Pfarrer und Gemeinde-

eewußt Die kleinen Anfänge einer Haniburgischen Ge- j glieder hier wie auch in Leipzig seit 1833 eifrig für den

meinde reformierten Bekenntnisses in Stade (1588-1602)
sind immerhin nicht uninteressant und bezeugen die
letzten Anstrengungen eines Handelslebens an der
Schwinge. Vielseitiger wird das Leben der Hamburgischen
evangelisch-reformierten Gemeinde in Altona, wo
die Gemeinde sowohl schauenburgische, d. h. schleswigholsteinische
(1602—1641) wie auch dänische (1641 bis
1716) Privilegien genoß. Bei den eigenen, inneren
Schwierigkeiten der Gemeinde, ihren völkischen Gegensätzen
— zu den alten französischen Mitgliederl am ilien
kamen infolge der Aufhebung des Edikts von Nantes
immer weitere unruhige Zuzügler, dazu dann Deutsche
aus allen Gegenden und Holländer sehr verschiedener
Art und Haltung — und den Eifersüchteleien zwischen
Hamburg und Altona, die sich im Großen in den Auseinandersetzungen
zwischen Hamburg und Dänemark
wiederholten, die alle das Gemeindeleben stark beeinflussen
, ist über die rein äußerliche Ablehnung der Gemeindegestaltung
hinaus wenig vom konfessionellen Gegensatz
zu spüren. Weder der lebhafte Streittheologe
Westphal (f 1574), noch der Verfasser des „Calvinisten
Gottes" (1597) Philipp Nioolai, noch der bekannte
Gegner der Union Erdmann Neumeister (1721) berühren
die eigentliche Entwicklung der Gemeinde, die freilich
auch an den kirchlichen Glanzzeiten Hamburgs im 17.

Gustav Adolf-Verein tätig. Das Buch von Rosenhagen
ist besonders angenehm zu lesen, die Urkunden sind
im Anhang abgedruckt und stören den Gang der Darstellung
nicht.

Die Ausstattung beider Bücher mit interessanten
Bildern ist zu erwähnen. Der theologiegeschichtliche
Ertrag beider Schriften ist nicht sehr groß; das Gegenständliche
überwiegt ganz und gar.

Berlin. Otto Lerche.

Jursch, Hanna: Schleiermacher als Kirchenhistoriker. Buch 1:

Die Problemlage und die geschichtstheoretischen Grundlagen der
Schleiermacherschen Kirchengeschichte. Jena : 1-rommannsche Buchh.
1933. (VIII, 110 S.) gr. 8°. RM 3—

H. Jurschs Arbeit ist, von Heussi angeregt, sauber,
exakt und mit sicherer Methodik gearbeitet. Die Problemlage
, die sich aus den bisherigen Arbeiten über
das Thema ergibt, ist klar herausgestellt. J. zieht auch
ungedrucktes Material heran, so eine im Schleiermacher-
Archiv in Berlin aufbewahrte Nachschrift der Vorlesung
über Kirchengeschichte aus dem Winterhalbjahr 1821/22.
Eingehend werden die bisherigen Untersuchungen zum
Thema dargestellt und gewürdigt, so Wehrung, Mulert,
Süskind, aber auch zwei ungedruckt gebliebene Dissertationen
, eine Berliner von E. Bock „Schleiermacheis
historische Denkweise" 1921 und eine Leipziger von
Jahrhundert keinerlei Anteil hat (Schupp, RisF). — I E. Meister „Schleiermachers Gesehiehts- und Staatsauf-

Interessant ist, daß die Hausgemeinde des holländi- j fassung" 1922, werden besprochen. Der vorliegende

sehen Residenten, die lange Zeit dem Konsistorium, j erste Teil behandelt die methodischen Probleme der

und der Gemeinde ein Dornum Auge war, die dann aber Geschichtsforschung Schl.s, bei der naturgemäß außer

sogar zur Errichtung eines privaten Kirchensaales in der Kirchengeschichte die kurze Darstellung des theol.

Hamburg auf exterritorialem Gebiete führte, schließlich Studiums, die philosophische Ethik, das Leben Jesu, die

den Bestand der Gemeinde rettete, als die dänische Re- Akademie-Rede über den Begriff des großen Mannes

gierung den Altonaer Gemeindegliedern völlige Vertu- 1 und Verwandtes herangezogen ist. Ein noch ausstehender

gung über Gebäude und Vermögen des gemeinsamen 2. Teil soll die Kirchengeschichte im einzelnen behan-

Vermögens zusprach. Damals wurde wenigstens die Ge- , dein.

meinde als Institution gerettet und nun auch dem Einfluß Ich hebe, ohne Vollständigkeit zu beanspruchen, fol-

auswärtiger Souveräne entzogen. gende wichtige Probleme heraus: 1. Schl.s Geschichts-

Hermes' nicht immer glatt lesbare, mit vielen Ur- torschung steht im der Mitte zwischen dem rational kon-
kunden reichlich durchsetzte Darstellung behandelt in struicrenden Verfahren des deutschen Idealismus (Fich-
den weiteren Abschnitten die Zeiten 1716—1785 (Unter j te, Hegel) und der Hinwendung zur empirischen Fordern
Schutze des holländischen Residenten, Anerkennung schung der Folgezeit. Schi, sieht richtig, daß keine
durch den Senat 1785), 1806—1814 (Franzosenzeit) und apriorisch-spekulative Konstruktion das empirisch Ge-
1814—1857 (Zeit der Freiheit). — gebene erreichen kann. Aber er meint, in einem „Gegen-

Das Dresdener Bild ist schlichter und friedlicher: einander - halten" einer rationalen Begriffskonstruktion

die Geschichte ist um hundert Jahre kürzer. In der Ein- und des empirisch-historisch Gegebenen den Ausweg zu