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Ausgabe:

1935

Spalte:

50-51

Autor/Hrsg.:

Hoffmann, Richard Adolf

Titel/Untertitel:

Das Gottesbild Jesu 1935

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 3.

50

Das Buch ist insofern ein echter Schlatter, als wir Gottes benannte, war „Größe", mvaleumis. Darin wird

in der Hauptsache seine Ansichten über einen wesentlich
als Einheit gefaßten Gegenstand vernehmen. Der
Titel ist nicht so zu verstehen, als sollten die Bücher

die flache Mattigkeit seines Pharisäismus sichtbar." Sollte
man diese Auffassung auf das Lukasevangelium (9,43)
und andere urchristliche Schriften ausdehnen müssen?

des J. lediglich als Sammelbecken von Anschauungen Gut ist der wiederholte Hinweis darauf, daß die
dienen an &denen J. innerlich nicht beteiligt zu sein beste Josephusausgabe, die wir besitzen, die von Niese,
braucht Vielmehr wird die Art, wie hier die Religion j auch keinen in allen Stücken lesbaren Text bietet. Schlat-
und Theologie der Juden dargestellt ist, immer wieder ! ters Besserungsvorschläge sind vielfach sehr beherzigensaus
der Geistigkeit des J. heraus gedeutet. „Dem jüdi- ! wert. Mit Dank zu begrüßen sind endlich Sachregister
sehen Gemeingut", sagt Sch., „gab J. eine deutliche und
reiche Darstellung. Er zeigt uns in griechisches Denken
und griechische Rede gefaßten Pharisäismus und führt
uns damit zu derjenigen Bewegung im Judentum, die die
Herrschaft über die ganze Judenschaft, auch über die
in den griechischen Ländern angesiedelte, erlangt hat.
Es ist freilich ein gedämpfter Pharisäismus, den uns j Hoff mann, Prof. D. Richard Adolf: Das Gottesbild Jesu. Ham-
J. zeigt, gedämpft nicht nur von außen, weil J. in seiner bürg: P. Härtung 1Q34. (185 S.) kl. 8°. RM 3—.
ganzen Schriftstellerei apologetische Ziele verfolgt und Es ist nicht i,eicht) di€ses Buch rjchtig zu würdigen,
zu den Griechen zu sprechen versucht, geschwächt auch I Einerseits hat man nach vielen gelehrten (bes. textkri-

und Wortverzeichnis, mit denen das Buch schließt. So
sind die zahlreichen Einzelheiten, deren Zusammenstellung
die Hauptstärke des Werkes bildet, immer wieder
auffindbar.

Göttinnen. W. Bauer.

von innen, weil er sich in der griechischen Welt heimisch
zu machen sucht."

Daß Sch. aus gründlichster Kenntnis der Dinge heraus
redet, versteht sich von selbst. Doch betrifft diese
Kenntnis durchweg den Gegenstand, nicht die Literatur
über ihn, die völlig zurücktritt, auch kaum einmal stumme
Wirkung übt.

Die elf Kapitel tragen die folgenden Überschriften:

I. Der Schöpfer der Natur, 2. Der Herr der Menschheit,
3. Das Volk Gottes, 4. Die Frömmigkeit, 5. Die Gerechtigkeit
, 6. Der Freisinn, 7. Die pharisäische Bewegung
, 8. Die zelotische Bewegung, 9. Die gnostische
Gärung, 10. Das Verhältnis Israels zu den Völkern,

II. Das Kommende. Damit ist ihr Inhalt und sind die
Einzelheiten der jüdischen Theologie, für die J. als
Gewährsmann in Anspruch genommen wird, hinreichend
gekennzeichnet.

Es wird auch der Versuch unternommen, zu zeigen,
inwiefern die Darlegungen des J. mit andern etwa gleichzeitigen
Aussagen über das Judentum in Beziehung

tischen) Bemerkungen den Eindruck, eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung über das Gottesbild Jesu vor
sich zu haben; andrerseits aber spricht manches dagegen
: da ist einmal die Ausdrucksweise des Verf. zu
nennen, die den Leser eines wissenschaftlichen Buches
oft überrascht (ein Beispiel: zu Mtli. 20,15 „so gibt er
ihnen großzügig den vollen Denar, von dem diese armen
Teufel doch einen Tag leben können!" S. 34), ferner
aber auch die eigenartige Auswahl der benutzten Literatur
; außer Strack-Billerbeck's großem Kommentarwerk,
das der Verf. häufig zitiert, werden nur wenige Arbeiten
anderer Gelehrter erwähnt, von denen aber keine das
Zentrum der Untersuchungen H.'s berührt; und ein Buch>
wie Bultmann's „Jesus", das doch im Grunde auch eine
Darstellung des ,üottesbildes Jesu' ist, vermißt der Leser
. Warum hat der Verf. auf eine Auseinandersetzung
damit verzichtet? Ist es darum geschehen, weil er zu
oft zu anderen Ergebnissen kommt?

Das Buch bietet das Gottesbild Jesu in folgenden
6 Abschnitten: A) Der Geldgeber. B) Der Arbeitgeber.

stehen. Zu diesem Zweck werden Philo, das rabbini- I C) Der Sklavenhalter. D) Der große König. E) Der
sehe Schrifttum, auch wohl der Jude des Celsus heran- j himmlische Vater (1. Sündenvergebung; 2. Die Fürsorgezogen
. Doch mit Rücksicht auf den Raum sind hierbei ge). F) Der Richter des gerechten Ausgleichs. — Alle
der Sammlung enge Grenzen gezogen worden. Das ist | Überschriften, mit Ausnahme von D und E, überra-
im Grunde zu bedauern; denn das Thema des Buches | sehen. Sie erklären sich daher, daß der Verf. das
nennt einen Gegenstand, der nach erschöpfender Be- ! Gottesbild Jesu hauptsächlich aus den Gleichnissen der
handlung verlangt, damit der Benützer möglichst ent- j Synoptiker (bes. Aufmerksamkeit wird der lucanischen
lastet werde und nicht wieder selbst zu sammeln und j Sondertraditon geschenkt) zu gewinnen sucht. So bietet
zu sichten beginnen muß. Aber wir empfangen nur — das Gleichnis vom Schalksknecht (und einige andere
gewiß höchst dankenswerte und oft weitreichende — j Gleichnisse) die Grundlage für die Überschrift von A;
Anregungen und Hinweise, Anknüpfungspunkte und Ma- die Gleichnisse, in denen von einem Lohn die Rede ist
terialsammlungen, haben jedoch nur selten das Gefühl, , (vor allem das von den Arbeitern im Weinberge), die
den ganzen Stoff in der Hand zu haben, auf den ein Grundlage für B, usw. Hier muß aber auch gleich ein
eigenes Urteil sich gründen könnte. Noch weniger wer- ( Hauptbedenken gegen das Buch einsetzen: alle diese
den die Möglichkeiten erschöpft, unter denen sich das , Parabeln werden von H. allegorisch gedeutet und —
vorgelegte Material betrachten und behandeln läßt. Und mißdeutet. Was macht der Verf. nicht aus den Gleich-
fast völlig sieht sich der Leser auf sich selbst gestellt, nissen aus Luc. 15 (S. 61ff.)! Ich zitiere: „Durch dieses
wenn ihm nun die Fragen auftauchen, was für J. innerer Bild von der großen Freude Gottes über die Umkehr der
Besitz war, was äußere Form, was nur von anderen — j Sünder will Jesus wohl vor allem die innige Verbundener
schreibt von solchen ja in weitem Umfang ab — heit veranschaulichen, in der sich Gott zu den Menschen
ohne erhebliche Beteiligung seinerseits übernommen oder i stehend weiß, das tiefe Gemütsinteresse (!), das er an
gar lediglich Rhetorik zu Ruhm und Vorteil des eigenen ' ihrer moralischen Entwicklung (!) nimmt. . . Jedenfalls
Volkes und damit der eigenen Person. zeigt sich Jesus hier ... als der Sündenheiland, der
Wer, wie der Referent, in den Vorarbeiten für den { nicht bloß ein Herz für die Sünder hat, sondern auch
Artikel „Essener" bei Pauly-Wissowa an dem einen I volles Verständnis für das unendlich Schwere, das sie
oder anderen Punkt einmal selbständig mit tunlichster durch ihre Umkehr zuwege bringen müssen (!). . . Was
Erschöpfung des ganzen, für ihn in Frage kommenden, | hier gesühnt werden sollte, hat der Bußfertige selber
Stoffes an das vielgestaltige Problem „Josephus" her- gesühnt, die Hauptsache ist das großzügige Erbarmen
angegangen ist, wird mancherlei Wünsche unerfüllt sehen, des Vaters, das ebenso anerkannt, wie es reichlich spen-
Am wenigsten gelungen wird ihm wohl der Abschnitt det. Einer Sühne, und noch dazu einer blutigen Sühne,
über „die gnostische Gärung" vorkommen; teilweise von dritter Seite bedarf es da nicht. Was hier zwischen
eben deshalb, weil hier die Essener den Hauptteil des dem Kind und dem Vater vor sich geht, wird nur zwi-

Stoffes beisteuern, während doch J. gerade bei ihrer
Schilderung fast völlig unselbständig ist.

Auch die Urteile Schlatters befremden mitunter. So
sagt er S. 4: „Das Wort, mit dem J. die Überlegenheit

seilen ihnen allein ausgemacht" (S. 71ff.). Dies nur ein
Beispiel für viele. — Es ist verständlich, daß Paulus in
diesem Buch sehr schlecht wegkommen muß; das klingt
auch aus der Stelle heraus, wo H. feststellt: „Jesus ist