Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1935

Spalte:

46-47

Titel/Untertitel:

Von der Ernte zum Mehl 1935

Rezensent:

Staerk, Willy

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

45

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 3.

man zu dem kleinen Buch, besonders wenn man weiß,
mit wie hohen Plänen sich der Vf. trug. Eine umfassende
Geschichte der Bibel, wie sie ihm vorschwebte, übersteigt
wohl die Leistungsfähigkeit eines Einzelnen und
ist heute zu schreiben überhaupt noch nicht an der Zeit;
dazu sind die unerläßlichen Vorarbeiten noch nicht genügend
vorgeschritten. Und doch sind wir dem Verstorbenen
für sein posthumes Geschenk dankbar. Denn
schärfer noch als in seinem Artikel „The Bible in the
Christian Church" (Encvclopaedia of Religion and Ethics
II) hat er in der vorliegenden Schrift trotz angestrebter
Volkstümlichkeit der Darstellung umrissen, was eine
künftige Gesamtgeschichte der Bibel wird auszugestalten
haben. Was v. D. im einzelnen vom I. Kapitel (Entstehung
der Bibel) bis zum XII. und letzten (Die Bibel
in der Gegenwart) bietet, zeugt überall davon, wie er
neben eigener Forschung, besonders auf dem Gebiet der
älteren Zeit, die Ergebnisse andrer verfolgt, verarbeitet '
und mit eigenem Geist durchdrungen hat. Kennzeichnend
dafür ist u. a., was er S. 141 über Werden und
Wirkuno- der englischen und der französischen Bibel
ausführt im Vergleich mit Luthers Übersetzungstat, oder
der Hinweis auf die charakteristische Häufung biblischer
Personennamen unter den Puritanern von Massachusetts
in der auf die Pilgerväter folgenden Generation (S. 102). j
Bisweilen überläßt es v. D. der Aufmerksamkeit des
Lesers selbst, Verbindungen und Beziehungen herzustellen
zwischen getrennt behandelten Dingen. So wird man
sich bei den 4 Prophetenköpfen der Evangelienminiaturen
in dem alten Codex von Rossano (S. 68) an die
gleiche Art der „Biblia pauperum" erinnern, die neute-
stamentliche Begebenheit durch vier alttestamentliche
Propheten mehr oder minder deutlich ankündigen zu
lassen.

Noch sei auf die 16 Bildtafeln, durchweg Proben von
Handschriften bzw. Texten, und die dazu gegebenen Erläuterungen
ausdrücklich hingewiesen; sie werden auch
dem fachmännischen Leser willkommen sein, obgleich
manches nur mit der Lupe zu entziffern ist. —

Durch letztwillige Bestimmung hat v. D. seinen Nachlaß
zur Bibelgeschichte unserm Deutschen Bibel-Archiv
in Hamburg zugewiesen. In einem seiner nächsten Jahresberichte
gedenkt das Institut auf diesen Nachlaß näher
einzugehen und ihn so auch andern zu erschließen.

Nicht <ranz auf der Höhe heutigen Wissens steht das,
was v. D.liber die deutsche Bibel des Mittelalters bietet.
Während er hier im wesentlichen bei den Ergebnissen
Wilhelm Walthers stehen bleibt, findet er die glücklichste
Ergänzung durch das gleichzeitig in englischer Sprache
erschienene Werk von M. Reu. Ich stehe nicht an, dieses
Buch als die beste, ja eigentlich als die einzige zusammenfassende
Darstellung dessen zu bezeichnen, was die
Forschung bis heute über Werden und Wachsen der
deutschen Bibel ermittelt hat. Denn in der Behandlung
seines Themas „Luther's German Bible" geht R. von
der durchaus zutreffenden Erkenntnis aus, daß eine ,
richtige Würdigung dieser Leistung nur möglich ist auf j
Grund umfassenden Wissens um alles, was das Mittelalter
zum Verständnis und zur Verbreitung der biblischen
Bücher getan hatte. So erst erhält Luthers Werk das
richtige Licht „both as it is a continuation and a con-
trast to that of the middle ages" (S. VI). Der Verf. sagt
selbst im Vorwort, daß seine Ausführungen im vorliegenden
Buche im Gegensatz zu seinem großen Werk „Quellen
zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts im evangelischen
Deutschland zwischen 1530 und 1600" nicht
eigene Forschungsergebnisse, nicht Darbietungen aus
erster Hand darstellen. Aber es war hier wirklich ein j
Verdienst, zu einem möglichst einheitlichen Bild zusammenzutragen
, was andre entdeckt und an den verschiedensten
Stellen verstreut herausgegeben hatten. So er-
fährt man denn das Nötige über die lateinische Bibel |
des Mittelalters und ihre Verbreitung, über die mannig- i
fachen lateinischen Bibel-Auszüge, besonders auch über
die Historia scholastica und ihre Bearbeitung in den ver- |

sehiedensten Sprachen Europas. Des Recensenten eigene
Forschungen, Darstellungen und Ausgaben kommen hier
in einer Weise zu ihrem Recht, wie sie es in der Heimat
bisher noch nicht erlebten. Neben den seit Walther neu
bekannt gewordenen handschriftlichen und gedruckten
deutschen Voll- und Teilübersetzuiigen der Bicel finden
auch die Historienbibelin, die Plenarien sowie die typo-
logischen Erbauungsbücher die ihnen gebührende Berücksichtigung
. Und das alles wird nicht nur aufgezählt,
sondern auch durch reichliche Literatur-Nachweise, gros-
senteils auch durch Textproben erläutert und an gehöriger
Stelle eingereiht. Noch nicht genügend tritt die Bedeutung
der Bibel-Citate für die Bibelgeschichte hervor;
stellen doch z. B. die wörtlichen Anführungen des ahd.
Isidor „Contra Judaeos" und die in der „Homilia de
vocatione gentium" der Mondseer Fragmente das Älteste
dar, was wir von Psalmenverdeutschung überhaupt
haben. Bei der „Biblia pauperum" durfte das bedeutsame
Werk von Henrik Cornell nicht fehlen; auch seit
dem sind schon wieder neue handschriftliche Exemplare
aufgefunden worden. Ebenso wurden beim „Speculum
humanae salvationis" die zahlreichen Ergänzungen zu
Lutz-Perdrizet übersehn, die man bei Edgar Breitenbach
(Straßburg 1930) zusammengestellt findet.

Das alles ist nun für Reu nur Praeludium, das auf
sein eigentliches Thema: Luthers deutsche Bibel hinleitet
. Aber was er hier bietet, dürfte für den deutschen
Leser der Heimat weniger bedeutsam sein. Was hätte
ihm die englische Übersetzung der Vorlesungen Luthers
über die Psalmen und andrer exegetischer Stücke zu
sagen? Und an Zusammenstellungen der hierher gehörigen
Literatur ist bei uns auch kein Mangel. Die Frage
der Bekanntschaft Luthers mit früheren deutschen
Übertragungen ist durch die dem Vf. noch unbekannten
neuesten Untersuchungen und Veröffentlichungen des
Deutschen Bibel-Archivs zu Hamburg in neue Beleuchtung
gerückt. Dankbarer würde der deutsche Leser für
ein Eingehen auf die S. 284 offen bleibenden Fragen gewesen
sein: Einfluß der Lutherbibel auf die für die
Heidenwelt geschaffenen Bibelübersetzungen und Verbreitung
der Lutherbibel durch die deutsche Auswanderung
.

Auch hier sei die dankenswerte Bereicherung des
Buches durch 14 treffliche Bildtafeln erwähnt.

Schließlich sei noch die Frage erlaubt, ob bei so
umfangreichem Abdruck, wie sie der Vf. aus meinen
„Materialien" (bes. Bd. II und IV) und aus „Bibel
und deutsche Kultur" Bd. II vornimmt (24 Seiten in
Kleindruck!), nicht auch in Amerika genaue Quellen-
Angabe üblich ist.

Hamburg. Hans Vollmer.

Dalman, Gustaf: Arbeit und Sitte in Palästina. Bd. 3: Von

der Ernte zum Mehl. Ernten, Dreschen, Worfeln, Sieben, Verwahren,
Mahlen. Gütersloh: C.Bertelsmann 1933. (XI, 339 S. u. 71 Abb.)
gr. 8°. = Schriften d. Dtsch. Palästina-Instituts hrsg. v. G. Dalman 6.
Bd. — Beitr. z. Förderung christl. Theologie hrsg. v. A. Schlatter u.
W. Lütgert. 2. Reihe, Sammig. wiss. Monographien, 29. Bd.

kart. RM 18-; geb. 20.50.

Das Thema dieses 3. Bandes der groß angelegten
palästinischen Altertumskunde (vgl. die Anzeigen in 1928,
1929 und 1933 der ThLZ) ist die Ernte in der ganzen
Ausdehnung der darauf verwendeten menschlichen Arbeit
, von den klimatischen und meteorologischen Bedingungen
angefangen bis zur Verstauung des Drusches und
der Vermahlung. Die innere Gliederung ist dadurch gegeben
: 1. Die Ernte, 2. Die Tennenarbeiten, 3. Die Herstellung
von Mehl und Grütze. In diesem Rahmen hat
der kundige Verf. wieder die erstaunliche Fülle seiner
Kenntnisse des heiligen Landes und seiner Lebens- und
Arbeitsbedingungen ausgebreitet. Seinem scharf beobachtenden
Auge und seiner antiquarischen Gelehrsamkeit
dürfte wohl nichts entgangen sein, was irgend von
Bedeutung ist für die landwirtschaftliche Tätigkeit auf
dem Ackerboden, auf der Dreschtenne und der Mühle.