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Ausgabe:

1935 Nr. 26

Spalte:

473-474

Autor/Hrsg.:

Doerr, Otmar

Titel/Untertitel:

Das Institut der Inclusen in Süddeutschland 1935

Rezensent:

Bossert, Gottlob Christoph

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 26.

474

Die Arbeit, die im Auftrag des Instituts für neuzeitliche Volksbil- wollte er den Leser mit diesen Fragen verschonen, die

dungsarbeit (Sitz Dortmund) doch wohl übereilt angefertigt worden ist, 1 doch jedem aufsteigen, der etwa Haucks oder Schuberts

hält nicht, was der Titel zu versprechen scheint. Eine dürftige Kompi- kurze Ausführungen über die In- oder Reclusen nachliest

lation vor allem aus Haucks Kirchengeschichte Deutschlands und aus oder sich bej Grützmacher ™ der Realencyklopädie be-

von Schuberts Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter sowie fch ,~ßt Hier M ^ katholische Betrachtung der

aus verschiedenen Lehrbuchern, aber ohne spurbare Kenntnis der ver- , .. „ .. , ,9 ,. ., , , °

. , p. „„„„,,„ ' T „,m Th„„o t- n ,„,- F^r„. ,w HPr mehr äußerlichen Organisation weit ab von der evange-

streuten neueren Einzelforschung zum Inema (z. B. zur frage der Her- & &

kunft Pirmins) und ohne wirkliches Verständnis für die schwierigen und techen Frage nach dem Seligwerden. Der Vf. weiß,

reizvollen Probleme der Missionsgeschichte Deutschlands. Namen, Daten daß noch viele Fragen auf dem Weg der Lokalforschung

und mitunter recht fragwürdige „Tatsachen" werden schematisch zu- ZU lösen Stttld, Z. B. nach der Ursache des Niedergangs

sammengestellt, wobei kleinere und größere Fehler häufig begegnen j des Inelusentums, das nach Seiner Ansicht weniger vom

(S. 34 z. B. erhebt Otto Iii. Posen zum Erzbistum; in der überflüssiger- 1 Beginentum verdrängt wurde, sondern sich eher zu eige-

weise beigegebenen Zeittafel, S. 38-44, ist an entsprechender Stelle richtig nen Klosterbildungen aUSVVUchs Und von den Klöstern

Onesen zu lesen). Dazu Urteile, die dort, wo sie übernommen sind, aufoesosen wurde

meist mehr oder minder zutreffen, dort, wo sie selbständig zu sein . , , ,.- , •, . . . ,rP

scheinen, meist den gängigen Urteilen katholischer Darstellungen ent- 1 Als Beispiel einer LokaltorschUIlg gibt dann der Vt.

sprechen oder gradezu töricht genannt werden müssen: so etwa die j einen Überbii-ck über die Inclusen in Regensburg, ihren

Urteile über die Seuche des Arianismus oder diejenigen über den Katho- Zusammenhang mit den IrOiSchotten, mit Klöstern und

üzismus der Burgunder, über Otto i., dessen Missionsmethode (?) Kirchen und die reichen Zuwendungen an sie. Er for-

„eigentlich noch geistloser als die karolingische" gewesen sei, usw. Sie , d,ert m solcher Lokalforschung auf, Um künftighin ein

stehen z. T. im Dienst der Tendenz: die angeblich nur gewaltsame Be- eingeherld(erieS Bild von dieser eigenartigen m. a. Erschei-

l<ehrung des späteren deutschen Ostens - auch die vom „wutschnaubenden , & ; h können
Karl gemordeten „4000 Sachsen" fehlen nicht - ,bei deren Schilderung

der VTendenkreuzzug merkwürdigerweise vergessen wurde, ist der geschichtliche
Untergrund für die Ausbreitung der Reformation, „die
Deutschland in zwei Teile zerrissen hat". Hingegen hat Bonifatius „das
Oliedbewulltsein leuchtender emporgezeigt", da er „garz deutlich" gespürt
habe, „daß kein Christ auf die Dauer der auch rechtlich fundierten
Hiererarchie entbehren könne." — Die Karten stehen mit ihrer malerischen
Aufmachung an Deutlichkeit und Verläßlichkeit hinter den entsprechenden
Karten im Deutschen Kulturatlas ganz erheblich zurück.
Das Heft stellt leider keine Bereicherung der Literatur zur Kirchengeschichte
des Mittelalters dar und ist wohl auch für ernste Volksbildungsarbeit
, selbst als Stoffsammlung, kaum brauchbar.

Halle a. S. E. Wolf.

Doerr, Otmar: Das Institut der Inclusen in Süddeutschland.

Münster i. W.: Aschendorff 1934. (XVI, 168 S.) gr. 8°. = Beiträge
zur Geschichte des alten Mönchtums u. d. Benediktinerordens. H. 18.

RM 8.25 ; geb. 9.75.

Es ist erfreulich, daß sich der Benediktinerorden bemüht
, die m. a. Frömmigkeit aufzuhellen. Uns Protestanten
liegt das Anachoretentum so fern, daß wir uns
nur schwer in eine Erscheinung wie das Inciusentum einleben
können. Der Vf. unterscheidet die Inclusen als die
Eingeschlossenen von den Eremiten als den Einsamen.
Bei den Quellen kommt er auf Grimlaicus zu sprechen
und sucht dessen Heimat in Metz, nicht in Rheims. Auch

Daß er die Inclusen nach S. XV erst im 10. Jh. in
Deutschiland auftreten läßt, ist ein Versehen, das sich
aus der Ausführung S. 28 richtigstellen läßt. Daß er das
gedruckte Material auch in seiner Zusammenstellung der
Inclusen in Süddeutschland nicht ganz ausgeschöpft hat,
zeigt das Übersehen der Galluszelle bei Überlingen, die
im J. 1406 in den Regesta episcop. Constant. 3,143 Nr.
7953 genannt ist. Trotz dieser Zusammenstellung werden
die Inclusen nicht zu häufig sich finden in Süddeutschland
in dem strengen Sinn der Eingemauerten
oder Eingeschlossenen. Es ist richtig, daß der Begriff
Klausur, Klause und Klausner in der Geschichte der
Volksfrömmigkeit durch die Lokalforschung noch mehr
zu klären ist. Man wird dem Vf. gerne zugestehen, daß
es ihm gelungen ist, ein Gesamtbild des Inelusentums
zu zeichnen. Aber er hat recht, wenn er von der Einzelforschung
weitere Vorarbeiten fordert; diese weiden
nicht bloß lokalgeschichtlicher, sondern auch psychologischer
Art sein müssen.

Horb a. N. G. Boss er t.

Thimme, Hans: Christ! Bedeutung für Luthers Glauben.

Unter Zugrundelegung des Römerbrief-, des Hebräerbrief-, des Galater-

Ak^ j Zt ,.^,Anft rW pntrlicrtwn CWHp Anrmpn Rmrlp bnefkommentars von 1531 u. der Disputationen. Gütersloh: C

die Verfasserschaft der englischen Quelle Aneren K wie Berteismann 1033 m i^si»« um k_

stellt er in Frage. Als Quellen nennt er neben Nekro-

logien und Anniversarien auch Predigten und Briefe
und eine reiche Mitteilung aus diesen Quellen wäre erwünscht
gewesen. Es lag schon eine reiche Literatur
über das Inciusentum besonders in Frankreich und England
vor. Auf Grund derselben entwirft der Vf. ein eingehendes
Bild von der Entwicklung des Inelusentums
im Abendland und vom Leben derselben, um dann einen

Bertelsmann 1933. (XI, 167 S.) 8°. RM 5-

Die Arbeit des Verf. stellt seine unabhängig von mir,
wenn auch nicht ohne Beeinflussung durch meine Publikationen
entstandene Diss. dar, die in Marburg zunächst
als Preisarbeit der dortigen Fakultät vorgelegen hat und
dann von mir als Promotionsschrift angenommen worden
ist.

Es handelt sich bei dieser Studie um den Versuch ein-

Überblick über das Inciusentum in den süddeutschen mal ein,er Analyse der komplexen, z. T. recht widerBistümern
, denen er auch Eichstätt, Würzburg, Wien und
Linz zuzählt, zu geben. Er läßt die Frage nach dem Ursprung
im Orient offen und will sein Hochkommen in
Gallien im 6. Jahrhundert auf dem Weg über Irland und
dessen Bußdisziplin erklären. Wünschenswert wäre ein

spruchsvoll erscheinenden christologischen Aussagen Luthers
anhand intensiver Erfassung charakteristischer
Quellenstücke und zweitens um eine wirklich systematische
Durchdringung der so gewonnenen Aussagen,
d. h. den Versuch ihrer Zurückführung auf ihre systema-

Hinweis darauf gewesen ob und wie das Inciusentum | tlsche Einheitswurzel, aus der sie in ihrer inneren Be-
mit der hl. Schrift in Zusammenhang gebracht wurde. ! dingtheit und Notwendigkeit erst verständlich werden.
Wurde es nur mit dem Gedanken des der Welt Abge- j Auf diesem letzteren grundsätzlichen Gesichtspunkt, der
storbenseins erklärt? So tun es die angeführten Predig- erst m..der Uber bietung bloßer Statistik und histori-
ten bei der Einschließung. Wohl schildert der Vf. die i fcher Ätiologie ein prinzipielles oder (wie ich auch sagen
Glut der religiösen Begeisterung und die Vorsicht der ! konnte) theologisches Verstehen ermöglicht
Kirche, in Konzilsbeschlüssen diese in feste Regeln zu s,ieht> wie etwa in meiner Untersuchung über Lu-
bannen. Aber über allen Fragen der äußeren Organisa- ; thers Gottesgedanken so auch hier der eigentliche Aktion
steht die Frage nach dem tatsächlichen Leben. Und | zei" °er Arbeit.

da möchte man nicht bloß von dem Ritual der Ein- Verf. analysiert demgemäß in einem ersten, 4 Kapitel
Schließung und der vita contemplativa und activa, der ; umfassenden Hauptteil je zwei besonders bedeutsame
Nahrung, Kleidung und Körperpflege hören, auch nicht ; Dokumente aus Luthers Frühzeit (Römer- und Hebräerbloß
von der Einwirkung auf die Außenwelt als oft an- ! briefvorlesung) und aus der Periode des späteren Luther
gegangene Berater in leiblichen und seelischen Nöten, (großer Galaterkommentar und Disputationen). Die ihn
sondern hörte gerne mehr von den Seelenkämpfen und ; dabei leitenden, durch den Quellenbefund zu verifizieren-
Versuchungen, die der Vf. nur sehr kurz erwähnt, als ' den methodischen Grundsätze bzw. Vorausfetzun-