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Ausgabe:

1935 Nr. 25

Spalte:

463-464

Titel/Untertitel:

Der Kampf um die Autorität der Kirche 1935

Rezensent:

Fascher, Erich

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Seite 1

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463 Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 25. 464

1933 gehalten und geschrieben sind. Sie umspannen die das Loblied des Sehers Steiner sangen, dennoch ver-
die Zeit von der Welt der Aufklärung, aus der Carl ; möge dieser Duldsamkeit in Thüringens Kirche als
August von Sadhsen-Weimar kam, die auch die Anfänge „Lutheraner" geduldet wurden. Die vom Verfasser
des Freiherrn von Stein berührt hat, bis zu den Proble- versuchte Behebung der Schwierigkeiten des Ver-
men der jüngsten Vergangenheit, da Parteihader in hältnisses von Landeskirche und Nationalkirche ist
Deutschland herrschte, als man von einer dumpfen, wü- m. E. auch nicht stichhaltig für den, der über eine libe-
sten Gährung der Zeit reden konnte (S. 38, 59), als das j rale und kulturprotestantische Haltung hinausgewachsen
Reich uimdroht war von äußeren und inneren Gefahren ist (und das ist wohl der größte Teil der Kriegsteil-
(S. 215). Die im Heidelberger Schloßhof 1930 gehaltene nehmer samt der nachfolgenden jüngeren Generation).
Rede von der Räumung der besetzten Gebiete gedenken Die Schwierigkeit liegt nicht im Glauben an die Verwirkeiner
Etappe in der Befreiung unseres geknechteten, lichung dieser nationalkirchlichen Idee (einen solchen
trotz allem ungebeugten Volkes von den Mißhandlungen Glauben, wenn er echt ist, wird man mit Denkopera-
seiner Feinde in den besetzten Gebieten, in die Zukunft tionen oder theologischen Argumenten gewiß nicht zerweisen
die Heidelberger Reden von den Wandlungen ! stören), sondern ganz einfach darin, daß dieser Glaube
des großdeutschen Gedankens und über Österreich und i die Fesseln einer aus parlamentarischem Denken ge-
der Anschluß. Einen Überblick über die Beziehungen i borenen Verfassung wird sprengen müssen; denn die
zwischen Rheinland, Preußen und Deutschland von den Nationalkirche wird und kann nicht ein Gebilde sein,
Befreiungskriegen bis zur Gegenwart gibt ein Aufsatz ; welches gleichsam als Abstellraum für einen aus dem
von 1926. — Der größere Teil des Buches ist Persönlich- Gebiet des Politischen vertriebenen Parlamentarismus
keiten unserer deutschen Geschichten gewidmet — auch dient, sondern sie wird mit der Zeit — genau wie die
Peter von Meyendorff, den russischen Diplomaten der | politische Bewegung ihr Programm — so als religiöse
Restaurationszeit am preußischen Hof rechne ich ihnen ; Bewegung ihr Bekenntnis formen. Dann ist also diese
zu — oder knüpft an diese an. Kampf um Einheit und 1 Verfassung nicht dazu da, um unter dem Kennwort
Formung der Reiches wird von mannigfachen Ansatz- | „Freiheit und Duldsamkeit" neben Orthodoxen, Volkspunkten
her beleuchtet. Preußen und Reich in Carl Au- kirchenbündlern und Dialektikern auch deutschchristliche
gusts Geschichte bildet den Auftakt, dem Johannes von I Nationalkirchler zu dulden, sondern dieser Glaube wird
Müller in Weimar sich anschließt. Steins Vermächtnis J und muß eine aus parlamentarischem Denken geborene

an Staat und Nation ist eine glänzende Charakteristik
Den Beschluß dieser Gruppe machen zwei Aufsätze über
den Badenser Franz v. Roggenbach und über Kiderlen-
Wächter, — letztere ohne Zweifel am unerquicklichsten,
nicht durch die Schuld des Verfassers, sondern durch die
des Objekts seiner Schilderung.

Die Meisterhand des Gestalters macht das Lesen dieser
Aufsätze zu einem Genuß.

Haclersleben, Nordschleswig. Th. O. A c h c 1 i s.

Der Kampf um die Autorität der Kirche. Eine Auseinandersetzung
des Landeskirchenrats der Thüringer evangelischen Kirche mit der
Bekenntnisfront. Jena: Eugen Diederichs 1935. (64 S.) 8°. RM 1.80.
Die mit einem ernsten und würdigen Vorwort des
Thüringer Landesbischofs versehene Schrift ist das Werk
eines temperamentvollen früheren Eisenacher Kirchenrates
, der an der Gestaltung der Thüringischen Landeskirche
und ihrer Verfassung stark beteiligt gewesen ist.
Daher versteht sich die Leidenschaft, mit der der Einbruch
eines illegalen Bruderrats in Thüringens bisher
friedliche Kirche abgewehrt wird, wie der Hervorhebung
des wichtigen § 3 der Kirchenverfassung, wonach Thüringens
Kirche bei evangelischer Grundhaltung ein Hort
religiöser Freiheit und Duldsamkeit sein will. Sehr geschickt
ist die an Lutherzitate anknüpfende Behandlung
der Fragen: Staat und Kirche, Glaube und Kirchenverfassung
, Offenbarung und Geschichte. Der aufmerksame
Leser wird freilich herausfinden, daß über der volkskirch- i 9*0 en bergbetrud) t Utigen Don 21 Ibred) t O C p ke.
liehen und reichlich parlamentarischen Einstellung des , 1935. 64 6. 3JI. 1.50

Verfassung innerlich überwinden. Um diese Entscheidung
wird man auch in Thüringen nicht herumkommen.
Das muß allen denen gesagt werden, welche in etwas
verächtlicher Weise in Thüringens Landeskirche ein Stück
des überlebten Liberalismus sehen, das sich in die neue
Zeit hineingerettet hat. Es wird überall um Bekennen
und Bekenntnis gekämpft, auch bei den Deutschen Christen
. Es fragt sich nur, wie dieses Bekenntnis einmal
aussehen wird.

Jena Erich Fase her.

3n jrociter Auflage erschien foeben:

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©in Wort über bie Springer „Seutfcfjert <£f)riften"
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1. Sic beutfdje @cf,d)id)tc als Speilsgefchicrjte. 2. Sas <Rctd) als
©leidjnis bes ©ottesreiches. 3. „Ghriftus ift unfere Äraft".
4. 3)cr erotge Ghriftus. 5. Sie beutferje 9Iatioiialhird)e.

2>er 2Jlgtljits

Verfassers, der sich als Vertreter altliberaler Theologie
offenbart, diejenigen Fragen, welche das Wesen einer
bekennenden Kirche betreffen, zu leicht genommen oder
zu schnell abgetan werden. Ein theologisch anders gerichteter
Pfarrer kann schon deshalb mit dem Verfasser

1. llmbrud)!

2. Sie neue <ffieltgefd)id)te

3. 6rjrien in Seurfchjanb

4. Äöln gegen 9*om unb Wittenberg

in Konflikt geraten, weil er in dem viel behandelten § 3 5- OTt>tl>us unb «»angeHum

statt der Worte „Sie will eine Heimat evangelischer Freiheit
und Duldsamkeit sein" (siehe den vollen Text auf
S. 53) den Akzent auf den vorhergehenden Satz legt:
„Die Quelle ihrer Verkündigung ist Jesus Christus und
sein Evangelium. Sie ist ihrem Ursprung und Wesen
nach eine Kirche lutherischen Bekenntnisses". Es leidet
für den, der Thüringens Kirche seit Jahr und Tag kennt, ,

gar keinen Zweifel, daß der Akzent sehr oft vom luthe- j 21. ©etcfyertf d)C 55crlogsbud)QOnOlUng, «tpjjig

rischen Bekenntnis auf die Freiheit und Duldsamkeit verschoben
war, so daß z. B. anthroposophische Pfarrer,

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 21. Dezember 1935.

3n bie breimeiibe religiöfe ^3robtemftetlunn greift
biefe 6djri|t fodjhunbig unb jelbftänbig ein, ffritifd)
abroägenb 'inb zugleich pofitio oufbauenb, bringt fie
bie rjeute fo notroenbine Klärung.

Verantwortlich: Prof. D.W. Bauer in Göttingen, Düstere Eiclienweg 14.
Verla? der J. C. H i n r i c Ii s'schen Buchhandlung in Leipzig C 1, Scheristraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.