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1935 Nr. 25

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461

Titel/Untertitel:

Ansprachen auf die kirchlichen Zeiten : 1, Vom Advent bis zum ersten Sonntag nach der Oktav von Epiphanie 1935

Rezensent:

Lempp, Eduard

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461

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 25.

462

wenn es ein wissenschaftliches Buch im strengen Sinne
des Wortes nicht ist!

Göttingen. H. Dörries.

Die Schriften des honigfließenden Lehrers Bernhard von
Clairvaux: Nach der Übertragung von Dr. M. Agnes Wolters, S.
O. Cist., hrsg. von der Abtei Mehrerau durch Dr. P. Eberh. Friedrich
, S. O. Cist. Mit e. Geleit«-, von D. D. Franciscus Janssens,
Gen. Abt. (Erste dt. Ges. Ausg. 11 Bde.) Bd. 1 : Ansprachen auf die
kirchl. Zeiten. Buch Vi. Wittlich: Georg Fischer [1934] (235 u. 32
S.) 8°. Vorzugspr. zus. RM 3.20 ; Lw. 4.40.

In 11 Bänden soll eine Gesamtausgabe aller echten
Schriften Bernhards von Clairvaux zum erstenmal in
deutscher Übersetzung von der Zisterzienser Abtei Mehrerau
herausgegeben werden. Die vorliegenden beiden
Bände enthalten die Sermones de tempore, Ansprachen
des Heiligen auf die kirchlichen Zeiten an die Mönche
seines Klosters gerichtet. Die von der Zisterzienserin
Dr. M. Wolters gefertigte Übersetzung ist gewiß eine
sehr mühevolle und große Arbeit gewesen, da die uns
oft so fremden Gedankengänge und das prägnante
Latein des Heiligen der Übertragung in ein verständliches
Deutsch große Schwierigkeiten entgegenstellen. Die
hier gegebene deutsche Übersetzung liest sich ganz gut,
gibt deli Inhalt des Originals zutreffend wieder und
bietet daher eine wesentliche Erleichterung für das Studium
Bernhards. _

Der Generalabt des Zisterzienserordens wirft in seinem
Geleitwort die Frage auf, ob denn der h. Bernhard
dem Menschen des 20. Jahrhunderts auch noch etwas
zu sagen habe, und bejaht die Frage mit Hinweis auf
die hereinbrechende Gottlosigkeit, die einen neuen Kreuzprediger
und Kreuzzugprediger brauche. Aber ich glaube
, daß zweierlei besonders einer Wirkung dieser Predigten
auf den modernen Menschen im Wege steht,
erstens die Art des Schriftgebrauchs: so staunenswert die
hier zutagetretende Kenntnis der h. Schrift ist, so sehr
wird sie doch auch für den, der auf seine Bibel sich
gründen will, entwertet durch die damals freilich all-
gemein gebräuchliche, hier fast ausschließlich angewandte
allegorische Auslegung, die dem Prediger erlaubt,
eigene, dem ursprünglichen Sinn völlig fern liegende
Gedanken in Worte der Bibel einzulegen und so den
Schein zu erwecken, als ob das Vorgetragene auf die
h. Schrift sich gründe. Das zweite Hindernis für die
Wirkung dieser* Predigten auf den modernen Menschen
liegt in dem extremen Pessimismus, der in den Reden
herrscht. Die Erde, deren natürlicher Zustand und gesetzmäßiger
Aufbau dem Redner völlig unbekannt ist, ist
ihm nur der Schauplatz fortwährender wütender und
hinterlistiger Angriffe teuflischer Geister, das Leben,
besonders des Leibesleben eine Kette von Versuchungen
zur Sünde, so daß man Gott eigentlich nur dadurch
wohlgefällig werden kann, daß man die Welt flieht und
den Leib quält, wodurch man aber, wie eben diese Predigten
deutlich zeigen, ihn erst nicht innerlich beherrscht,
sondern nur um so mehr reizt. Dem Optimismus des
modernen Menschen ist die Natur, die er kennen und
beherrschen gelernt hat, ein Gegenstand berechtigten Genusses
und auch die enttäuschenden Lebenserfahrungen
nur ein Antrieb zu immer größerer Energieentfaltung
zu ihrer Überwindung. So wünschenswert nun es wäre,
daß dieser oft so oberflächliche Optimismus, zumal
da die Grenzen zwischen gut und böse durch die philosophische
Entwicklungslehre undeutlich zu werden drohen
, in seine Schranken gerufen würde, so fürchte ich
doch, daß der Mann des 12. Jahrhunderts dazu nicht
imstande ist, weil die Kluft zwischen seiner und unserer
Zeit allzugroß ist und auch die biblische Begründung
für unsere Erkenntnis nicht zureicht.
Stuttgart. Ed. Lempp.

[Luther:] D.Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe.
Briefwechsel 2. Bd. 1520-1522. Weimar: H. Böhlau 1931. (X, 649
S.) Lex. 8°. in Subskr. RM 32.80.

Der vorliegende Band gelangt leider — nicht durch
Verschulden des Rezensenten — recht verspätet zur
Anzeige. Er umfaßt den Briefwechsel Luthers von Ende
Jan. 1520 bis Ende 1522 in der für diese Abteilung der
WA festgelegten Einrichtung, gegen die einige Bedenken
zu wiederholen oder neu vorzubringen darum m. E. jetzt
nicht mehr Gelegenheit ist.

Man muß es dankbar begrüßen, daß die trotz aller
Bemühungen in der von Enders eröffneten letzten Aus-
1 gäbe des Briefwechsels Luthers bisher für eine exakte
Edition immer noch in erheblichem Umfang zu leistende
I Arbeit so sicher und energisch aufgenommen worden
| ist, wie es dem für diese Abteilung der WA besonders
„zuständigen" Herausgeber, O. C 1 e m e n, dank seiner
I mannigfachen Vorarbeiten möglich ist. Die Schwierig-
; keit der Aufgabe macht man sich nur klar, wenn man
i selbst sich an ihr versucht. Dann kann man auch fesr-
i stellen, daß noch mancherlei nicht bis zum letzten Ende
gebracht worden ist, z. T. infolge der Unübersichtlich-
! keit der Literatur — in deren Anführung übrigens eine
j gewollte Einschränkung vorzuliegen scheint —, z. T. in*
i folge des Standes der Forschung. Dennoch hätte m. E.
i zu den Briefen von Jan./Febr. 1522, die die Wittenber-
i ger Zustände berühren, K. Müllers Luther und Karlstadt
. 1907 nicht außer Acht gelassen werden dürfen,
wie es geschehen zu sein scheint. — Das „secundum
faciem" im Brief an Amsdorf vom 13. Jan. 1522 (423/
424) wird kaum mit Walch als „auf den ersten Blick"
zu verstehen sein, sondern meint, worauf auch K. Müller
aufmerksam macht, ganz unverkennbar den spiritualisti-
schen Verkehr mit Gott bei den Zvvickauer Profeten.

In Nr. 397 liegt endlich der einzige Brief Luthers
aus Worms vom April 1521, vor dem entscheidenden
Verhör an Joh. Cuspinian nach Wien gerichtet, in unverderbtem
Wortlaut vor, nachdem man ihn seit der
Vorlage De Wertes mit seltsamen Lesefehlern lateinisch
und deutsch abgedruckt hatte. Die Berichtigung zu Enders
3,122 in Enders 17,139 sei allerdings wenigstens
hier notiert. Der Kommentar zu diesem Brief ist übrigens
ein Beispiel dafür, daß noch manches zu tun ist.
Er bleibt bei der schwierigsten Frage, nämlich bei der
nach dem „leiblichen Bruder" Cuspinians, im wesentlichen
bei den Mutmaßungen Th. Haases von 1889 stehen
und beschäftigt sich mit einem Neffen Cuspinians,
einem Würzburger Kanonikus, oder sucht, da Luther
gelegentlich caro für uxor gebraucht, nach einem Schwager
des Wiener Humanisten. Die erforderlichen Nachrichten
über einen Bruder Cuspinians, Niklas Spießhei-
mer, der in jenen Tagen wirklich in Worms gewesen
zu sein scheint, hätten herangezogen werden können.
Man findet sie jetzt bei der z. T. ausführlicher erläuterten
Wiedergabe desselben Briefs in: Joh. Cuspinians
Briefwechsel. Ges., hrsg. u. erl. von H. Ankwicz v. Kleehoven
. 1933, S. 117 f. —

Daß bei dem recht komplizierten Satz in der Briefwechselabteilung
der WA Druckversehen verhältnismäßig
selten vorkommen, bestätigt die Sorgfalt und Mühe der
geleisteten Arbeit, die mit ihrem Ertrag immer wieder
lehrt, wie weit erst der Briefwechsel Luthers historisch
aufgeschlossen werden muß, um dann in seiner ganzen
Lebendigkeit zu einem späten Leser reden zu können.
Man wird es auch dem vorliegenden Band nachrühmen
| müssen, daß ihm nächst der Feststellung eines verläß-
i liehen Textes dieses Aufschließen mustergültig gelungen
; ist, trotzdem mancherorts das letzte Ziel noch nicht erreicht
ist oder noch nicht erreicht werden konnte.
Halle a. S. E.Wolf.

Andreas, Prof. Dr. Willy: Kämpfe um Volk und Reich. Aufsätze
und Reden zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrh.
Stuttgart: Deutsche Vcrlagsanstalt [1934]. (290 S.) gr. 8°.

, , geb. RM 6.80.

Der bekannte Heidelberger Historiker, den Theologen
vornehmlich bekannt als Verfasser von „Deutschland
vor der Reformation", legt hier eine Sammlung von
Reden und Aufsätzen vor, die in den Jahren 1924 bis