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Ausgabe:

1935

Spalte:

449-453

Titel/Untertitel:

Apostelgeschichte und Briefe des Apostels Paulus 1935

Rezensent:

Windisch, Hans

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. hermann dörries, Göttingen, und Prof. ü. Dr. georg wobbermin, Berlin

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrßheften. Bearbeitet v. Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, u.Lic.H. SEESEMANN

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte und jrelchrfe Mitrrilungen iind I u s b c h I i r 11 i eh an Professor D. BAUER in Göttingen, Düstere Eichen weg 14, tu senden,
Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. Gewähr für Besprechung von unverlangt gesamllen Rezensionsexemplaren
, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, kann nicht Übernommen werden.

Frinted in Germany.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1
60. JAHRGANG. Nr. 25 7. DEZEMBER 1935

Spalte

Andreas: Kämpfe um Volk und Reich
(Achelis)..................462

Athanasius Werke (Krüger).........453

Crawford: Anglo- Saxon Influeiice on
Western Christendom 600—S00. (Dörries) 458

Göll er: Papsttum und Bullgewalt in spätrömischer
u. frühmittelalterl. Zeit (Koch) . 455

Spalte

Heim buch er: Die Orden und Kongregationen
der katholischen Kirche (Dörries) 459

Der Kampf um die Autorität der Kirche
(Fascher)..................463

|Luther:| D. Martin Luthers Werke (Wolf) 461

Luther: Neutestamentliches Wörterbuch
(Seesemann I................453

Spalte

Das Neue Testament Deutsch (Windisch). . 449
Rückert: Die Christianisierung der Germanen
(Wolffj...............457

Die Schriften des honigfließenden Lehrers
Bernhard von Clairvaux (Lempp) .... 461

Das Neue Testament Deutsch. Neues Göttinger Bibelwerk. Unter
Mitwirkung von H. W. Beyer, F. Büchsei, F. Hauck, G. Heinzelmann,
J. Jeremias, A. Oepke, H. Rendtorff, J. Schniewind, H. Strathmann
u H -D. Wendland t hrsg. v. Paul Althaus und Johannes Behm.
3 Bd Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1933/35. (400 S.) gr. 8°.

geb. RM 14.50

Über Charakter und Absicht dieses Bibelwerkes ist
bei der Besprechung des zweiten Bandes (1933, 23) gehandelt
worden. Jetzt liegt der dritte Band abgeschlosr
sen vor, während vom 1. Band das Hauptstück des Matthäus
und der ganze Lukas noch aussteht. Dieser Band 3
bringt die deuteropaulinischen und katholischen Briefe
und die Offenbarung des Johannes.

Die Mischung von paulinischem und unpaulinischem
Gehalt die die Pastor albriefe aufweisen, sucht
Joach.'j e re m i a s durch die Annahme zu erklären, daß 1
diese Briefe in Auftrag des Paulus wohl auf Grund vor-
heriger mündlicher Anweisung und unter seiner Mitarbeit
geschrieben sind. Der neue Stil zwingt dann freilich zu
der Feststelluno-, daß Paulus abermals einen Stilwechsel
vorgenommen hat: früher (Kol. Eph.) von der Redeweise
der kynisch-stoischen Ethiker zu den Wendungen der
kleinasiatischen Kultsprache, jetzt zu den feierlichen Formeln
des Hofstils. Damit ist freilich nur e l n e Seite berührt
; es wird denn auch noch anderswo stärkere Berührung
mit der Alltagssprache der hellenistischen Welt
und der Popularphilosophie — ich würde hinzufügen:
der jüdisch-hellenistischen „Weisheit" — anerkannt. Dies
letztgenannte Moment hätte in der Auslegung stärker
betont werden müssen, so vor allem zu II. Tim. 3,16,
dem Wort über die Abzweckung der h. Schriften, —
wo mir das Charakteristischste, die nüchterne Abzwek-
kung auf die moralische Ertüchtigung, zu fehlen scheint.

Im Ganzen ist die Auslegung flüssig, anregend und
auch originell. So in der Deutung der christologischen
Stellen. In dem Christuslied [. Tim. 3,16 findet J. das
altorientalische Thronbesteigungszeremoniell wiedergegeben
mit seinen drei Akten Erhöhung, Präsentation und
Inthronisation; ich habe Zweifel, ob sich die drei Doppel-
zeiler des Liedes wirklich mit diesen drei Akten decken
(am wenigsten der dritte). Ebensowenig möchte ich in
den Formeln I.Tim. 2, 5 die drei munera Jesu angedeutet
finden — ich verweise auf einen bald in ZNT erscheinenden
Aufsatz ,Zur Christologie der Pastoralbriefe'. Dagegen
stimme ich zu, wenn auch J. Tit. 3,13 die Beziehung
des „großen Gottes" auf Jesus ablehnt.

Die Irrlehrer der Past. sind nach J. vorwiegend
Judenchristen, die sich auf gnostische Spekulationen '

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über das A.T. einlassen. Diese Deutung deckt sicher
einen großen Teil der Aussagen. Leider macht J. von
da aus nicht klar, was denn unter den „Antithesen"
der fälschlich sogenannten Gnosis I. Tim. 6, 20 zu verstehen
ist, wenn sie judaistischer Herkunft gewesen
sind.

Die Vorliebe der verdienten Theologenfamilie Jeremias für einen
orientalisch-biblischen Mythenstil kommt auch in diesem Kommentar
gelegentlich zum Ausdruck. So sollen wir bei der „Stufe" I Tim 3, 13
an die Stufen denken, die zum himmlischen Thron, also zu Gott selbst
führen. Und das glaubensstarke Wort von der guten Schöpfung I Tim
4, 4 muH aus der Petrusvision Apg. 10, 9ff. erklärt werden: Das Tuch
mit den vier Zipfeln versinnbildlicht das Weltall mit seinen vier Weltecken
und das dazu gehörige Wort 10, 15 verkündigt, dali die erlöste
Schöpfung rein ist. Mir scheinen beide Erklärungen zu weit hergeholt.
Und selbst wenn Apg. 10 von J. richtig erklärt wäre — diese Geheimnisse
brauchen wir nicht zu wissen, wenn wir das schlichte Wort I Tim
4, 4, das aus der jüdisch-christlich-hellenistischen Weisheit erschöpfend
zu erklären ist, verstehen wollen.

Der besonders schwierigen Aufgabe, den Brief an
die Hebräer, sachgemäß, gemeinverständlich und erbaulich
auszulegen, hat sich H. Strathmann in vorzüglicher
Weise unterzogen. Er läßt den Leser etwas
spüren von der Schwierigkeit gewisser Einzelstellen, von
der Fremdartigkeit der Bibelexegese des Autors; aber
was erklärbar ist, macht er wirklich klar, und immer
wieder betont er, daß das Anliegen des Briefs ein praktisches
ist und daß seine Theologie auf einfaches hinaus
will: Sündenvergebung, Gottesgemeinschaft.

Str. setzt den Hebr. in die Zeit um 80. Der Vf. hat
Beziehung zum paulinischen Kreis und hat Kenntnis von
der alexandrinisch-jüdischen Religionsphilosophie, deren
dem Hebr. parallele Sätze und Begriffe der Vf. mehrfach
heranzieht.

In der Auslegung ist der C h ris t usl eh re besondere Aufmerksamkeit
gewidmet, wenn man auch eine zusammenfassende Darlegung (in einem
größeren Exkurs) vermißt. Was den „Menschensohn" 2, 6 anlangt,
würde ich nicht sagen, hier liege eine Spur der aus Dan 7 stammenden
messianischen Bezeichnung Jesu vor, vielmehr: hier zeigt sich, daß
neben Daniel 7 auch Ps 8 eine Quelle dieser Bezeichnung Jesu ist —
von Daniel 7 weiß Hebr nichts. Beachtenswert ist die Beziehung der
schwierigen Wendung ,mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt' 2, 9 auf
die hohepriesterliche Würde Jesu. Damit fallen gewisse Schwierigkeiten
hinweg; aber können die Worte das bedeuten, verlangt diese Deutung
nicht die Einfügung einer Einsetzung Jesu zum Hohenpriester vor der
Passion, wovon wir sonst nichts hören, und weist die fragliche Wendung
nicht eindeutig auf die „Erhöhung"? In dem schwierigen Passus 5,
7-10 ist der rätselhafte Ausdruck „erhört" nicht recht erklärt (vgl.
die Konjektur Harnacks: nicht erhört!). Zu 6, 1 würde ich lieber betonen
, daß das Eigentümlich-Christliche in der Aufzählung der Lehr-

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