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Ausgabe:

1935 Nr. 24

Spalte:

447

Titel/Untertitel:

Die Armenbibel des Serai 1935

Rezensent:

Jursch, Hanna

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Seite 1

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447 Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 24. 448

sich durchaus mit der Entwicklungs- und Vererbungs- Bülck, Prof. D. Walter: Praktische Theologie. Eine Einführung,
lehre, daß die menschliche Seele unmittelbaren Leipzig: Quelle & Meyer 1934. (l37 S.) kl. 8°. = Wissenschaft u.
Gott ihren Ursprung habe,, also nicht durch Vererbung Bildung 296. Geb. RM 1.80.
entstehe. Von den praktischen Folgerungen ist das Fest- Das Büchlein gibt sowohl dem Studenten der Theohalten
an der Ablehnung der zwangsweisen Sterilisierung logie eine gute Einführung als auch dem Laien eine einwichtig
; für den Katholizismus bleibe es gültig, daß nur drucksvolle Übersicht. Auch der im Amt stehende Theo-
Erziehung, Anstaltsverwahrung und Enthaltsamkeit in , löge empfängt manche Anregung und Weisung, zuwei-
Frage komme, und dem Staate sei zu raten, von Ge- len aus kurzen Bemerkungen Bülcks mehr als sonst aus
Wissenszwang abzusehen. langen Abhandlungen. Den eigenen Standpunkt auszu-
Das Buch ist volkstümlich gehalten. Die Ausdruckst ist oft führen und zu begründen,, war in dem kleinen Büchlein
nicht nach unserem Geschmack; z.B. wenn zur Bergpredigt gesagt wird: : "'cht der Ort; SO können wir uns mit ihm auch nicht
„In einer lieblichen Landschaft, nicht weit vom lachenden See, finden auseinandersetzen. Bülcks Urteil ist in jeder Hinsicht
wir den Herrn auf der Höhe eines Hügels, umgeben von den Jüngern maßvoll und stellt vielfach eine Mitte dar, was gerade
und von einer großen Volksschar. Ein schöner Teppich ist im Tempel für ein solches Büchlein ein Vorzug ist, wenn es dadurch
der Natur ausgebreitet, durchwirkt mit Lilien, wie kein Gewand eines I aucn zuweilen etwas matt ist. Die Ergebnisse und
orientalischen Königs sie trug Die Vöglein in den Zweigen singen ihre ' Standpunkte der gegenwärtigen Praktischen Theologie

Lieder sorgloser Zufriedenheit. Begeistert lauschen die Menschen auf das •_j ' • j„,+u„t, „Ho „Q..„..i__:±„a „u„q a.,H

Lied der Freiheit, das das neue Reich verkündet." (S. 74). - Bezeich- | S!< ^ e man deutlich merkt, alle Vera, beitet ohne daß
nend sind nüchterne Urteile wie: „Man darf eben nicht vergessen, daß I flch BV!,ck elner Richtung verschrieben hatte Gewünscht
ein bestimmtes Ausmaß natürlicher Lebensbedingungen normalerweise i hatte ich eine stärkere Berücksichtigung der geistigen
nicht entbehrt werden kann, wenn man die sittliche Treue wahren will." i und seelischen Problemen der Gegenwart. Über das
(S. 55). — Den Evangelischen gegenüber redet er recht ehrerbietig, so [ Verhältnis ZU Philosophie, Kultur, Kunst, Weltanschail-
im Zusammenhang mit dem Zölibat: „Ferne sei es von mir, die Ach- , ung der Zeit Sollte in einem solchen Büchlein etwas ZU
tung vor jenen edlen Männern zu verringern, die in der evangelischen finden sein. Die einzelnen Zweige der Praktischen Theo-
Kirche ihre Gemeinde betreuen und zugleich eine Gattin zur Seite ha- j logie werden alle berührt Und die verschiedenen Aufben
, die sich um die Erreichung des gleichen Zieles müht. Das evan- ben umrissen. Bülck geht so vor daß er zuerst die
gelische Pfarrhaus ist immer eine Statte der Tugend gewesen. (S. 149). fa ■ . er _ u -u u- i ja: u n
Sogar der ökumenische Weg Söderbloms wird als vorbildlich bezeichnet : vorhandenen Formen nach ihrem geschichtlichen Gewoi-
(S. 169), eine Ansicht, die man damals von katholischer Seite nicht ; densein darstellt, sie dann prüft, ob sie sachgemäß sind
hörte! — Anthropomorphe Bibelstellen werden symbolisch gedeutet, und ob sie der heutigen Lage entsprechen und genügen,
„Daß er (der erste Mensch) vom Gegenstande seiner Sehnsucht träumte, und dann zeigt, wie die Kirche sowohl wesensgemäß
ist nicht verwunderlich. So war es ihm, als ob Gott selbst etwas aus ) als auch zweckmäßig und zeitentsprechend in der gegen-
seiner Seite nahm, vom Herzen weg, um daraus das Weib aufzubauen ... " , wärtigen Lage Und an den heutigen Menschen ZU han-
(S. 107). — Kunstgeschichtlich bemerkenswert ist es, daß die bekannte ; dein hat. Mit gleichem Ernst soll das Evangelium, die
Darstellung in der Sixtina nicht als Erschaffung Adams aufgefaßt wird, j kirchiiche Tradition und die Gegenwartswirklichkeit er-
st"omsedeite't wirf Schließung des Urquells des Erb- | faßt Allerdings Hegt geröade in dem V e r h ä 11 -

n i s dieser drei Größen die Schwierigkeit, mit der sich

Stroms gedeutet wird.

Heidelberg. Wilhelm Knevels.

Deissmann, Prof. D. Adolf, und Dr. Hans W e g e n e r: Die Arnien-
bibel des Serai. Rotulus Seragliensis Nr. 52. Berlin : W. de Gruy-
ter & Co. 1934. (48 S. u. 41 Taf.) gr. 8°. RM 12-.

A. Deißmann fand im Jahre 1927 den Pergament-
Rotulus Seragliensis Nr. 52 bei einem Besuch in Konstantinopel
. Was hat die Wissenschaft durch Heraus

zu befassen die nächste Aufgabe der Praktischen Theologie
sein sollte.

Heidelberg. Wilhelm Knevels.

Soeben erschien:

Origenes Werke.

gäbe dieses Rotulus gewonnen? j Zehnter Band. Origenes Matthäuserklärung I:

1) Sie hat ein neues Exemplar der bekannten Biblia
Pauperum erhalten, das einzige Exemplar in Rollen-

Die griechisch erhaltenen Tomoi.

form, das von diesem Gegenstande existiert, eines der ! Herausgegeben im Auftrage der Kirchenväter-Commission der Preußischen
vier nichtdeutschen Exemplare, das vermutlich eine ober

italienische Kopie eines süddeutschen Originals ist. Vielleicht
ist es das Handexemplar eines Künstlers, der nach
dieser Vorlage Armenbibeln anfertigte.

2) Der Rotulus wird nicht nur beschrieben, ja nicht
nur in die Tradition eingeordnet, sondern zur Rekonstruktion
eines bisher fehlenden Gliedes in der Armen-
bibeltradition herangezogen. Durch eine sorgfältige Ver-
gleichung des Rotulus mit dem ihm ähnlichen 40 blättrigen
Blockbuch läßt sich die gemeinsame Vorstufe ermitteln
. Der Rotulus zeigt den älteren Bildtypus und
steht der gesuchten Überlieferung sehr nahe. Diese
Handschrift x stellt aber den bisher unbekannten Zusammenhang
zwischen der von den ältesten bayrischen
Handschriften sich abzweigenden westlichen Gruppe und
dem Blockbuch dar. So wird durch den Fund die sehr
schwierige Entwicklung der Armenbibeltradition in eine
neue Beleuchtung gerückt.

Zum Schluß noch eine Einzelheit: die Zusammenstellung
von Propheten und Königen scheint sich mir

zwangloser aus typologischen Erwägungen, als aus dem i _ •■»«•""««•. geheftet RM 24.—

Hinweis auf Luk. 10,24 zu ergeben. Die Könige als
die leiblichen Ahnherrn Christi sind mit den Propheten
als den Kündern des Erscheinens Christi zusammengeordnet
, die Beziehung auf Christus ist das Tertium com-

parationis. VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN

Jena n jursch BUCHHANDLUNG IN LEIPZIG Ct

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 7. Dezember 1935.

Akademie der Wissenschaften unter Mitwirkung von Lic. Dr. Ernst Benz
Von D. Dr. Erich KlOStermann, Professor in Halle a. S.

XIII, 304 Seiten. 8°. 1935.

Die Griechischen Christi. Schriftsteller der ersten drei
Jahrhunderte. Band 40,1.

Der zehnte Band der Werke des Origenes bringt die Erklärung
zu Matth. 13, 36 — 22,37 in ganz neuer Gestalt.
Das gilt nicht nur von dem griechischen Text, den man
bis heute im wesentlichen in der Herstellung von P. D.
Huet vom Jahre 1668 las. Es gilt noch mehr von der
mit Matth. 16, 13 einsetzenden altlateinischen Uebersetzung,
für die immer noch der ganz unzureichende Erstdruck von
J. Merlins vom Jahre 1512 maßgebend war. Die neue Ausgabe
vermag das Handschriftenmaterial, für den Griechen
wie für den Lateiner, zum ersten Mal wirklich auszunutzen
und durch ständiges Vergleichen beider Textformen der
Urgestalt des Origenes selbst erheblich näher zu kommen
als ihre Vorgänger. Sie bedeutet für den griechischen
wie den lateinischen Text noch einmal eine editio prineeps.
Der vorliegenden ersten Hälfte des Bandes soll die zweite
1936 nachfolgen.

3B

Verantwortlich : Proi. D. W. B a u e r in Göttingen, Düstere Eichenweg 14.
Verlag der .1. C. H i n r i c h s'schen Buchhandlung in Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.