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Ausgabe:

1935 Nr. 23

Spalte:

413-414

Autor/Hrsg.:

Michaelis, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Brief des Paulus an die Philipper 1935

Rezensent:

Michel, Otto

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413

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 23.

414

der Verfasser auf der richtigen Fährte, wenn er in
dem Beispiel von et-täbga einen Mischtypus erblickt, der
„von außerpalästinischen Baugedanken" abhängig ist?
Für letzteres ist nicht entscheidend, daß Palästina kulturell
zu keiner Zeit eine entscheidende und führende
Rolle spielte und so auch „architekturgeschichtlich niemals
irgendwie eine richtunggebende Rolle gespielt" hat.
Denn gegen letzteres sprechen die zahlreichen Kopien
der Grabeskirche im Abendland. Aber hiergegen kann
nun wieder eingewandt werden, daß es sich bei der Grabeskirche
um einen besonderen Fall von Heiligkeitswert,
nicht aber um einen Typus handelt. Entscheidend ist
die durch die Typentafeln I bis III veranschaulichte Geschichte
de; Typus der Transeptbasilika. Diese wird
dem Verfasser "recht geben, zumal er die Entstehung 1
dieses Typus sehr einleuchtend aus dem durch den Märtyrerkultus
gesteigerten Raumbedürfiiis erklärt und sie
in die konstantinische Zeit verlegt.

Von den literarischen Zeugnissen, die sich auf die
wiederaufgedeckte Kirche beziehen, sind eigentlich nur
zwei eindeutig und wertvoll: die des Paulus Diaconus,
die aus einer älteren Quelle — nach Gamurrini aus den
verlorengegangenen Stücken der Peregrinatio Aetheriae
— schöpft^ und der des Arculf. Wenn die Quelle des er-
steren wirklich Ende des 4. Jahrhunderts festzulegen
ist, so haben wir daran ein hervorragendes Zeugnis für j
das Vorhandensein des Baues in jener Zeit, ein besse-
KS als die fragwürdige Ergänzung der Mosaikinschrift
S. 53f. Arculf würde, wenn der Verfasser mit seiner
Auffassung des Textes gegen Mickley recht hat, bezeu- I
gen, daß die Kirche um 670 zerstört war.

Die größte Bereicherung erfährt unsere Kenntnis |
altchristlicher Kunst durch die bedeutsamen Boden<mo-
saiken, welche „ein letztes Aufleuchten der nunmehr unaufhaltsam
dahinschwindenden und dennoch unsterb-
lieben Schönheit der Antike" darstellen. Die Motive: |
Vögel und Tiere in Sumpflandschaft sind die altüberlieferten
; der Lotus verrät ihre Herkunft aus Aegypten
und erst recht der Nilmesser, falls die Striche und Zählbuchstaben
an dem turmartigen Bau richtig gedeutet sind.
Aber diese ererbten Motive sind mit palästinensischem
Lokalkolorit durchgeführt. Nicht Weinranken, sondern
eher die Ranken der einheimischen Zaunrübe (Bryonia)
sind verwandt, Wasservögel, wie sie in den nördlichen
Seen Palästinas vorkommen, sind kopiert, ebenso der
Klippdachs u. a. m., sodaß man hier für einen Bilderatlas
die älteste einheimische Darstellung dieser Wesen
hat. Alle die Tierdarstellungen und alle anderen Mosaikmuster
könnten sich so in einer spätantiken Villa finden
S. 66, weshalb der Verfasser sie in die Zeit hineinrückt,
wo man sich erst in die neugestellten Aufgaben religiöser
Raumkunst hineinfinden mußte. Und das war das 4.
Jahrhundert, genauer seine zweite Hälfte. Das einzige
christliche Motiv gehört nicht dem ältesten Mosaikboden,
sondern der zweiten Bauperiode an. Es ist der von zwei
Fischen flankierte Korb mit Broten hinter dem Altar,
eine Darstellung, welche die Bezeichnung „Brotvenneh-
rungskirche" rechtfertigt.

Die Publikation enthält auf knappem Raum alles
für die Kenntnisnahme und Beurteilung Wesentliche,
besonnen beurteilt unter Heranziehung eines ausgedehnten
Vergleichsmateriales. Zur Beurteilung der künstlerischen
Wirkung wäre eine farbige Reproduktion wenigstens
des besten Stückes wünschenswert gewesen..
Die bildnerische und zeichnerische Ausstattung des Bändchens
ist reichhaltig und geschickt. Alles in allem: ein
Werkchen, gleich wertvoll für den Kirchen- wie den
Kunsthistoriker.
Goslar am Harz. Hugo D u e n s i n g.

Michaelis, Prof. D. Wilh.: Der Brief des Paulus an die Philipper
. Leipzig: A. Deichert 1935. (VIII, 77 S.) 4°. = Theol.

Handkommentar zum Neuen Testament XI. RM 1.90; geb. 3—.
Im theologischen Handkommentar zum N.T. erschien
zum Philipperbrief die Erklärung von W. Michaelis

(Leipzig 1935). Die Einleitung gibt als Abfassungsort:
Ephesus, als Abfassungszeit den Ausgang des Winters
54—55 an (etwa Februar). In einem zusammenfassenden
Schlußabsatz (Ergebnisse S. 75) findet der Verf.,
daß sich die ephesinische Arbeitshypothese in der Auslegung
des Phil, bewährt habe (1), daß unser Brief ein
Gefangenschaftsbrief sei, und von dem apostolisch-missionarischen
und brüderlich - seelsorgerlichen Charisma
des Paulus zeuge (2), daß weiterhin die theologischen
Gedanken des Phil, sich dem Gesamtgefüge der paülmischten
Theologie gut einordnen (3). Bei der Übersetzung
des Textes fällt auf, daß der Verf. nicht nur übertragen,
sondern auch umschreiben und erläutern will; im Gegensatz
zu der getragenen und gewählten Ausdrucksweise
Lohmeyers ist die Sprache M.'s bewußt einfach, fast
prosaisch zu nennen, manchmal erscheint sie vielleicht
als zu wenig geformt. Lohmcyer übersetzt Phil. 1,21:
„Denn mir ist das Leben Christus, und das Sterben Gewinn
"; M. holt weiter aus: „So lange ich am Leben
bin, wird Christus sich an mir mächtig erweisen: die Verkündigung
Christi wird ja der Inhalt meines Lebens
sein. Und wenn ich einmal im Dienst meines Herrn
sterben muß und auch darin Er sich mächtig an mir
erweisen wird — nun, so wird das zwar Abbruch dieses
Lebens für Christus sein und somit freilich ein Schade,
für mich persönlich aber ein Gewinn." In der Ein/.el-
exegese stellt M. manche Zuspitzung der Lohmeyer-
sehen Gedanken und Thesen richtig, umreißt aber
nicht immer scharf genug den eigenen Standpunkt (Exkurs
2 wehrt z. B. fast nur ab). Wertvoll sind für einen
Kommentar die biblisch theologischen Exkurse, die einen
Einblick geben in die exegetische Tendenz und Methodik
des Verfassers; hier ist auch der Ort, an dem er in
besonderer Weise aus der Einzelexegese in den Zusammenhang
der biblischen Gedankenwelt führen kann. Dem
Kommentar von M. ist nachzusagen, daß er sich wirklich
um die Erfassung des biblischen Textes bemüht und
daß er die biblisch theologische Aufgabe ernst nimmt.
Das ist für unsere heutige Zeit viel. Ich glaube allerdings
, daß auch M. Grund genug hätte, die Einleitungsfragen
des Phil. (Abfassungszeit, Abfassungsort) mit
sehr viel Vorsicht zu behandeln; Arbeitshypothesen sind
eben doch nur Hypothesen und gewinnen weder durch
Entschiedenheit noch durch Pathos an innerem Wert.
Hallea.S. O. Michel.

The Excerpta ex Theodoto of Clement of Alexandria.

Edited vrith translation, introdtiction, and notes by Robert Pierce
Casey, Ph. D. (= Studies and Documents edited by Kirsopp
Lake, Litt. D. and Silva Lake, M. A. I). London: Christophers
1934. (X u. 164 S.) 8°.

Die im Anhang zu den Stromateis des Clemens von
Alexandreia erhaltenen „Excerpta ex Theodoto" haben
immer wieder besondere Beachtung gefunden, weil in
ihnen wertvolle Reste gnostischer Lehren enthalten sind.
Fr. Combefis hat sie zum ersten Mal ins Lateinische
übersetzt (seine Übersetzung wurde gedruckt von J. A.
Fabricius, Bibliotheca Graeca V), Gottfried Arnold hat
sie in seiner Unparteiischen Kirchen- und Ketzerhistorie
IV S.41—50 ins Deutsche übersetzt, und Christian Bun-
sen hat sie in seine Analecta Antenicena I aufgenommen.
In neuerer Zeit haben sich besonders G. Heinrici, Th.
Zahn, O. Dibelius, C. Barth, K. Müller mit ihrer Erklärung
beschäftigt. Aber ihre Benützung ist durch verschiedene
Umstände sehr erschwert; zunächst ist ihr
Text schlecht überliefert und macht deshalb oft Verbesserungen
nötig; sodann ist die Scheidung zwischen
dem, was von Theodotos herrührt, und den eigenen Worten
des Clemens sehr schwierig. Darum ist hier noch
kein allgemein angenommenes Ergebnis erzielt; vgl. z.B.
die Bemerkungen W. Boussets zu C. Barths Untersuchung
in dieser Ztschr. 37 (1912) 397.

Beide Aufgaben, die Herstellung des Textes und
die Scheidung und Erklärung der erhaltenen Stücke, hat
der Verfasser des vorliegenden Buches, Professor der