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Ausgabe:

1935 Nr. 23

Spalte:

412-413

Autor/Hrsg.:

Schneider, Alfons Maria

Titel/Untertitel:

Die Brotvermehrungskirche von eṭ-ṭâbġa am Genesarethsee und ihre Mosaiken 1935

Rezensent:

Duensing, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 23.

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führend zu einer Ständelehre, die in der Parole gipfelt:
Vom Proletariat zum Arbeitertum! „Im Gegensatz von
Mann und Weib ist die Ungleichheit der menschlichen
Berufe und damit auch die soziale Ungleichheit als ein I
Naturgesetz aufgestellt." Das ist der alte romanti- j
sehe Oedanke vom Aufbau der deutschen Nation in
ständischer Gliederung. „Nicht in dem Verhältnis der
Arbeit zum Kapital liegt für uns der Kern der sozialen
Frage, sondern in dem Verhältnis der Sitte zur bürgerlichen
Entfesselung." Darum gibt es für Riehl nicht j
nur Proletarier der materiellen Arbeit, sondern diese j
fangen beim apanagierten Prinzen an und reichen bis
zum letzten hungrigen Literaten, wobei vor allem der j
ehrgeizige Volksschullehrer hier eingeordnet wird. An (
Bachofen klingt seine Deutung an, wenn Riehl der Fes-
sellosigkeit des Individuums durch welche die Familie !
schier aufgehoben werde, das urpatriarchalische Übermaß
des Familientums gegenüberstellt, das in dem Volks-
glauben zum Ausdruck komme, ein Haus stände am
festesten, wenn man ein lebendes Kind in die Funda- !
mente einmauere: „Vernichtet werden muß der Einzelne, j
damit das ganze Haus feststehe über der Leiche des
zum Tode gemarterten Einzelmenschen."

Aber als Riehl zum letzten Mal seine „Naturgeschichte
" überarbeitete, hat er die Wendung von der j
politischen Volkslehre zur Kulturgeschichte vollzogen,
d. h. von der Entscheidung seines politischen Willens
zur liebevollen Erinnerung eines Gewesenen. Hier hat
der Herausgeber, dessen Einführung sonst Lob verdient,
das Typische dieser Entwicklung nicht deutlich werden
lassen. Wie Plato seiner Staatsutopie die realistischeren
„Gesetze" folgen ließ, kam auch Troeltsch nach einem !
Wort M. Schelers wie fast alle großen deutschen Sozio- I
logen zur Soziologie durch Resignation — ein Beitrag
zu Ch. Bühlers „Der Lebenslauf als psychologi- j
sches Problem". Der sachliche Inhalt der Einzelwerke i
ist natürlich zeitgebunden, weshalb die mit der bewährten !
Kennerschaft Ipsens vollzogenen Kürzungen solcher Partien
zu begrüßen sind. An dem nunmehr gut lesbar gewordenen
Buch bewundern wir in gleicher Weise die I
meisterhafte Darstellungskunst, das umfassende Wissen
und die Sachfreudigkeit des Verfassers, der sich schon
darüber lustig macht, daß der deutsche Bauer in der
neusten. Zeit eine Art Modeartikel der schönen Literatur i
geworden sei, während Riehl betont, daß der Bauer in
Sachen des Herzens oft geradezu roh sei, wie ihn
J. Gott he lf richtig gesehen habe und es im Verhältnis
der erwachsenen Kinder zu den bejahrten Eltern am
deutlichsten zum Ausdruck komme. Trotz der Zurech-
nurtg der jüdischen Literaten zum Proletariat (weil sie !
einer überstrengen Schule entlaufen keine Form mehr
anerkennen wollen) nennt Riehl den Gedanken des Hessen
Mutianus absurd, daß die Juden den ganzen Bauernkrieg
künstlich angezettelt hätten. Mit der frischen An- |
schaulichkeit des Wanderers und nicht als blasses I
Schreibtischprodukt gibt die Darstellung Riehls die Bunt- |
heit und den Reichtum des deutschen Volkslebens wieder
, so daß sie ein Zeugnis des besten deutschen Wirklichkeitssinnes
ist und Riehls Verbundenheit mit Zeit und
Raum beispielhaft wird, aber auch nach vorwärts und
rückwärts wieder über die Grenzen der derzeitigen Gegenwart
hinausweist.

Quakenbrück. H.Vorwahl.

Rettig, David: Memar Marqa. Ein samaritanischer Midrasch zum
Pentateuch, untersucht. Stuttgart: W. Kohlhammer 1934. (74 S.) gr.
8°. = Bonner Orientalistische Studien, hrsg. v. P. Kahle u. W. Kirfel.
H. 8. RM 6—.

Der namentlich durch Bemühungen Kahles vermehrte
Bestand an Hss. des „Memar", eines midraschartigen
Kommentars zum Pentateuch,, stellt die Frage nach
dem Verhältnis derselben zueinander. Die fragmentarische
Hs. A, von Kahle 1909 erworben, steht dem einst
von Samuel Kohn veröffentlichten Fragment nahe. B,
eine 1906 von Kahle veranlaßte Abschrift einer Hs. des

Hohenpriesters Ishak aus dem Jahre 938 der Higra und
C, eine 1908 von Kahle erworbene Abschrift des Textes
, gehen zusammen bis auf den ersten Teil des ersten
Buches, in welchem B von C abweichend mit den Fragmenten
des Cod. Harley geht. D, die einst von Petermann
mitgebrachte Abschrift, ist „die fehlerhafteste aller
,Memar'-Handschriften". A, die älteste der Hss., ist
nur im sechsten Buch vollständig und geht darin im
wesentlichen mit den anderen Mss. konform. Anders ist
das in Buch III bis V. Hier weicht A von B C D stark
ab. Die Abweichungen der Texte voneinander sind aber
fast ausschließlich sprachlicher Art — abgesehen von
zufälligen Lücken und willkürlichen Zusätzen. Für das
Verständnis des Memar sind sehr wertvoll die den Hss.
A und C beigegebenen arabischen Übersetzungen, wie
sie auch die Vorlage von B hat. Die Sprache Marqas
kann für die Beurteilung des sehr variiert überlieferten
samaritanischen Targums ein Kriterium sein. Das von
und über Marqa Bekannte wie auch seine Bildersprache
werden behandelt. Das Fehlen des Ta'eb, des Messias,
in der allerdings fragmentarischen Hs. A läßt in Verbindung
mit der Tatsache, daß auch keines der auf
Marqa zurückgehenden liturgischen Gebete den Ta'eb
erwähnt, den Schluß zu, daß der ursprüngliche Marqa-
text diese Figur nicht enthalten hat, womit aber die Annahme
von Merx, daß dieses Dogma noch weit älter
ist als Marqa und seine Zeit, noch nicht widerlegt ist.
Als Textprobe wird der Anfang des vierten Buches vorgelegt
in der Weise, daß zuerst der samaritanische Text
mit hebräischen Lettern S. 35—51, dann auf den Seiten
53—71 eine deutsche Übersetzung geboten wird. Text
und Übersetzung sind so eingerichtet, daß in einer
linken Kolumne der Text der Hs. A, in einer rechten
der der Hss. B C D wiedergegeben wird. Unter dem
Text der rechten Kolumne werden die von dem Texte
des Hs. D abweichenden Lesarten von B und C aufgeführt
. Eine trotz ihrer Beschränkung nützliche Arbeit.
In Einzelheiten könnte man sie vielleicht ergänzen und
verbessern. So braucht z. B. bäl in der Bedeutung „Aufmerksamkeit
" nicht als unter arabischem Einfluß eingedrungen
betrachtet zu werden, denn auch im Christlich-
Palästinischen ist die Redensart Rba arr in den ältesten
von arabischen Einflüssen freien Texten ganz gewöhnlich
. Wenn (S. 18) die Hs. A an den drei dort
aufgeführten Stellen gegenüber B C D als Gottesbezeichnung
quschta hat, so ist das ursprünglich, denn
Marqa hat diese Bezeichnung den Mandäern entlehnt.
Im übrigen zeugt aber die Arbeit von guter Schulung.
Goslar am Harz. Hugo Duensing.

Sch neider, Alfons M.: Die Brotvermehrungskirche von et-
täbga am Genezarethsee und ihre Mosaiken. Paderborn: F.
Schöningh 1934. (82 S. u. 32Taf.) gr. 8°. = Collectanea Hierosolymitana,
Veröff. des Oriental. Instit. d. Görresgesellschaft in Jerusalem, IV. Bd.

RM 4.80.

In einer Grabung, die vom 19. Februar bis 1. April
1932 dauerte,, wurden bei et-täbga am See Genezareth
die Reste einer dreischiffigen Transeptbasilika freigelegt
, welche die einzige bis jetzt in Palästina erhaltene
darstellt. Ihr angeschlossen waren Narthex, Atrium,
Wohn- und Wirtschaftsräume. Die Baugeschichte hat
sich insoweit klären lassen, als sekundäre Bestandteile
wie zwei im Transept eingezogene Säulen und spätes
Mauerwerk eine zweite Bauperiode ahnen lassen. Als Ursache
für den Säulenumbau werden Erdbebenschäden
vermutet. Die Kirche wird zu Beginn der arabischen Zeit
verlassen oder zerstört worden sein. Denn arabische
Keramik, insbesondere die koptisch-arabische hat sich
nicht gefunden.

Das bisher einzige Beispiel einer Transeptbasilika
auf palästinensischem Boden gibt Anlaß zu einer Diskussion
über die Entstehung und das Ursprungsland
dieses Typus. Hat Wulff recht, wenn er die Transepba-
siliken auf einen „allen gemeinsamen byzantinisch-palästinensischen
Stammtypus" zurückführen will oder ist