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Ausgabe:

1935 Nr. 21

Spalte:

385-387

Autor/Hrsg.:

Reventlow, Ernst zu

Titel/Untertitel:

Wo ist Gott? 1935

Rezensent:

Witte, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 21.

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ordentlich dankenswerte Qabe beschert. Im Übrigen aber
ist das Buch in seinem Bildmaterial und dessen Darbietung
in altgewohnten Gleisen geblieben. Im Texte nimmt
reichlich die Hälfte des Raumes in Anspruch die umfangreiche
Wiedergabe aus den Lutherpredigten des Johannes
Mathesius aus Joachimsthal. Die Einleitung von
Cohrs auf nur zehn Seiten ist durchaus beachtenswert.
Das Schlußwort des Herausgebers erreicht diese Höhenlage
nicht ganz, und die Nachweisung des vielseitigen
Bildmaterials aus anderen Quellen ist unzulänglich. —

Ob das Buch bei seinem dem Umfange und der Ausstattung
wohl, nicht aber der Kaufkraft weitester Kreise
angepaßten Preise die erwartete weite Verbreitung gefunden
hat, erscheint fraglich.

Berlin. Otto Lerche.

Reventlow, Graf E.: Wo ist Gott? Berlin: Reichsvrart Verlags-
ges. [1934]. (405 S.) 8°. RM 4.80.

Dem Verfasser, der einer der Führer der „Deutschen
Glaubensbewegung" ist, bekannt durch zahlreiche Schriften
und als Herausgeber des „Reiehswart", muß man
es von vornherein zugute halten, daß er nicht Theologe
ist. Er schreibt als Laie ein Buch von 405 Seiten über
sehr wichtige Fragen der Religion, auch des Christentums
. Religion ist freilich gerade in evangelischem Sinne
kein Reservat für die Theologen. Aber ein anderes ist
es, Religion haben, ein anderes, ein dickes Buch über
Fragen der Religion schreiben, das den Anspruch erhebt,
vor dem Forum der Wissenschaft bestehen zu können.
Soll es aber kein wissenschaftliches Buch sein, sondern
ein Buch für weiteste Laienkreise, so kann man sein
Erscheinen nur bedauern, denn es muß zerstörend wirken
durch die vielen einfach objektiv falschen Behauptungen
und oberflächlichen, wirklich laienhaften Urteile,
die dadurch nicht wahr und richtig werden, daß sie
mit großer Sicherheit vorgetragen werden. Der Verfasser
sagt von dem Begriff Religion, daß dieser sich, so wie
er ihn auffaßt, der verstandesmäßigen Diskussion und
Beweisführung entziehe, denn er liege auf einer anderen
j Ebene, der des Gefühls und der inneren Anschauung.
Sein Buch sei ein rein subjektives. Er wolle nicht feststellen
: so ist es, sondern: so erlebe ich es. Damit
schaltet er die für das Gebiet der Religion entscheidende
Frage, die Wahrheitsfrage, von vornherein aus! Für ihn
ist Re'ligion „das Gebiet des Empfindens, des Gefühls"
(S. 13). In diesem Gefühl „erlebt" er „die Beziehung,
Verbindung und Bindung zu einem Etwas, das man
Gott nennt, als wirklich, als eine Kraft und andererseits
als das einzige in uns, was wir als absolut empfinden"
(S. 14). Dieses Etwas, was man Gott nennt, ist dem
Arier die namenlose und gestaltlose Macht, die hinter
und über allem steht (S. 43). Die Götter sind dem
Arier nur gedachte Erscheinungsformen dieser namenlosen
und gestaltlosen Macht (S. 43). Dann sind die
vorchristlichen Germanen, dies müssen wir dagegen sagen
, keine Arier. Denn sie waren ganz und gar reine
Polytheisten (siehe: A. Heußler, Germanentum). Dann
waren die arischen Perser keine Arier, denn sie kannten
nur persönliche Götter, Zarathustra, ihr religiös Größter,
voran. In seiner Religion ist aber auch garnichts von
jener namenlosen und gestaltlosen Macht! Und was sagt
Reventlow dann von den vielen arischen Indern, die auf
Grund ihres Gefühls und ihrer inneren Anschauung zu
der Überzeugung kamen, daß es gar keine Gottheit gebe?
Man denke an Buddha, den Jainismus, Samkhya usw.!
Auch viele heutige Deutsche, sehr ernste Menschen, kommen
zu der Überzeugung, daß es jenes Etwas, das man
Gott nennt, überhaupt nicht gibt. Sind das keine Arier
oder keine guten Deutschen? Es gibt vom menschlichen
Gefühl aus einen sehr ernst zu nehmenden
Atheismus. Wir müssen freimütig zugeben, daß es sehr
wohl möglich ist, vom menschlichen Gefühl aus infolge
der Welterfahrung und Lebenserfahrung zu der Überzeugung
zu kommen: es gibt keinen Gott, keinen Gott
in irgend welcher Form. Wie will denn Reventlow dartun
, daß seine Religion nicht einfach ein Wunschtraum
j und eine Illusion ist? Zumal er auf die Frage des Titels
j seines Buches: „Wo ist Gott?" keine Antwort gibt,
j sondern erklärt, die Frage müsse offen bleiben (S. 384).
i Daß Reventlow die Gefühle hat, die er schildert, be-
'• zweifle ich nicht. Aber daß diese Gefühle eine Verbindung
mit Gott sind, bestreite ich ganz entschieden. Das
müßte R. erst einmal beweisen. Und das kann er nicht.
Obwohl nun R. stark betont, alle Religion rein indi-
I vidualistisch, ja, der religiöse Individualismus müsse bei
| uns noch gestärkt werden (S. 35), der Kollektiv-Subjektivismus
, also damit doch auch das Zwingende einer sogenannten
Rasse-Religion, die mit der Rasse inhaltlich
fest gegeben ist, sei „der schrecklichste der Schrecken"
; (S. 38), gibt er nun faktisch durchaus nicht jedem Deutschen
die Freiheit, die er für sich beansprucht, sondern
macht sich durch sein ganzes Buch hindurch zum kategorisch
entscheidenden Richter darüber, was den Deutschen
religiös fremd oder adäquat ist. So erklärt er,
dem Deutschen sei der christliche Sünden- und Gnadenbegriff
fremd (S. 107. 130). So sagt er: Jesus „ist uns
nicht Führer für das Leben unserer Sache" (S. 182),
das Christentum sei „dem Deutschen meist im tiefsten
Seelenwinkel fremd geblieben" (S. 130) usw. So sind
nach diesen Urteilen Reventlows die ungezählten Millionen
Deutschen, denen seit je Jesus Führer ihrer Seele
war und ist, keine rechten Deutschen? Auch Luther
nicht? Auch Bismarck nicht? Auch Hindenburg nicht?
Diese Urteile zu widerlegen, tut nicht not. Sie sind absurd
. Wir sind mit ganzer Seele bewußte Christen und
echte Deutsche zugleich! Es ist auch einfach objektiv
unwahr, daß der christliche Sündenbegriff unarisch und
ungermanisch sei. Die vorchristlichen Germanen wußten
sehr wohl genau im Sinne des Christentums etwas
von der Sünde als Schuld vor den Göttern, die gesühnt
werden muß durch Opfer, sogar Menschenopfer, vom
Zorn der Götter und einer Vergeltung für die Sünde in
der Ewigkeit. So steht es auch genau ebenso bei den
arischen Persern und den arischen Indern (siehe meine
j Schriften: „Deutschglaube und Christusglaube", Göttingen
, 3. Aufl. 1935, und: „Hauers Deutschglaube und
die Christusbotschaft", Berlin, Ev. Bund, 1935).

Vor Christus als frommem Menschen hat R. eine
j große Hochachtung, aber den wirklichen Christus, den
; Gottessohn, der der Erlöser und Versöhner ist, lehnt er
ab. Der wirkliche Inhalt der Christusbotschaft „ent-
| spricht unserm Wesen nicht und nicht unserer Weltan-
j schauung und ist dieser völlig fremd" (S. 181. Also hier
| wieder das kategorisch Verdikt: Dies ist uns fremd!).
Er erklärt, die Lehre von einer Erlösung sei seinein
Wesen ganz fremd (S. 120). Ja, dann ist er religiös
eigentlich ein schlechter Arier. Denn die ganze Religion
der persischen und indischen Arier dreht sich um die
Frage der Erlösung. Auch die altgermanische Religion
weiß etwas von Erlösungs-Sehnsucht. Und nicht zum
i wenigsten deshalb haben die Germanen das Christentum
angenommen, weil hier die vollzogene Erlösung war,
i nach der sie sich sehnten!

Noch seien zum Schluß einige ungeheuerliche Behauptungen
richtig gestellt. R. redet davon, das Chri-
; stentum habe bei uns die Frau „auf das abscheulichste
erniedrigt" (S, 224. 267). Es ist einfach falsch, das zu
behaupten. Erst das Christentum hat der deutschen Frau
die wahre Ehre gegeben, hat Emst gemacht mit der
Einehe, hat auch vom Manne Treue gefordert und die
leichten und leichtfertigen Ehescheidungen beseitigt. Viele
deutsche „Christen" haben dann doch die Frau mißachtet
, tun es auch heute noch. Aber das ist nicht Folge
ihres Christseins, sondern Sünde gegen ihr Christsein.
R. schreibt: „Um Vater oder Mutter für Kirchensünden
zu bestrafen, ist Jahwe eifernd bereit, die Nachkommen
bis ins vierte Glied physisch und geistig zu vernichten
oder zu einem jammervollen Leben zu verurteilen" (S.
! 114). Die christliche Lehre von der Erbsünde sei eine
; Perversion. O, nein! So steht es nicht. Es ist vielmehr