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Ausgabe:

1935 Nr. 21

Spalte:

382

Titel/Untertitel:

St. Thomas Aquinas 1935

Rezensent:

Piper, Otto A.

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I

381 Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 21. 382

Verzeichnis der Titel der Beiträge füllt allein vier Druck- lieh. in den Neuberufungen auswärtiger Gelehrter, die
Seiten des Werkes, das sich in sechs Abteilungen auf- ; J. A. Buchner recht freimütig, aber ohne irgendwelche
gliedert: Handschriften- und Bibliothekskunde, Allge- ! Spitzen gegen die Regierung, mit seinem Verleger durchmeine
Geistesgeschichte, Patristik und Frühmittelalter, spricht. Wichtig ist vor allem, daß König Ludwig I.
Hochscholastik, Spätscholastik und Neuzeit, Byzantini- keine Universität ohne theologische Fakultät — die man
sehe und abendländische Theologie. Die Verfasser der I zunächst in Landshut lassen wollte — anerkennt. Für
einzelnen Aufsätze sind fast durchweg Träger von Na- ! die Berufungen — Savigny, Mittermaier und Ernst Moni
en, die in der Fachwissenschaft hoch angesehen sind:
neben Theologen und Philosophen aller Spezialitäten
finden wir Philologen, Historiker, Juristen und Naturwissenschaftler
. Neben weltlichen Gelehrten viele Geistliche
, auch Mitglieder von Orden der Benediktiner, Car-
meliter, Dominikaner, Franziskaner, Jesuiten, Kapuziner
usw. Auch nichtkatholische weltliche Gelehrte sind beteiligt
, und neben der deutschen Sprache und einer Fülle
griechischer und lateinischer Quellenabdrucke begegnen
wir vornehmlich der französischen und italienischen Sprach
-. Das ganze Werk, dessen Drucklegung durch bereitwillige
Spenden fast des ganzen deutschen Episkopats
gefördert wurde, ist ein Dokument der hohen Achtung
und Verehrung, die Grabmann als Lehrer und Forscher
in der internationalen Wissenschaft genießt. —

Wir wenden uns kurz zwei Beiträgen von Verfassern
zu, deren Arbeiten wir auch in dieser Zeitschrift gelegentlich
besondere Hinweise widmen durften. In der
ersten Abteilung handelt Paul Lehmann, der Vertreter
der mittellateinischen Philologie in München, von der
Einteilung und Datierung der Handschriften nach Jahrhunderten
(S. 35—52). Für den Handschriftenforscher
und -Benutzer von heute ist die Datierung oder die Gruppierung
und Benennung der Handschriften nach Jahrhunderten
so etwas Selbstverständliches, daß man darin
kaum ein Problem sehen möchte. Die Ausführungen
Paul Lehmanns im Anschluß und in Fortsetzung früherer
Traubescher Feststellungen sind aber außerordentlich interessant
. Sie zeigen deutlich, daß die Bezeichnung der
Handschriften, zumal der undatierten, deren Entstehungszeit
gar umstritten ist, nach Jahrhunderten nicht sehr
alten Datums ist und daß sie sich namentlich nicht
gleichmäßig in allen Gebieten des Abendlandes durchsetzte
. Besonders wertvoll sind die Zusammenstellungen
über die retrospektive Zeitangabe für das Alter von
Handschriften, bei der der Bearbeiter von seiner Zeit
ausgeht und die jeweilige Handschrift als etwa so und
so viele Jahre, Jahrhunderte alt bezeichnet, eine Berech-
nungsart die nicht nur sehr umständlich ist, sondern die
auch zu mancherlei Fehlern und Irrtümern Veranlassung
gibt. Paul Lehmann macht bei dieser Gelegenheit weiter
außerordentlich interessante Zusammenstellungen
über die Entstehung und Ausbreitung der Datierung nach
Jahrhunderten überhaupt in der Geschichte, in der Geschichtswissenschaft
und in der Chronistik (Annalistik),
über Name und Anwendung (Inhalt) von Jahrhundert,
Hundertjahr, Säculum, Centuria, Century usw., secolo
mit Ordnungszahl und siglo mit Grundzahl usw. So
wird aus der Erörterung einer scheinbar rein technischen
Frage ein wertvoller, weitausholender kulturgeschichtlicher
Beitrag.

Ebenso kulturgeschichtlich — freilich in einem
ganz anderen Sinne — wertvoll ist der Beitrag von
Max Buchner (S. 1319—1351) „Zur Geschichte
der Frühzeit der Universität München". Buchner, dem
Vertreter der — insbesondre bayrischen — Geschieh Le
in Würzburg, verdanken wir bereits mancherlei verdienstritz
Arndt waren nicht zur Übersiedelung nach München
zu bewegen — und für die ganze Neugestaltung der Universität
war maßgeblich der Leiter des Kirchen- und
Schulwesens, der Innenminister Eduard von Schenk
(f 1841), der vom Protestantismus zum Katholizismus
übergetreten war. In den Briefen Buchners, eines sehr
loyalen Beamten, wird er freilich kaum erwähnt und
nicht irgendwie kritisiert.
Berlin. Otto Lerche.

Gilson, Etienne: Saint Thomas Aquinas. Annual Lecture on a
Master Mind. Henriette Hertz Trust of the British Academy 1935.
From the Proceedings of the British Academy, Vol. XXI, London,
Humphrey Milford 19 S. 1 sh. 6 p.

Der erste Teil des Vortrages ist ein meisterhafter
Versuch, klarzumachen, warum Thomas zu den „führenden
Geistern" gehört. Gilson zeigt, daß Thomas als der
eigentliche Retter des Abendlandes und der christlichen
Zivilisation vor der Gefahr des Islams angesehen werden
muß. Der politische Sieg über die Araber, den
Karl Martel und die spanischen Könige erfochten hatten,
hätte Europa nicht vor der geistigen Eroberung durch
den Geist des Islam bewahrt, hätte nicht Thomas die
arabischen Philosophen, vor allem Avioenna und Averoes,
entscheidend widerlegt. Ich glaube nicht, daß irgend
ein Historiker Thomas schon in diesen großen weltgeschichtlichen
Zusammenhang hineingestellt hat. Die im
zweiten Teile des Vortrages gebotene Charakteristik des
Thomismus wirkt weniger befriedigend. Gilson beschränkt
sich einseitig auf das philosophische Schaffen
des Aquinaten. Dabei ist außerdem seine Polemik gegen
andersartige Auffassungen, namentlich aus den Kreisen
der augustinisch eingestellten Theologen, zu apodiktisch,
um überzeugend wirken zu können. Und schließlich wird
mit Bezug auf die Geschichte des Individualitätsproble-
mes Thomas mehr zugesprochen, als ihm zusteht,
z. Z. Swansea, Wales. Otto Piper.

Dictionnaire de Spiritualite, ascetiqueetmystique.doctrine
et histoire; publie sous la direction de Marcel Viller, S. J.
assiste de F. Ca val 1 e ra et J. de Guibert, S. J. avec le concours
d'un grand nombre de collaborateurs. Fascicule premier A a — Allein
an de (Sp i ri t u a 1 i t e). Paris: Gabriel Beauchesne et ses fils
1932 (T. 1, Sp. 1—320) 4°.

In Frankreich erscheint seit einiger Zeit ein Lexikon
für Mystik, dessen Umfang auf 20 Lieferungen (mit je
320 Spalten) berechnet wird und als dessen Herausgeber
M. Viller S. J. (ehemals Prof. am orientalischen Seminar
in Rom), F. Cavallera (Prof. am katholischen Institut
in Toulouse und Herausgeber der Revue d'ascetique et
de mystique) und J. de Guibert S. J. (Prof. für aszeti-
sche und mystische Theologie in Rom) zeichnen. Es
handelt sich um ein großzügiges Unternehmen, das den
ganzen Bereich katholischer Aszetik und Mystik nach
allen Seiten hin (Lehre, Erklärung aller wichtigen Ausdrücke
, aszetisch-fromme Betätigungen und ihre lehrhaften
Begründungen, spekulative wie praktische Fragen,
liehe Arbeiten zur Geschichte der mainfränkischen Hoch- j Psychologie u. s.w.) vom streng katholischen Standschule
. Seine hier vorliegenden Mitteilungen über die j punkte aus behandelt. Fragen, die heute noch diskutiert
Verlegung der bayrischen Universität von Landshut nach t werden, erfahren eine doppelte (oder noch häufigere)
München, die 1826 nach langer Ungewißheit durch Lud- < Darlegung, damit die verschiedenen Standpunkte deutlich

wig I. zur Durchführung kam, beruhen ausschließlich
auf einem Briefwechsel des Professors der pharmazeutischen
Chemie J. A. Buchner an seinen Verleger Schräg
in Nürnberg. Die Verlegung der Hochschule in die
Hauptstadt des Königreichs wurde schließlich ganz und

heraustreten. So ist in der ersten Lieferung der Artikel
„Accroissement des vertus" zweimal geschrieben. Tn.
Deman O. P. legt in ebenso gelehrten wie scharfsinnigen
Ausführungen den streng thornistischen Standpunkt dar
und erörtert dessen weitere Behandlung im spanischen

gar zu einer Neugründung: das zeigt sich insbesondre Neuthomismus (Sp. 138—156), während F. de Lanversin
in den umfangreichen Personalveränderungen, nament- | S. J. die Anschauungen von Suarez vorführt, auf dessen