Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1935 Nr. 19

Spalte:

342-343

Autor/Hrsg.:

Jeremias, Joachim

Titel/Untertitel:

Die Abendmahlsworte Jesu 1935

Rezensent:

Fiebig, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

341

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 19.

342

nachdem die Führer der Gemeinde sich ohne Schaden
Mose genähert hatten, wagt sich auch diese selbst heran
(vom „Anruf Moses" steht in V. 32 kein Wort). In
Lev. 9 reichen die Indizien zur Quellenscheidung nicht
aus, wie R. selbst S. 83 zart andeutet: nach Streichung
von „und für das Volk" in V. 7 a, die V. 7 b gebieterisch
verlangt, liegt ein geschlossener Text vor, während sich
bei R.'s Zerlegung die Ungeheuerlichkeit ergibt, daß
Mose das Subjekt vom V. 15 ff. wird (V. 6 a ist kein Befehl
Moses, sondern die befriedigte Feststellung, daß
alles in Ordnung ist). Bei Gen. 17 zerstört die Annahme
von Dubletten den gewiß beabsichtigten Aufbau: das
Rätsel der Verheißung von V. 2 und 4—6 wird erst gelöst
durch die Verheißung Isaaks (151). Welch ungute
Folgen die Zerreißung von Gen. 17 für Gen. 21, 2 ff. bat,
hat R. selbst gemerkt (S. 27), und daß Gen. 35,10
sekundär ist, ist für Gen. 17 ohne Bedeutung. Auch in
17,2 liegt keine Dublette vor: Gen. 17, lf. nimmt summarisch
voraus, was in 17,4—14 im einzelnen erläutert
wird. Ähnlich ist das Verhältnis von Gen. 6, 19 zu 6,20
zu beurteilen ; umgekehrt werden in Gen. 9, 9 ff. die Lebewesen
jeweils zuerst spezialisiert und dann summarisch
zusammengefaßt; R.s Zerlegungsprinzip scheitert an V.
15 b („alles Fleisch") (V. 16 ist Glosse). Auch sonst
enthält die Sintflutgesehichte keine Dubletten: so ist
etwa 7,19 eine Steigerung von 7,18, oder 7,20 b ist
Vordersatz zu 7,21, oder in 8, 13 ist die herkömmliche
Exegese durchaus im Recht.

3) So sehr die breite und oft weitschweifige Ausdrucksweise
von P zu einer Quellenscheidung reizen
mag, so versteht man doch nicht, warum der Zusammen-
füger seine beiden Quellenschriften auch dann unverkürzt
zu Worte hätte kommen lassen, wenn beide sachlich sich
in nichts unterschieden. Was hatte es für einen Sinn,
ganz gleichartige Sätze zu konservieren? Beispiele: Ex.
2, 23ff.; 6,10ff.; 12, lff.; 12,28. 40f. verglichen mit
12, 50f.; 14,4 verglichen mit 14, 17 f.; 16, 2 ff.; Nrn.14,
2; 14, 36 f. usw.

4) In anderen Fällen ist der Text tatsächlich gestört,
aber nur, weil er glossiert, nicht weil er aus zwei Fäden
zusammengedreht ist. Solche Glossierungen liegen vor
in Gen. 27, 46ff.; Ex. 6,10ff.; Glosse ist Gen. 9, 16 oder
Ex. 12,2 öder Ex. 14, 3/4 a. Nm. 9,3 ist verdeutlichender
Zusatz zu V. 2 auf Grund von V. 5 (am Anfang von
V. 2 ist, wie (5 zeigt, durch Haplographie der Imperativ
'änar ausgefallen). Nm. 32,31b ist Einschub unter
dem Einfluß von V. 25 b. Nm. 14, 34 ist Korrektur von
V. 33: nicht erst die nächste Generation, sondern die
jetzt vor Mose stehende sei zur Strafe des vierzigjährigen
Wüstenzugs verurteilt (daß in V. 34 die Kundschafter
angeredet seien, folgt nicht aus dem Relativsatz
'afer tartem, da die Kundschafter im Namen der Gemeinde
handelten); gegen V. 34 protestiert dann wieder
V. 35 und vertritt mit Nachdruck den in V. 34 abgelehnten
Standpunkt. Die beiden Verse sind also Zusätze
von verschiedenen Händen; ähnlich stammen die Zusätze
in Nm. 10, lff. (V. 5. 6 a; 7; 8a) wohl nicht
von derselben Hand. Oder in Dt. 32, 48—52 geht der
nachhinkende V. 52 auf den Einfluß von Dt. 34,4 b
zurück, während die übrigen Verse eine Wiederaufnahme
von Nm. 27,12—14 darstellen und keineswegs eine Sonderüberlieferung
, zu der die Unterschiede von Nm. 27
nicht ausreichen.

5) Auch in solchen Fällen, in denen tatsächlich eine
gewisse Parallelität vorliegt, handelt es sich nicht um
von einander unabhängige Reihen, sondern die eine setzt
jeweils die andere voraus. Auch nach der dankenswert
eingehenden Analyse, die R. mit Ex. 25—31. 35—40;
Lev. 8 vorgenommen hat, muß ich urteilen, daß hier
ein Grundstock und seine Ergänzung beisammenstehen
, mehr ist es nicht; das gibt R. im Grunde auch zu,
wenn er von „erweiterten Parallelen" (S. 76) spricht.
Oder etwa in Lev. 16 ist das, was R. als PB herausstellt
, nichts als eine Korrektur von P

6) Daß in der jetzigen P-Erzählung nicht selten
! ältere andersartige Traditionen durchschimmern, ist bekannt
; aber diese Tatsache ist literargeschichtlich zu erklären
, literarkritiseh ist ihr nicht herzukommen. Gewiß
liegt z. B. in der Schöpfungsgeschichte hinter dem „Befehlsbericht
" ein „Tatbericht"; aber daß man sie nicht,
wie R. will, auf 2 entsprechende durchlaufende Quellen
j PA und P [? aufteilen kann, ergibt sich schon daraus,
I daß sein Pa unvollständig bleibt, da nicht nur die
1 Schaffung des Lichts, sondern auch die des Menschen
fehlt (den feierlichen Chiasmus von 1,27 a darf man
nicht verwüsten, und daß sich auf das Kollektivum
'ädäm bald Singular-, bald Pluralsuffixe beziehen, ist
i kein Scheidungsgrund). Abgesehen von den bekannten
, Glossierungen (und Auslassungen) ist Gen. 1,1—2,3
i jetzt ein einheitlicher Text („Befehlsbericht"), dessen
Verfasser aber jeweils das Stichwort des ihm wohlbe-
| kannten „Tatberichts" polemisch aufnimmt. So ist z. B.
Gen. l,6f. so zu paraphrasieren: „Gott sprach: es werde
eine Feste . . ., und es geschah so. So ist die Überlieferung
zu verstehen, daß Gott die Feste .machte'...".
Wir müssen uns in der Tat „mit der Tatsache begnügen,
, daß die Texte der priesterschriftlichen Urgeschichte je-
; weils ältere Fassungen durchscheinen lassen" (S. 18).
Ähnlich wie mit der Schöpfungsgeschichte liegt die
Sache mit der Erzählung von den" ägyptischen Plagen
(vgl. Greßmann) oder etwa in Nm. 27,15 ff. —

An den literarischen Teil seiner Arbeit schließt R.
eine kurze, aber in die Tiefe dringende Skizze des theologischen
Gehalts der Priesterschrift an, die sich seinen
früheren ausgezeichneten theologischen Arbeiten würdig
zur Seite stellt. Man ist überrascht, zu sehen, wie sehr
dabei die Unterscheidung von PA und P" in den Hintergrund
tritt, und man darf sich daraus den Trost entnehmen
, daß man P auch dann theologisch verstehen
und würdigen kann, wenn man R.s literarische Meinung
nicht teilt.

Gießen. w. Rudolph.

Jeremias, Prof. D. Dr. Joachim: Die Abendmahlsworte Jesu.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1935. (100 S.) gr. 8°. RM 4.50.
Diese reichhaltige und förderliche Arbeit erörtert
1) die Frage: „War Jesu letztes Mahl ein Passahmahl
?", 2) die Frage nach dem „ältesten Text der
Abendmahlsworte Jesu", 3) die Frage nach dem „S i n n
der Abendmahlsworte Jesu". 1) beantwortet J. — m. E.
richtig — mit ja; 2) beantwortet er damit, daß er als
„ältesten erreichbaren Text" bezeichnet: 1. Passahwort
nach Lk. 22,15—16; 2. Wort vom Gewächs des Weinstockes
nach Mk. 14,25; 3. „Nehmet, dieses ist mein
Leib"; 4. „Dies ist mein Blut des Bundes, das vergossen
j wird für viele". Zu der Art, wie J. hier den ältesten
1 Text eruiert, würde ich mancherlei Fragezeichen machen.

3) beantwortet J. vor allein so, daß er in den Abend-
( mahlsworten „nicht nur Gleichnis und Belehrung (Deutung
)" sieht, sondern auch „Gabe", d. h. „Anteilgabe
an der Sühnkraft des Todes Jesu". Er redet auch von
„Sinnbildhandlung, die zugleich effektiven Charakter
trägt". In den Grundzügen trifft J. m. E. mit dieser
Sinndeutung das Richtige.

Es ist an dieser Stelle unmöglich, auf die zahlreichen
Einzelfragen, die hier zu erörtern wären, einzugehen.
Ich kann auch nicht wiederholen, was ich zu den Abendmahlsfragen
1931 im Neuen Sächs. Kirchenblatt, im
Deutschen Pfarrerblatt und in der Chr. Welt ausgeführt
habe. J. hat diese Arbeiten übersehen, da ihm offenbar
von derartigen Blättern lediglich die Luthardtsche Kirchenzeitung
, die er mehrfach zitiert, zugänglich ist. In
Vielem stimme ich J. zu, muß aber einige Beanstandungen
geltend machen.

Erfreulich ist, daß J. nachweist: Es ist sicher falsch,
; den Ausdruck „Brot" in den Abendmahlstexten als
Beweis dafür anzuführen, daß das letzte Mahl Jesu kein
Passahmahl gewesen sei. Der Sprachgebrauch ist ja