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Ausgabe:

1935 Nr. 1

Spalte:

280-281

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte ; 29. Jahrg, 1934 1935

Rezensent:

Clemen, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 15/16.

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nian und Bonifatius als Männer der Bereitung, sowie
die Deutschen Abt Sturmi, Kaiserin Mathilde, Erzbi-
schof Bruno von Köln, Bischöfe Ulrich von Augsburg
und Wolf gang von Regensburg, Kaiser Heinrich Fl., Bischof
Bruno von Querfurt und die Hildesheimer Bischöfe
Bernward und Godehard. Ein weiterer Band
über die deutschen Heiligen aus der Zeit der salischen
und staufischen Kaiser ist in Vorbereitung. —

Das Buch Walterscheids ist auf eine Verlags-
anregung hin "entstanden und wendet sich an weitere j
Kreise: darum zieht es einen viel weiteren Rahmen. !
Auch W. beginnt mit nichtdeutschen, nichtgermanischen
Blutzeugen des Christentums, mit den römischen Chri- i
stenverfolgungen und den Märtyrern der thebaischen Le- !
gion; dem hl. Severin gehen noch voran Florian, Kas-
sian, Afra, Martinus u. a. m. Dabei ist dann etwa zu |
bemerken, daß wohl von Martinsfeiern und -Feuern,
von Martinsgänsen und freundlichem Schabernack die
Rede ist, daß aber mit keinem Worte der Cappa gedacht
wird in ihrer großen Bedeutung für Organisation des
Reichs und seiner Verwaltung in Staat und Kirche (vgl. i
etwa W. Lüders: Capella, die Hofkapelle der Karo- ;
linger bis zur Mitte des 9. Jhdts. Archiv für Urkundenforschung
Bd. 2. 1908). —

Sodann wendet sich die oft mehr feuilletonistische
als gerade erbauliche Darstellung, die wissenschaftlich
nur notdürftig fundiert ist, deutschen Gestalten zu, deren
Reihe erst in der Gegenwart schließt. Der letzte
Abschnitt ist dem jüngsten deutschen Heiligen, Konrad
von Parzham, gewidmet, und es sind neben kanonisierten
Heiligen auch „Ehrwürdige", „Selige" und
„Gottselige" berücksichtigt. Über die Auswahl und Anordnung
, ebenso wie über Ziel und Methode eines solchen
Buches zu streiten, erscheint uns nicht angebracht.
Die überaus zahlreichen Abbildungen, deren Herkunft
vielfach genauer bezeichnet sein dürfte, sind keineswegs
gleichmäßig wertvoll.

Berlin. Otto Lerche.

[Dietrich vonNieheim] Niem: Dialog über Union und Reform
der Kirche 1410. (DemodisUniendietreformandiecclesiaminconcilio
universali). Mit einer zweiten Fassungaus d.Jahre 1415. Hrsg. von Hermann
Heimpel. Leipzig: jB. G. Teubner 1933. (XXXII, 120 S.) gr. 8°.
= Veröff. d. Forschungsinstitute a.d. Universität Leipzig, Inst. f. Kultur
u. Universaigesch. Quellen z. Oeistesgesch. d. Mittelalters u. d. Renaissance
. Hrsg. von W. Goetz. Bd. 3. RM 4.50 ; geb. 5.80.

Der Herausgeber umreißt Wert und Bedeutung der
von ihm bearbeiteten Schrift folgendermaßen (S. IX f.):

„Unter allen Schriften, die aus dem Großen Schisma einen Ausweg
ohne oder gegen die päpstliche Gewalt suchten und in einer „Konziliaren
Theorie" dem päpstlichen Anspruch auf die unbedingt letzte
Entscheidung den selbständig, eben im Konzil wirksam werdenden Willen
der Gesamtkirche entgegensetzten, ist diese wohl die denkwürdigste.
Indem sie die Herstellung der kirchlichen Einheit auch auf nicht
päpstlich gutgeheißenen Wegen fordert, indem sie eine Revision des Kirchen- !
begriffs und die Beschränkung der päpstlichen Gewalt verlangt, sowie :
die Messung ihres Rechts am Gemeinwohl, über dessen Wahrung als
selbständige und dem Papste übergeordnete Gewalt das Konzil wacht, j
und indem sie damit den Ruf nach einer Reform an Haupt und Gliedern
verbindet, die aus einer Kirche der Verweltlichung und der Gesetz- 1
lichkeit eine Gemeinschaft machen soll, deren Institutionen dem Anspruch
der Gläubigen auf wahre geistliche Leitung entsprechen, ist diese Schrift
nur typisch für die ganze Literatur der konziliaren Zeit, von Konrad
von Gelnhausen über Matthäus von Krakau und Nikolaus von Clemanges
zu den Konstanzer Beschlüssen und den Basler Kämpfen, zum Cusanus
und zu Tudeschi. Aber sie stellt doch auch wieder allein durch die
umfassende und vereinheitlichende Systematik, mit der hier in der Sprache
der Leidenschaft dies alles: Unionsvorschläge, Kirchenbegriff, Reform
am Papsttum, an den Kardinälen, an den Prälaten, Priestern und Mönchen
zusammengehalten wird, und ihr Verfasser ragt dazu unter den
Deutschen der Zeit, hierin höchstens von dem Patriotismus eines Hein- :
rieh von Langenstein erreicht, hervor durch die Glut, mit der er in
vaterländisch gestimmtem Eifer die Hilfe des .Advocatus ecclesiae", des
Kaisers, für die Kirche anruft. ..."

Daß der Dialog dem Dietrich von Nieheim — so
will es uns richtiger erscheinen als Niem, zumal wenn |
man dann Niem gar als Familiennamen und nicht mehr |
rein als Herkunftsbezeichnung gelten lassen will — ein- I

wandfrei zuzuschreiben ist und nicht etwa Gerson oder
Pierre d'Ailly, hat Heimpel schon in seiner Biographie
Dietrichs nachgewiesen. In dieser umfangreichen Biographie
(Dietrich von Niem — c. 1340 bis 1418 —
Münster: Regensbergsche Verlagsbuchhandlung 1932,
362 S. RM 13,50) bringt H. trotz der schon 1887 erschienenen
Darstellung durch Georg Erler mancherlei
Neues zum Leben, zur Arbeit und zur Wirkung Dietrichs
. Gewiß erscheint auch hier Dietrich vor allem
als der große Publizist von fast journalistischer Gewandtheit
und Vielseitigkeit. Aber seine Verdienste als
kurialer Beamter und Kritiker, als Mitarbeiter der kuria-
len Kanzlei auf dem Konstanzer Konzil — zunächst als
Anhänger, dann als Gegner Johanns XXIII. — und seine
Tätigkeit als Chronist, ja als Historiker verdienen
doch über ein übliches journalistisches Niveau gewertet
zu werden. Und dabei verschweigt H. keineswegs, daß
Dietrich bei all seiner Regsamkeit und Wendigkeit doch
keineswegs zu den Führern und Geistesgrößen der Zeit
gehört: im Abschnitt „zum Bilde des Menschen" (S.
268 ff.) werden mit fast peinlicher Gewissenhaftigkeit
seine Grenzen und seine Unzulänglichkeit geschildert.

Für den Text unseres wichtigen Dialogs waren wir
bisher in erster Linie angewiesen auf E. H.v. d. Hardt:
Magnum Constantiense Concilium (1700, vol. 1, p. 68
bis 142). Max Lenz, der in Dietrich bereits den Verfasser
dieses wichtigen Dialogs erkannte, suchte textlich
über den Wortlaut des Abdrucks bei v. d. Hardt hinauszukommen
(Drei Traktate aus dem Schriftenzyklus
des Konstanzer Konzils, 1874). Aber erst der Entdeckung
der Urschrift durch F. Bartos (Husitika a Bo-
heinika Nekolika Knihoven Nemeckych a Svycarskych.
1932) ist es zu danken, daß nun eine alle Überlieferungen
— den Hardtschen Druck, die neue in Stuttgart entdeckte
, früher Helmstedter Handschrift, eine Münchener,
eine Barcelonaer, eine doppelte, früher Wiener, jetzt
Trienter Handschrift und eine Bamberger Kopie berücksichtigende
Ausgabe des Dialogs, der um mancher Formulierungen
und Gesichtspunkte willen auch für die Gegenwart
von lebendigem Interesse ist, hergestellt werden
konnte. Die Bemühungen Heimpels um die Herausstellung
eines Archetypus und um die Vermeidung eines
leichter und billiger herzustellenden Mischtextes sind
durchaus beachtlich und als solche einleuchtend. Die
ganze Ausgabe, der Druck und die Anmerkungen mit
dem Register zeugen von Sauberkeit und Sorgfalt, die
Einleitung von überragender Sachkunde.
Berlin. Otto Lerche.

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte. Hrsg. im
Auftr. des Ver. f. Brandenburgische Kirchengeschichte von Lic. Walter
Wen dl and. 29. Jahrg. Berlin: Komm.-Verlag Martin Warneck
1934. (129 S.) gr. 8U. RM 4-.

Auch dieser Jahrgang bringt Abhandlungen aus verschiedenen kirchengeschichtlichen
Perioden. Er wird eröffnet durch eine fleißige Arbeit
von Hans Bütow: „Johannes Merkelin, Augustinerlesemeister zu
Friedeberg (Neumark). Leben und Schriften." Wir erhalten einen willkommenen
Beitrag zur Kenntnis der Pflege der Wissenschaft und ihrer
Vertreter in den Klöstern der Neumark. Merkelin ist geboren vor 1325,
studierte in den 40er Jahren in Paris, wo er den Thomas von Straßburg
„gut kennen lernte", trat später dem Joh. Klenko näher, der durch seinen
Kampf gegen die dem kanonischen Recht widersprechenden Grundsätze
des Sachsenspiegels bekannt ist, wirkte mehrere Jahre als Provin-
zialvikar für den märkisch-preußischen Distrikt der Ordensprovinz Saxonia
und starb Ende des 14. Jahrhunderts in seinem Stammkloster Friedeberg.
Sein Werk über die heil. Eucharistie, in dem er für die wenig gebildeten
preußischen Priester alle auf das Sakrament bezüglichen Fragen
historischer, exegetischer, dogmatischer, kanonistischer, liturgischer, asketischer
und polemischer Art behandelt hat, und seine Erklärung der Sonntagsepisteln
, mit der er dem Bischof Heinrich von Ermland Unterlagen
für etwaige Epistelpredigten an die Hand geben wollte, sind anscheinend
in Ostdeutschland ziemlich verbreitet gewesen. Vielleicht rührt auch
ein kurzer Modus confitendi von ihm her. — Rudolf Biedermann:
„Die kirchlichen Verhältnisse im Schenkenländchen" hat sich das Verdienst
erworben, an einem konkreten Beispiel (Herrschaft Teupitz) Rechte
und Pflichten des Patrons und Dotierung und Amtsführung des Pfarrers,
des Kaplans oder Diakons, des Kantors, der zugleich Schulmeister ist,
und der Kirchenvorsteher klargelegt zu haben. — Bruno Altenburg: