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Ausgabe:

1935

Spalte:

225-228

Titel/Untertitel:

Griechische, koptische und arabische Texte zur Religion und religiösen Literatur in Ägyptens Spätzeit 1935

Rezensent:

Stegemann, Viktor

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WO UBER MIN, beide in Güttingen

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Biblio^aphischem Beiblatt in Vierteljahrsheften. Bearbeitet v.Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, u.Lic.H. SEESEMANN, Göttingen

Jährlich 26 Nrn.— Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind auenchliefilich an Profeesor D. BAUKK in Göttingen, Düstere Eichenweg 14, zu senden,
Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. Gewahr für Besprechung oder Rücksendung von unverlangt gesandten Rezensionsexemplaren
, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, wird nicht übernommen.
Printed in Germany.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1

60. JAHRGANG, Nr. 13_■_22. JUNI 1935

Spalte! Spalte
Algermissen: Die Gottlosenbewegung der Griechische, koptische und arabische Texte zur

Gegenwart und ihre Überwindung (Koch) 235
Qogarten: Das Bekenntnis der Kirche

(Wobbermin) ...............237

Gotthard: Der Text des Buches Neliemia

(Jonat)...................228

Religion und religiösen Literatur in Ägyp

tens Spätzeit (Stegemann).........225

Heidenmission, Die deutsche evangelische,

(Witte)...................239

Jepsen: Nabi (Wendel)..........229

Jung: Seelenprobleme der Gegenwart (Neu-

Spalte

mann) ...................239

R a n e y: The Relation of the Fourtli Gospel

to the Christian Cultus (Bertram) .... 232
Rittelmeyer: Meditation (Neumann) . . 238
V u i 11 e u in i e r: Histoire de l'eglise reformee

du Pays de Vaud sous le regime Bernois

(Staehelin).................234

Griechische, koptische und_arabische Texte zur Religion und belanglosen Denkens der primitiveren Religiosität unreligiösen
Literatur in Ägyptens Spätzeit. Hrsg. von Friedrich terer Volksschichten.

MV?bTe!^dHlf-?mhm^ 2- Angesichts solch entscheidender Bedeutung der

Mit 1 Tafelbd. Heidelberg: Universitätsbibliothek 1934. (XII, 4d2 S. .. ,. , ° ,. , , ..... , ,

u. 2 Blatt u 15 Taf.) gr. 8°. u. 2°. = Veröff. a. d. badischen Papyrus- ägyptischen Kulturgeschichte des Mittelalters für das
Sammign H 5 RM 40 -. Studium der Kultur überhaupt ist eine Einführung in den
1. Das Gesamt der in diesem Buche vereinigten ! Inh.alt des Buches im einzelnen und Stellungnahme zu
Texte, die fast durchweg der Zeit des 8.-11. nachChrist- ! eimg£n angeschnittenen oder in den Texten enthaltenen
Jahrhunderts angehören, gibt ein sehr fesselndes nen Problemen eine Pflicht gegenüber den Lesern und
Bild von dem religiösen Denken und Empfinden der den Herausgebern,
ägyptischen Bevölkerung dieser Jahrhunderte in ihrem
christlich und muslimisch lebenden Teil. In den beiden
Glaubensgruppen lassen sich deutlich zwei Schichten

Die Reihe der Texte, die — von der großen Hs. der Sammlung
Pierpont Morgan abgesehen — z. T. den Pap. Schott-Reinhardt und der
Heidelberger Papyrussamnihing, z. T. den Rainerpapyri in Wien ent-
i,„7"'";!';,^i"F'""L,; 'u-'"'"- °uV'"i-j^"lL"'"c^u:^ü*. ^T~~"i'£." Bommen worden ist, eröffnet ein Beitrag von G. Graf. Er enthält die
Unterscheiden die bäuerisch-Städtische Schiel des ktel- schon ]ange an,,ckünUigtc Edition von Wagmenten zweier arabtach £
nen Mannes, die Sich vornehmlich jener Verfluchungen, | schriebener Gespräche zwischen einem Muslim und einem Christen über
Amulette, Schaden- und Liebeszauber bediente Und^die | den Vorzug der christlichen Religion. Die Texte bereichern unsere

Kenntnis dieser — wie wir bisher glaubten — seit dem 9. Jahrhundert
im Orient gepflogenen Literaturform insofern, als wir hier zwei Zeugnisse
für sie aus dem 8. Jahrhundert haben.

Das Hauptstück des Buches enthält, von Bilahel bearbeitet, koptische

kulturelle Oberschicht, die eigentlich theologischen Pro.
blemen nachging und wohl vor allem von Klerikern vertreten
ward." Was das Verhältnis beider Schichten zueinander
angeht, so bestätigt sich für die Kopten erneut,

daß in eigentümlich starrer Weise die Texte dieser un- , Versionen der sehr verbreiteten Kypnanoslegende (Fragm. aus London,

I Neapel, Paris und Wien). Die wichtigste und ausführlichste ist in der
Hs. Pierpont Morgan enthalten. Die Veröffentlichung macht klar, daß
von einer Fdition einer Grundfassung der Legende abgesehen werden
muß; vielmehr kommt nur eine Herausgabe in nebeneinander her-

teren Schicht von dem religiösen Gut der geistigeren
Oberschicht und den in der Liturgie des offiziellen Kultus
gebrauchten Formeln leben. Interessant und neu

aber ist, daß in dem mieden Kopten ZUSammen vvohnen- j gehenden Textwiedergaben (spaltenweise angeordnet) Tn Frage'r^ür'die

Bilabel hier eine wichtige Vorarbeit geleistet hat. Ferner wird deutlich,
daß das als Amulett neben den bekannten Abgarbriefen verwandte sog.
Kyprianosgebet sich aus der Legende entwickelte (vgl. Handwbch d.
deutsch. Abergl. s. v. Cyprian); in verschiedenen griechischen Fassungen
ist es von Bilabel, in zwei arabischen von Grohmann mitgeteilt. Auch
hier käme für eine Gesamtedition nur ein nebeneinanderhergehender
Abdruck der verschiedenen Fassungen in Frage, keine Rekonstruktion
eines Grundtextes. In der Edition Grohmanns sind auch die Abgarbriefe
in einer arabischen Fassung erhalten. Ein merkwürdig dreistes Produkt
der zaubernden Kreise der Kopten ist das in diesen Zusammenhang
gestellte sog. Zauberbuch des Kyprian, das 1930 in Ägypten auftauchte.
Es stellt eigentlich ein Gebet an Gabriel zu Liebeszauber dar; seine Konzeption
ist von dem Gedanken bestimmt, daß der bekehrte Kyprian seine Praxis
nur insofern ändern muß, als er statt der Dämonennamen, die früher
in seinen Gebeten standen, Namen des christlichen Himmels einzusetzen hat.

Die dritte Abteilung des Buches umfaßt hauptsächlich koptische
und arabische Zaubertexte; die meisten sind Schutzamulette und Schadenzauber
. Interessant ist Nr. 123, da in diesem Text koptische Gebote
mit arabischen Opferanweisungen wechseln. Ich habe mehr und mehr
die Ueberzeugung gewonnen, daß hier ein arabisch sprechender Zauberer
sich des Koptischen als der fremden und darum wirkungskräftigeren
Sprache bedient, so weit es sich um Gebete handelt. Denselben Fall
haben wir auch sonst, z. B. im Anfang des Paris. Zauberpapyrus (GZP
I Nr. 4.). Es ist für Nr. 123 sehr zu beachten, daß die Stelle für den
in Zeile 57 einzusetzenden Namen in der Lücke des koptischen Textes
arabisch mit N. N. (fulän ibn fulän) bezeichnet worden ist. Auf Nr.

den arabischen Teil der Bevölkerung zwar dies Verhältnis
kein anderes ist, der Gegensatz der Religionen aber sich
so stark auswirkt, daß in den koptischen Texten keine
Einwirkung arabischen, in den arabischen kein Einfluß
christlichen religiösen Guts festgestellt werden kann
trotzdem ihre Grundhaltung in der Ansicht über die
Schutzkraft religiöser Formeln und die Art der Verwendung
solcher die gleiche ist. In diesem Sinne miteinander
verglichen und erläutert, stellen diese Texte zunächst
ein wichtiges geschichtliches Material für die
Kenntnis des mittelalterlichen Ägypten dar; aber auch
derjenige, der das Schwergewicht'seines Forschens auf
die Analvse der Kultur überhaupt legt, darf, vor allem
wenn er "praktisch theologisch und pädagogisch gerichtet
ist, an einem solchen Buche nicht vorübergehen.
Denn hier wird in eigener Weise deutlich, wie die Geltung
einer Kultur von der Höhe der in der Oberschicht
eines Volkes gepflogenen geistigen, besonders theologischen
Betrachtung abhängt, um deren Erhaltung sie
bewußt kämpfen muß. Jeder Verzicht bedeutet ein Hervordrängen
des für die historische Geltung eines Volkes

1) Die einzige Ausnahme scheint Nr. 136 zu sein. Daß ein Araber
freilich zuweilen ein koptisches Amulett verwandte und umgekehrt, halte

ich durchaus für möglich (s. u.). 137 sei aus paläographischen Gründen aufmerksam gemacht, weil der

225 226

•B.TUB.

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