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Ausgabe:

1935 Nr. 12

Spalte:

211-212

Titel/Untertitel:

Das Buch der Zwölf 1935

Rezensent:

Wendel, Adolf

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Seite 1

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211

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 12.

212

werden. Nur nebenbei sei noch hervorgehoben, daß die
Versziffern am Rande stehen und der Text in Gedanken- i
einheilen aufgelöst ist.

Die Meisterschaft im Obersetzen der alttest. Geschichtsbücher — und |

um diese handelt es sich in dem mir zur Besprechung vorgelegten i

Band — zeigt sich m. E. am Daboralied. Sehr beachtlich übersetzt Henne i

den Anfang von Rieht. 5, 11 mit „lauter als". In Vers 14 Schluß j
(„die mit dem Schriftgelehrtenstabe wandern") sehe ich jetzt eine ironische
Anspielung auf Kirjath Sepher.

Die beiden hochwertigen Übersetzungen von Rießler
und Henne sind bezeichnend für die kath. Bibelbewegung
der Gegenwart. In starken Auflagen und zu billigen j
Preisen werden hier wissenschaftliche und deutsche Bibelübersetzungen
mit eben solchen Erklärungen ins Volk
gebracht und — gelesen. Siehe A. Stonner, Bibellesung
mit der kath. Jugend. Warum ist im e v. Kirchenvolk
die Bibelnot so groß?

Tremessen (Polen). F. K. J o n a t.

Die Schrift. Zu verdeutschen unternommen von Martin B u b e r gemeinsam
mit Franz Rosen zweig. Künder. Bücher der Kündung
XIII. Bd. Das Buch der Zwölf. Verdeutscht von Martin Buber
Berlin: Schocken o. J. (238 S.) 8°. RM 4.25; Lwd. 6—; Pgt. 10—

Im neuen Bande des Buber'schen Übersetzungswerkes
fällt zunächst auf, daß die Textkritik nicht mehr
so völlig abgelehnt wird wie bisher. So ist die merkwürdige
Stelle Hab. 2,5: hajjajin boged doch nicht in dieser
Form wiedergegeben worden; Buber übersetzt: „Ja,
der Tückische nimmts leicht gar." Daneben behält er '
freilich die ebenfalls in der Form des masoretischen Textes
eigentlich unübersetzbaren Worte bei: Hab. 3,9b:
sebebuot mattot 'omär sälä; er übersetzt „jene Schwüre
verdrängen den Urteilsspruch"; mattot wird wohl als
Partizip von mut gefaßt?

Daß der Übersetzer ständig am Verbessern ist,
zeigen einige Änderungen gegenüber früheren Wieder- I
gaben. So ist endlich die „Hinleite" und die „Hinleit- J
spende" gefallen; minchä wird in Mal. 2,13 mit „Spen- j
de" übersetzt. Sich von der „Darhöhung" zu trennen
('olä), scheint schwieriger zu sein. Ist sie doch in Hos.
6, 6 immer wieder erschienen. Kleinere Änderungen sind:
'assäbim, früher (I. Sam. 31,4) als „Scbnitzpuppen",
jetzt als „Puppen" erscheinend (Hos. 4,17): chäzon
früher (I. Sam. 3,1) als „Schauung", jetzt als „Schauempfang
" (Ob. 11. Die „Wunschlarve" in Hos. 3,9
ist freilich geblieben; teraphim. Warum noqed in Am. 1,
1 als Vieh-„pächter" übersetzt wird, ist nicht recht einzusehen
; man pachtet wohl Land, aber doch kein Vieh.
Nidmä = vernichtet werden, ist „verschlimmbessert" wor- i
den; bei Jes. 6, 5 war es erschienen als „ich werde ge-
stummt"; nun, in Ob. 5, liest man: „wie bist du so
geschweigt."

Die Zwölfpropheten-Übersetzung scheint mir durch
streckenweises Schlichterwerden der Sprache charakterisiert
. Manche Stellen, zumal solche erzählenden
Inhalts, sind frei von jedem Anstoß und wirken nirgends
fremd. Ich nenne Jon. 1,4 f«: .... und ein großer 1
Sturm war auf dem Meer, daß das Schiff zu zerbrechen
meinte. Die Seeleute fürchteten sich, sie schrien, jedermann
zu seinem Gott, und schleuderten ins Meer die Geräte
, die im Schiff waren, sich darum zu erleichtern.
Jona aber war ins hinterste Verdeck gestiegen, hatte sich
gelegt und war eingeschlafen." Aber dieses Schlichterund
„Deutscher"-Werden hat eben seine zwei Seiten, j
Wenn ich es früher für manche Ausdrücke wünschte (so
bei Jeremia und Ezechiel), so möchte ich heute sagen:
Es ist unmöglich, lauter gutes Deutsch, im Sinne der gewohnten
Sprache, zu bringen, wenn die Übersetzung ihrer
ursprünglichen Absicht treu bleiben will. Der Übersetzer |
wird also gut tun, sich von der geschehenden Kritik nicht j
alle Kanten und Anstöße im Deutschen abschleifen zu
lassen; sind es doch nicht seine eigenen, sondern die des
Hebräischen. Damit hebe ich die früher genannten Anstöße
an unmöglichen und unverständlichen Ausdrücken
nicht auf. Als Proben guter und doch charakteristischer |

Übersetzung möchte ich Arnos 2,13—16 und Jona 2,5f.
mitteilen.

Wohlan

ich mache es unter euch stocken,

gleichwie der Wagen stockt,

der sich mit Garben gefüllt hat,

die Zuflucht entschwindet dem Leichten,

der Starke strafft nicht seine Kraft,

der Held rettet nicht seine Seele,

der den Bogen faßt, kann nicht bestehen,

der Leichtfüßige rettet nicht,

auch der Reiter zu Pferd

rettet nicht seine Seele,

der Herzensstraffste unter den Helden,

nicht flieht er an jenem Tag !

ist SEIN Erlauten.
Schon sprach ich, ich sei vertrieben, von deinen Augen hinweg, — dürfte
ich nur je wieder blicken zur Halle deines Heiligtums. Die Wasser
umtobten mich bis an die Seele, mich umringte die Abgrundflut. Tang
war gewunden mir ums Haupt.

Doch gleich neben dieser letzten Stelle die andere:
Jon. 2,9: Die Dunstgebilde warten des Wahns, von
ihrer Holdschaft mögen sie lassen!

Ober-Breidenbach i. Hessen/Marburg. Adolf Wendel.

Volz, Paul: Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im

neutestamentlichen Zeitalter nach den Quellen d. rabbinischen, apokalyptischen
u. apokryphen Literatur dargest. 2. Aufl. d. Werkes „Jüdische
Eschatologie von Daniel bis Akiba". Tübingen: J. C.B. Mohr
1934 (XVI, 458 S.) gr. 8°. RM 21—.

Die 1. Aufl. dieses Buches erschien 1903. Sie umfaßte
412 Seiten und hatte 48 Paragraphen. Die nunmehr
, nach einem Menschenalter, erscheinende 2. Aufl.
ist nur wenig umfangreicher: sie hat 458 Seiten und 49
Paragraphen, stellt auch sonst dasselbe Buch dar, obwohl
überall gebessert und ergänzt ist. Der Wert dieses
Werkes besteht in einer genauen und möglichst vollständigen
Registrierung der eschatologischen Vorstellungen
und Aussagen der jüdischen Literatur des neutestamentlichen
Zeitalters. Ein reichhaltiges Register erleichtert
das Auffinden von Einzelheiten, die etwa dem Leser
des Neuen Testamentes wichtig sind. Zum Buche
Henoch vermisse ich einen Hinweis auf den von H.Ode-
berg herausgegebenen hebräischen Text (Cambridge,
Univ. Press, 1928). Zu dem Verhältnis zwischen Rabbi-
nismus und Apokalyptik sei auf N. N. Glatzer: Untersuchungen
zur Geschichtslehre der Tannaiten, Berlin,
1933, verwiesen. Nach Form und Inhalt bedürfen die
Apokalypsen einer weiterführenden Untersuchung. Auch
dafür kann V.s mühevolle Arbeit der systematischen
Registrierung des Inhalts gute Dienste leisten.
Leipzig. P. F i e b i g.

Arendt, Dr. Paul: Die Predigten des Konstanzer Konzils.

Ein Beitrag zur Predigt- u. Kirchengeschichte des ausgehenden Mittelalters
. Freiburg i. Br.: Herder & Co. 1933. (XI, 267 S.) gr. 8°.

RM 5—.

Predigten sind wohl auf allen Konzilien gehalten
worden. Aber wie das Konstanzer Konzil alle andern
Kirchenversammlungen des Mittelalters durch seine Dauer
, durch die Dramatik seiner Ereignisse, durch die Wichtigkeit
der verhandelten Fragen übertrifft, so ragt es
auch über sie hinaus durch die etwa 200 Predigten, die
von führenden Männern der Kirche dort gehalten worden
sind. Sie sind ein lebendiges Spiegelbild jener Zeit
und der sie bewegenden Kräfte.

Der Verf. gibt zunächst einen Überblick über das
handschriftliche und gedruckte Quellenmaterial und
macht dann mit den äußeren Umständen, mit Zeit, Ort
und Sprache der Predigten sowie mit den Predigern und
Zuhörern bekannt. Er untersucht eingehend die homiletische
Form der Predigten und gibt einen Einblick in
ihren theologischen Gehalt. So entsteht ein deutliches
Bild der spätmittelalterlichen Gelehrtenpredigt: wir sehen
, welche Struktur sie hatte; welche Stoffe sie zum
Aufbau benutzte; welche Methode sie bevorzugte; welcher
Geschmack damals herrschte.