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Ausgabe:

1935

Spalte:

202-203

Autor/Hrsg.:

Kiefer, Robert

Titel/Untertitel:

Die beiden Formen der Religion des Als-Ob. 1935

Rezensent:

Kesseler, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 11.

202

rnahlslehre bekannte, seit 1559 in Verbindung und in
Übereinstimmung mit der Conf. Aug. zu halten; vielleicht
war es ihm auch Ernst damit, so daß er nicht nur
den politischen Schutz der Augsburgischen Konfessionsverwandten
suchte. Die Methoden aber, die der Kurfürst,
dem die Geschichte ob seines Religionseifers und ob seiner
Sittenstrenge den Beinamen „der Fromme" gegeben
hat, in der Oberpfalz anwendete, um das gut lutherische
Land zu calvinisieren, waren durchaus untauglich und
mußten versagen, so daß der fromme Kurfürst bei seinem
Tode keine befriedete blühende Kirche, sondern ein
Trümmerfeld einer früheren Kirche zurückließ (1576).
Sein Sohn und Nachfolger Ludwig VI. (t 1583) machte
dem lutherischen Bekenntnis keine Schwierigkeiten, und
mit Friedrichs Enkel, Friedrich IV. (f 1610), setzt dann
die zweite Calvinisierung der Oberpfalz ein.

Götz legt seiner Darstellung an ungedruckten Quellen
in erster Linie die Akten der Amberger Archive, des
Staatsarchives und des Stadtarchives zu Grunde und
stützt sich vielfach auf die noch heute wertvollen Publikationen
zur Regierung Friedrichs III. von August
Kluckhohn (1866ff.). Nach einer kurzen lebendigen
Skizze von Leben und Regierung Friedrichs III. (S. 6
bis 35) schildert G. 1. den ersten Amberger Landtag,
die Aufhebung der Klöster und die Einrichtung eines Pädagogiums
in Amberg (S. 35—64), es folgt 2. der zweite
Amberger Landtag und das dortige Religionsgespräch
1566 (S. 64—100), 3. die Durchführung des Amberger
Religionsmandates (S. 100—125) und 4. die Visitation
des Jahres 1574 (S. 125—150).

Vielfach mag es sich bei den Forderungen des Kurfürsten
um Abschaffung in der Tat überflüssiger Äußerlichkeiten
handeln, so hinsichtlich des Ave Maria-Läutens
und des Angstläutens. Zusammenfassend forderte
der Kurfürst nach dem zweiten Amberger Landtag 1567
1- Abschaffung von Chorrock und Kommunikantentüch-
lein. 2. Die Einsetzungs- und Konsekrationsworte sollen
nicht über die Elemente, sondern zur Gemeinde gewendet
gesungen — oder besser gesprochen werden. 3. Der
Exorzismus bei der Taufe soll fortbleiben. 4. Die Gebote
sollen nach der durch Exod. 20, 2 und Deut. 5, 6
erweiterten Form gelehrt und gelernt werden. 5. Neben
dem Ave Maria-Läuten und dem Angstläuten soll auch
die Benutzung lateinischer Gesänge und des Tenebrä
verboten sein und 6. soll der letzte Rest von Altären,
Kruzifixen und Bildern entfernt werden. Damit führte
der Kurfürst nach dem Landtage aus, was er während
der Landtagsverhandlungen gemeint hatte, als er neben
Unterlassung des gegenseitigen Condemnierens, der Zurückhaltung
von der anderen Lehre und den ihr entsprechenden
Sakramenten, der Verwendung nichtbiblischer
und nichtaugsburgischer Ausdrücke im Abendmahl
vor allem die Unterlassung abergläubischer Zeremonien
forderte.

Diese seine Forderungen, von denen die lutherischen
Geistlichen der Oberpfalz meinten, daß sie nicht nur
Äußerlichkeiten beträfen, sondern das Gewissen berührten
, suchte der Kurfürst mit allen Mitteln der Regierung
durchzusetzen. Das ging leidlich in den Mannsklöstern,
Wo die Klosterzucht zerfallen und die wenigen, z. T. alten
und kranken Konventualen keine Schwierigkeiten
machten: so wie diese auf Befehl der Regierung, die die
Klöster an sich ziehen wollte, lutherisch geworden waren
, so wurden sie jetzt calvinisch. Mit Erfolg und mit
beispielhafter Energie widersetzten sich aber die Frauenklöster
, die Kurfürstin-Witwe Dorothea (Gemahlin weiland
des Kurfürsten Friedrichs II., geborene Prinzessin
von Dänemark t 1580), der Kurprinz-Statthalter und
die Städte, vor allem Amberg und Nabburg. Die Äbtissin
von Kastl, alt, schwach und krank, wehrte sich bis
zu ihrem Tode und lehnte jedes Angebot und jeden
Vergleich mit der Regierung ab, so daß man sie in Ruhe
ließ. Dazu sagt dann G. „Unwillkürlich drängt sich
hierbei der Gedanke auf: wenn eine einzige von Krankheit
und Alter gebeugte Frau derartige Erfolge bei der

Regierung erzielen konnte, was hätten dann erst die
sämtlichen Klostervorstände erreicht, wenn sie sich einheitlich
und mit gleicher Energie für ihre Stifte eingesetzt
hätten!" (S. 52).

Die gleiche und vielleicht eine noch stärkere Energie
setzten die Städte in diesem Kampfe ein. Aber es scheint
wohl das Schicksal aller im Abwehrkampfe gegen kirchezerstörende
Gewalten stehenden Fronten zu sein, daß
sie ihre Kräfte nicht einheitlich, geschlossen und zielbewußt
einsetzen. So haben die kirchlichen Gegner des
Calvinismus damals in der Oberpfalz ungeheure Energie
verschleudert, um hier und da kleine Zugeständnisse
und augenblickliche Vorteile zu erreichen. Aber im Ganzen
haben sie das Resultat, das die Kirche zu einem
Trümmerfeld machte, nicht abwenden können. Was waren
der Stadt Amberg mit der Gründung des Pädagogiums
für große Möglichkeiten gegeben, die damals
nicht erfaßt und nicht genutzt werden konnten! Das
ganze Vorgehen der kurpfälzischen Regierung auf dem
Gebiete der lutherischen Kirche der Oberpfalz mußte —
wie immer — ohne Erfolg bleiben, weil auf dein Boden
der Kirche mit der Kirche wesensfremden Mitteln und
Methoden nicht gearbeitet werden darf.

So erinnern Kampf und Abwehr dieser Jahre und
auf diesem Räume der Kirche an Kirchenkämpl'c anderer
Jahrhunderte und in anderein Milieu. Mancherlei Einzelheiten
sind geradezu groteske Vorbilder späterer z. B.
heutiger Ereignisse. So stellt sich der Administrator-
Pfalzgraf Richard von Waldsassen in der Abwehr kirchlicher
Eingriffe seitens der Heidelberger Regierung hinter
die Kurfürstin-Witwe und meint (S. 104), es wäre
auch ,wunderlich und erbärmlich' anzuhören, wenn man
fortan auf den Kanzeln nicht mehr vor Sekten oder
Schwärmereien warnen dürfe, ,wie die mer namen haben
mögen'; er wenigstens wolle dieses den wenigen Predigern
, die ihm unterstünden, auf keinen Fall verbieten.
S. 109 und 124 berichtet G. von Ereignissen und Zuständen
, Besitzergreifung von Kanzel und Altarrauin
durch sich bekämpfende Geistliche, die sich durch Stimmaufwand
gegenseitig zu überbieten suchen---kurz:

Zustände, wie wir sie 1934 vermutlich nicht nur in
Berlin erlebt haben! So betrüblich es ist: es ist doch
alles schon dagewesen! Man möchte angesichts der
mancherlei Belehrung und Anregung, die das Buch von
(i. vermittelt, darauf verzichten, kleinliche Korrekturen
hier und da anzubringen. Es wäre erwünscht, wenn das
Buch nicht nur die Fachgelehrten, sondern weite für
kirchliche Dinge interessierte Kreise in die Hand nähmen.
Berlin. otto Lerche.

Kiefer, Dr. theol. Robert: Die beiden Formen der Religion

des Als-Ob. Hauptsächlich dargest. an De Wette u. Overbeck.
Langensalza: H. Beyer&Söhne 1Q32. (155 S.) 8°. = Bausteine zu
einer Philosophie des Als-Ob. Neue Folge. Hrsg. v. H. Vaihinger.
H. 4. Fr. Manns Päd. Magazin. H. 1359. RM 6—.

Das Schriftchen bietet in gedrängtester Fülle, um
nicht zu sagen: Überfülle, Zeugnisse aus Theologenmund
für eine subjektivistische Theologie. Anknüpfend an
Vaihingers Fiktionismus wird ein radikaler Fiktionismus
von einem gemäßigten Fiktionismus, besser Symbolismus
oder Symbolofideismus, unterschieden. Jener bestreitet
die religiöse Wahrheit, dieser die präzise Erkennbarkeit
der religiösen Wahrheit im wissenschaftlichen Sinne. Für
jene erste Auffassung wird in erster Linie Overbeck als
Kronzeuge genannt und analysiert; als Beispiel für die
zweite Auffassung wird vornehmlich De Wettes .ästhetische
Religion" dargestellt.

Eine große Reihe bedeutender und weniger bedeutender
theologischer Zeugen für bewußten und unbewußten
, radikalen und gemäßigten Fiktionismus von den
Primitiven an über die griechischen Tragiker zu Jesus,
Luther, Schleiermacher bis zu neuesten Vertretern kommt
auf rund 40 Seiten zu Wort und soll die Unvenneidlich-
keit des symbolistischen Denkens in Theologie und Glauben
und des Verzichtes auf objektive Wahrheit dartun.