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Ausgabe:

1935 Nr. 11

Spalte:

197-198

Autor/Hrsg.:

Adam, Karl

Titel/Untertitel:

Jesus Christus 1935

Rezensent:

Rahe, Wilhelm

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Seite 1

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197

Theologische Literaturzeitung 1935 Nr. 11.

198

und für die er dem Verfasser stets zu Dank verpflichtet
ist.

Königsberg, Pr. Wolfgang Krause.

Hoffmann, Lic. Gerhard: Das Johannesevangelium als Alterswerk
. Eine psychologische Untersuchung. Gütersloh : C. Bertelsmann
1933. (183 S.) 8°. = Neutestatnentliche Forschungen. Hrsg. von O.
Schmitz. 4. Reihe: Evangelienprobleme, 1. H. RM 4.80; geb. 6—.
Das Buch zerfällt in drei Teile: 1) eine psychologische
Analyse des Greisenalters, 2) eine psychologische
Analyse des Joh.ev. und 3) einen Vergleich zwischen
1. und 2. Teil 1 ist eine rein psychologische Untersuchung
über die Struktur des Alters, die zu beurteilen der
Rezensent sich enthalten muß, da er auf diesem Gebiet
Laie ist. Erst in Teil 2 geht der Verf. auf das Joh.ev.
ein, und zeigt, der Einteilung seines ersten Teiles genau
folgend, wie dieselben Erscheinungen, die er als für das
Alter charakteristisch herausgearbeitet hatte, sich auch
bei Joh. finden. Der dritte (ganz kurze) Teil hebt diese
Gemeinsamkeit noch besonders hervor und schließt mit
dem Ergebnis, daß das Joh.ev. das Werk eines Greises
sein m u ß. Ob es sich dabei um den Jünger Jesu Johannes
handelt, beantwortet der Vf. nicht; das zu untersuchen
, hatte er sich auch nicht zur Aufgabe gestellt.

Es ist für die Beurteilung des Buches vielleicht ungünstig
, daß ein Nicht-Psychologe es anzuzeigen unternimmt
. Der Rezensent kann jedoch nicht umhin, zu
sagen, daß ihm vieles unwahrscheinlich und gekünstelt
erscheint. Diese Behauptung muß belegt werden: auf
S. 38 f. legt der Vf. dar, daß es zur Struktur des Alters
gehöre, daß die Dauer der Aufmerksamkeit abnimmt.
S. 90 ff. will er beweisen, daß dieses beim Joh.ev. der
Fall sei; es zeige sich: im Vergessen der Situation, im
vorzeitigen Abbruch des Berichts und im Ablenken vom
Thema (die Belegstellen sind bekannt). Mir will es nicht
einleuchten, daß dies alles Zeichen des Alters bei Joh.
sein müssen. Kann das alles nicht eher durch seine
schriftstellerische Eigenart, sein Interesse nur für den
einen Gegenstand u. a. m. verursacht sein? Ganz abgesehen
davon, daß hierbei auch die Frage der Schichten
im Joh.ev., die der Vf. nur kurz streift, eine Rolle spielen
kann. Oder ein anderes Beispiel: der Vf. stellt für das
Joh.ev. fest, daß die Lichtempfindungen hier sehr zurücktreten
; natürliches Licht finde sich nur 18,3 erwähnt
(S. 96). Seite 172 meint er, daraus auf physische Augenschwäche
des Joh. schließen zu können. Überhaupt
muß er für Joh. eine „Abnutzung des psychophysischen
Apparats" feststellen, d. h. „das Zurücktreten der optischen
Eindrücke, die mangelnde Dauer der Aufmerksamkeit
, die geringe Kraft und Bewegtheit der Vorstellungen
. . . das Zurücktreten des libidinösen Gefühls und
die Langsamkeit des allgemeinen psychischen Tempos"
(S. 174).

Mir ist es sehr zweifelhaft, ob das alles wirklich auf
dem vom Vf. eingeschlagenen Wege feststellbar ist, ja,
ob dieser Weg überhaupt zum Ziele führen kann. Wenngleich
ich auch, wie schon betont, als Nicht-Psychologe,
mit dem Urteil zurückhaltend sein muß, so kann ich doch
nicht anders, als zu urteilen, daß wir der Eigenart des
Johannesevang. so nicht gerecht werden.
Göttingen. H. Seesemann.

Adam, Karl: Jesus Christus. Augsburg: Haas & Grabherr 1933.
(351 S.) 8°. geb. RM 8—.

Karl Adam teilt sein Buch, das auf Vorträge bei den
Hochschulwochen 1931 in Salzburg und hernach an der
Universität Tübingen zurückgeht, in acht sich glücklich
gegenseitig ergänzende Abschnitte. Ausgehend von einer
Äußerung in Dostojewskis Entwurf zu den „Dämonen",
daß es sich in der Frage nach dem Glauben „um die
dringende Frage handelt, ob man als zivilisierter, als
europäischer Mensch überhaupt glauben, nämlich an die
Göttlichkeit des Gottessohnes Jesus Christus glauben
könne, — denn darin besteht eigentlich der ganze Glaube
", erkennt Adam an, dies sei zu einem Gutteil die
Frage, um die es in seinen Vorträgen gehe. Die „ganze
Frage" freilich besteht für ihn nicht darin, daß Christus
Gott, sondern daß er Gottmensch ist. Von hier aus
kommt er zu dem Satze: „Der Ort des christlichen
Interesses ist in dieser Weltzeit, genau gesehen, nicht
die Sphäre der Gottheit, nicht der vorzeitliche Logos für
Sich allein, sondern dieser Mensch Jesus, der durch
Seine Wesensverbundenheit mit der Gottheit und in
Kraft dieser Wesensverbundenheit durch Sein Sterben
und Auferstehen unser Mittler, unser Erlöser, unser
Heiland geworden ist" (S. 13). Der Jesuanismus der
liberalen Theologie hat das Mysterium der Erlösung
entstellt; die griechisch-russische und manche orientalischen
Liturgien, auch einzelne Vertreter der dialektischen
Theologie, gegen die Adam häufiger Stellung
nimmt, verzeichneten das Christusbild, da sie mehr von
der Erscheinung Gottes als von der Erscheinung Gottes
im Menschen sprachen. Adam befürchtet, daß hier die
Menschheit Christi ihre besondere Heilsbedeutung einbüßt
. — Zu dem Wesentlichen des Christentums wird
sein eschatologischer Charakter, seine sakramentale Eigenart
und seine soziologische Gestalt, d. h. die Verbundenheit
der Glieder mit ihrem Haupt, gerechnet
(S. 22ff.). —

Nach prinzipiellen Ausführungen über die Grundhaltung
des Fragens und Forschens untersucht der Verfasser
, wie „das Suchen und Finden des Christus, der
Glaube", beschaffen sein muß. Nur auf dem Wege des
Glaubens kommt der Mensch zum Bekenntnis des ganzen
Christus. In diesem Zusammenhang ist es Adam
sehr wichtig zu unterstreichen, daß „dieser übernatürlich
erzeugte Glaube an das Geheimnis Christi" nicht
wurzellos sei, vielmehr „auf deutlichen historischen Einsichten
in die Glaubwürdigkeit Jesu und Seines Werkes"
ruhe. Dieses Glaubwürdigkeitsurteil ist von der Gnade
„durchseelt und durchhellt". Hinter manchen Aussagen
des Verfassers, die von seinen dogmatischen Voraussetzungen
aus zu erklären sind, muß freilich ein Fragezeichen
gemacht werden; so erklärt er einmal, die Ur-
christenheit, ja Christus selbst habe niemals und nirgends
den Weg der gratia sola empfohlen (S. 56). —
Umso mehr wird man der Behauptung zustimmen, daß
weder die Juden noch die Hellenisten von sich aus zu
dem Christusbild der Evangelien kommen konnten; das
Wort vom schöpferischen Gemeindeglauben und Heroenkult
ist falsch und trügerisch (S. 100). — Nach gründlicher
Darlegung der geistigen Gestalt, des Innenlebens
und der Selbstaussagen des Christus, der auch der
evangelische Theologe im wesentlichen wird beipflichten
können, folgen die beiden wichtigen Schlußkapitel: „Die
Auferstehung des Christus" und „Das Kreuz des Christus
". Die Visionshypothese alter und neuer Art ist,
auch wenn sie immer wieder ihr Haupt erhebt, in ihrer
Grundlage „morsch und brüchig". Die Frohbotschaft
von der Auferstehung ist zugleich die Frohbotschaft vom
Heilstod Jesu (S. 294). —

Adams Buch hat in den Kreisen, für die es geschrieben
ist, ohne Zweifel eine Mission. Der Mensch und
der Christus stehen sich — darum geht es letzten Endes
— wie Frage und Antwort, wie Sehnsucht und Erfüllung
gegenüber (S. 341). So wird das Buch zu
einem Weckruf zur Scheidung der Geister. — Die tiefgründige
, gut lesbare Darstellung, die auf ausgezeichneter
Beherrschung der Schriften des Neuen Testaments
und der Aufgaben und Fragen der einschlägigen Forschung
beruht (vergl. auch die Anmerkungen und Belege
!), soll nach der Ankündigung des Verlags „den
wahrhaft katholischen und gelehrten Ertrag einer jahrzehntelangen
Auseinandersetzung mit den biblischen
Christusproblemen" bringen. Die Lektüre bereichert und
ist jedem Theologen und theologisch Interessierten wann
zu empfehlen.

Minden (Westf.). W. Rahe.