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Ausgabe:

1934 Nr. 10

Spalte:

175-177

Autor/Hrsg.:

Eichrodt, Walther

Titel/Untertitel:

Theologie des Alten Testaments ; 1.Gott und Volk 1934

Rezensent:

Meinhold, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 10.

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Rücksicht auf den Kultus als Motiv der Auswahl genügt
. — In den letzten Kapiteln werden dann noch einige
Linien zum Vergleich von Mithraskult und Christentum
gezogen. Natürlich liegen die wesentlichen Probleme,
die Fragen, warum Mithras dem Christentum so gefährlich
und dann doch wieder nicht entscheidend gefährlich
wurde, nicht auf dem Gebiet der Denkmalsinterpretation
. Sie sind also hier nicht zu diskutieren.
Wohl aber glaubte ich meine Dankbarkeit für das Buch,
aus dem ich reiche Belehrung geschöpft habe, vor allem
in dem Hinweis auf das Diskutable und darum zu diskutierende
ausdrücken zu sollen. Denn es wird hoffentlich
die Wirkung des Werkes sein, daß die Debatte
der vielen und großen Probleme, die die Mithrasdenk-
mäler der Forschung stellen, nun nicht wieder zur
Ruhe kommt.
Heidelberg. Martin Dibelius.

Eichrodt, Prof. D. Walther: Theologie des Alten Testaments.
Teil 1: Gott und Volk. Leipzig: J. C. Hinrichs 1933. (VIII, 292 S.)
gr. 8°. RM 6.50 ; geb. 7.50.

Von der schon länger zu erwartenden Theologie des
A. T. Eichrodts ist hiermit der erste Band erschienen.
Band 2 (der Schluß des Werkes), der von „Gott und
der Welt" (Teil 2) und „Gott und den Menschen"
(Teil 3) handeln soll, werde, heißt es, in Kürze herauskommen
. — "Der erste Band redet durchweg vom
„Bund" (§ 2 Bundesverhältnis, § 3 und 4 Bundessatzungen
, § 5 der Name des Bundesgottes, § 6 und 7
das Wesen des Bundesgottes, § 8 und 9 Organe des
Bundes, § 10 Bundesbruch und Gericht, § 11 die Vollendung
des Bundes). — Man sieht schon aus dieser
Inhaltsangabe, daß hier alles unter einen Gesichtspunkt
gebracht ist. Und tatsächlich haben wir es mit
einem in sich geschlossenen Werk zu tun, mit dem sich
jeder Forscher ernstlich auseinandersetzen muß. Mit
Absicht und Consequenz sind die Bahnen „der A.t.
Religionsgeschi'chte" verlassen, der „blutleeren Abstraktion
des ethischen Monotheismus" der Krieg erklärt.
Eichrodt greift auf die systematische Behandlungsweise
des Gegenstandes durch G. F. Oehler, A. Dillmann
und H. Schultz zurück. Allerdings sucht er bei den
einzelnen Punkten der geschichtlichen Entwicklung gerecht
zu werden. — Es versteht sich von selbst, daß man
sich gegenüber einem so großangelegten Werke nicht
in Bemängelung von Einzelheiten verlieren kann —
da wird der „kritische" Forscher ja sehr viel beanstanden
betr. Alter und Authentie vieler Worte, betr. das
Alter der Gesetze einschließlich des Dekalogs usw. —
Vielmehr kommt es zunächst auf die Gesamthaltung
an. Der das Ganze tragende Gedanke ist der, daß der
lebendige Gott — als Jahwe sich dem Mose erschlossen
und also mit ihm und durch ihn mit Israel einen Bund
machte. Hier handelt es sich, in Abweichung von den
religiösen Vorstellungen der anderen Völker, um ein
wirkliches und tätiges Hereingreifen des überweltlichen
Gottes, — der mit Vorliebe als der „ganz andersartige"
bezeichnet wird, ein Ausdruck, der dem Theologen aus
neuerer Zeit ja nicht unbekannt ist — in die Geschichte,
hier also die Geschichte Israels: Dieser Bund darf nun
nicht als unverbrüchlich und unveränderlich gelten.
Vielmehr der lebendige Gott durchwaltet und durchwirkt
die Geschichte seines Volkes auf ein Ziel hin. Das
Ziel aber ist die endgültige Überwindung des Bösen,
die Schaffung einer neuen paradiesischen Welt durch
das Gericht. Die Träger dieser Gedanken sind die
Profeten, die ja die Aufgabe haben, Unruhe zu wirken
und also den „Bund" in lebendiger Bewegung zu halten.
Und es gilt auch schon von den ältesten „Profeten"
den Nabierscharen, die man nicht mit den Ekstatikern
in anderen Religionen auf gleiche Stufe stellen sollte, da
doch der wirkliche, lebendige Gott sich ihrer bediente.
— Hier dürfte man gewiß Bedenken haben und äußern.
Wenn es S. 167 heißt: bei den Griechen war „der
von Gott begnadete Mensch evikog, von Gott selbst besessen
und erfüllt. Das ist beim hebräischen Nabi undenkbar
. Nicht Jahve, nur sein Geist geht in die Menschen
ein, und auch er nur zeitweilig", so ist es doch
zum mindesten fraglich, ob wir berechtigt sind, diese
feine Unterscheidung zwischen dem Besessensein vom

i Geist Jahves und Jahwe selbst im Sinne der alten
Israeliten und der Profeten zu machen. Wenn Eichrodt
doch in Israel die Vergöttlichung des lebenden Königs
mit Hinweis auf den (1. Kön. 10,18) Thron Salomos
und den Königs-Psalm 45, 7 (dein Thron, o Gott,
wird ewig dauern", wo m. E. ein rrrr als mrr verlesen
und, weil in „elohimischem" Psalm zu DTrbN gemacht

! wurde, so daß es eben ursprl. heißt: Dein Thron wird

l ewig dauern) für möglich hält, was ich nicht glaube,
dann könnte ein Gleiches doch auch von den gottergriffenen
Ekstatikern gelten. Es gibt jedenfalls zu denken
, daß die Profeten doch häufig genug ihr Wort als
Jahwes Wort so stark empfinden, daß ein Widerstreben
gegen ihre Weisung ein Ungehorsam gegen Jahwe ist.
Jahwe tritt doch gewissermaßen dem Ahas in Jesaja
entgegen. (Vgl. Jes. 7,13 und 30,1 ff., 30,15 u. ö.)
— Auch die einseitige Betonung der Gerichtsverkündi-
gung bei den Profeten scheint mir über das Ziel hinauszuschießen
. Gewiß bei der Berufung des Jesaja (K. 6)

1 mag das treffend sein, wenigstens wenn man die

I Schlußworte „ein heiliger Same ist sein Wurzelstamm"
V. 13c streicht, was ich auch tue. Aber darnach rechnet

i doch Jesaja mit einem Rest, wie der Name seines Sohnes
Schear-jaschub' 7,3 zeigt und kämpft um diesen
Rest. Die Hoffnung, daß ganz Juda (gegenüber Israel)
der Rest sein und bewahrt werden möge, wird ihm
durch das Benehmen des Ahas zerstört, so bildet die
kleine Gemeinde der Gläubigen um ihn den „Rest"
(8,18), der die Gefahr und das Gericht überdauern
wird (14, 32 b) und, weil er sich trotz Versuchung und
Anfeindung (8, IQ ff.) bewährt, zum Grund- und Eckstein
des neuen Staates gemacht wird (28; 16). — Auch
bei Arnos kommt man mit dem Gerichtsprediger m. E.
nicht aus. Seine ersten Visionen von dem Heuschreckenfraß
(7,1—3) und von dem alles verzehrenden Feuer
(7,4—6) zeigen doch, daß Jahwe auf die Fürbitte des
Arnos vom Gericht Abstand nehmen will. Erst, nachdem
Arnos nun nach Nordisrael gewandert ist, dort die
sittliche und kultische Verwilderung mit eigenen Augen
gesehn, ist es ihm gewiß, daß Jahwes Gericht kommen
muß. Das zeigen die späteren Visionen vom Lotblei

I (7,7 ff.), vom Obstkorb (8,1 ff.), von der Zerstörung
des Tempels (9,1 ff.), zeigen seine Reden. Und der
Grund für dies sein Urteil ist doch, trotz aller gegenteiligen
Behauptung, daß sie Jahwe den „Heiligen"

! d. h. den über der Welt der Vergänglichkeit und Ohn-

i macht wie über der Welt der Unreinheit und Sünde
Erhabenen durch ihr religiöses und sittliches Verhalten

I zum Gericht zwingen. Und auch da ist bei aufrichtiger
Umkehr „Gnade" noch möglich (5, 6; 15). Ja, es kann
sein, daß sein Gerichtswort nur das Nordreich (= Israel
bei Arnos) betrifft, das Südreich dagegen einer
Blüte entgegengeht, die zerfallene Hütte Davids wie-

i der aufgerichtet wird (9,11). — Trotz dieses Widerspruchs
(und vieler anderer bes. betr. die messianischen

1 Weissagungen z. B. Judaspruch Gen. 49,8—12, Bileam-
worte Num 23 f. u. a. m. S. 256) ist doch anzuerken-

! nen, daß wir es hier mit einem großen Wurf zu tun
haben. Lehrreich sind doch die Ausführungen über
das Königtum und seine Einordnung in den Jahwis-
mus, über Priester und Kultus, vor allem aber über die
dauernde lebendige Bewegung in der israelitischen Religion
trotz mancher Widerstände und Versteinerungserscheinungen
. Vor allem ist wichtig, daß E. gegen
Übertragung falscher Mystik auf den Boden des A.T.

I mit Glück ankämpft, Gott als den Erhabenen, den
Qadosch, heraushebt, der sich ja in Israel offenbart
und durch Israel in Jesus der Menschheit, womit dann
die Aufgabe Israels erfüllt ist.

Es wird Sache der Forschung sein, die reichen