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Ausgabe:

1934

Spalte:

166-167

Autor/Hrsg.:

Reisner, Erwin

Titel/Untertitel:

Kennen, erkennen, anerkennen 1934

Rezensent:

Winkler, Robert

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16B Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 9._166

--■---—--T~~ ... Testa- Reisner, Erwin: Kennen, Erkennen, Anerkennen. Eine Unterlichen
Theologie", „Die Bedeutung des l^ suchung ü. d. Bedeutung von Intuition u. Symbol i. d. dialektischen
ments für den christlichen Glauben". . ' Theologie. München: Chr. Kaiser 1932. (141 S.) 8°. = Eorschgn. z.

Die grundlegenden Gedanken gruppieren sicn um uie Lehre d Protestantjsmus. Hrsg. v. P. Althaus, K. Barth u.
Begriffe? Glaube und Wort Gottes. Der die Aufsatze Hejm. 5 Reihc. Bd. ,„. RM 6.70.
Snenha tende Titel gSt den neuen Gesichtspunkt Die vorliegende Arbeit will eine „kritische Inter-
m SSterdenensie B angesehen wissen will: Glaube retation" der dialektischen Theologie geben. Der V.
ist ein Verstehen" das Wort Gottes ist ein „verstand- tränkt sich dabei auf die philosophische Seite d!eser
liches"'Wort Dieses Glauben gehört zum He.lsge- Theologie, die „weitaus die bedeutendste^philosophische
schelten «4hst ist selbst Offenbarung (S. 212). Ent- Erscheinung unserer Gegenwart" sei (S. 15). Ihr soll
brechend ist das Wort Gottes nicht Mitteilung von in ,ihrem eigenen Anliegen voll und ganz entsprechende
^ GeschO in Szene gesetzt hat son- äes erkenntnistheoretisches Fundament" gegeben werden
dieses Geschehen selbst (S. 179). Daher ist auch den (S m) Das geschieht mit einem von dem V. ge-
dS Glaube nicht ™ verstehen als die Einsicht in ewige schafV€nen Begriffsapparat, in dem die Begriffsreihe:
WahVhSen, sondern das Ereignis in dem ]e und je das K€n Erkennen, Anerkennen und der Begriffsgegen.

satz: Anwesenheit—Abwesenheit die Hauptrolle spielen.
Wenn ich richtig verstanden habe, verhält es sich damit
in Kürze so:

Beim „Kennen" ist das Gekannte im Akt „anwe-
s e n d". Es liegt hier eine, wie man heute sagt, existentielle
Haltung vor. Im „Erkennen" bekommt

Wort Gottes für den Menschen lebendig wird• „Das
Wort der christlichen Verkündigung und die Geschichte,
die es mitteilt, fallen zusammen" (S 291). ,,Uas L.nn-
stusgeschehen' setzt sich in der «liehen Verkündigung
fort« (S. 289) Das "™ Versteh^,rt^so

gleichzeitig ein neues Leben (3- .... „_. «.. uciwmuii

Gottes sagt das muß sich dann herauslesen lassen d „Erkennende" nur mit dem Bild von der Sache

zu tun, wahrend die Sache selbst dem nach ihm greifenden
„Erkennen" ständig entgleitet. Die Sache bleibt
beim „Erkennen" in „Abwesenheit" (unexistentielle
Haltung). Das „Erkennen" will sich des „Erkannten"
bemächtigen und hat es gerade deswegen nicht „erkannt
". Es bleibt letztlich mit sich allein; und dieses Mit-
sich-allein-sein ist eben nichts anderes als die „Abwesenheit
" der Sache. Im „Anerkennen" verzichtet das
Denken darauf, die Sache in den Bereich seiner Sphäre
hineinzuziehen. Sie wird in ihrer Fremdheit anerkannt,
die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt total zerrissen
. In einem noch vollständigeren Sinn als beim „Erkennen
" ist die Sache „abwesend" und das mit ihr sich
beschäftigende Denken unexistentiell.

Die dialektische Theologie ist nun nach dem V. eine
solche Theologie der „Anerkenntnis". In drei Kapiteln
wird dies der Reihe nach daran gezeigt, wie sie das
Verhältnis zwischen Gott und Mensch, zwischen Du und
Ich und zwischen Heiligem Geist und Ich sieht. Sie
bleibe daher in einem noch radikaleren Sinn als etwa
der Idealismus mit seiner Theologie der „Erkenntnis"
unexistentiell. Der Fehler aber liege darin, daß sie ihren
Standpunkt verabsolutiert und ihre Dialektik nicht konsequent
genug gegen sich selber wendet. Und das sei wieder
die Folge davon, daß sie nicht mit genügender Klarheit
um die existentielle Mitte zwischen der idealistischen
„Überwirklichkeit" und ihrer eigenen „Unterwirklichkeit"
(S. 25), um den „Existenzrest" wisse. Um diese Mitte
habe alles theologische Denken zu kreisen. R. will
also barthischer als Barth selbst sein; er wendet sich dagegen
, daß sich die Dialektik Barths (ungefähr seit dem
Erscheinen seiner ersten Dogmatik) als Position gebe.
So wird noch deutlicher als bei Barth selbst, daß in
seiner Theologie, wie bei der Mystik, nur aus einem entgegengesetzten
Grunde, aus zu weitgetriebener Unexi-
stentialität nämlich, das Verstummen das letzte theologische
Wort ist; daß es sich in der Dialektik um
Mystik mit umgekehrten Vorzeichen handelt.

Zu dem gleichen Urteil kommt man im Hinblick
auf den Gedankenkomplex, auf den sich letzten Endes

aus der Existenz, in der es lebendig geworden ist.
Seine Interpretation hängt von der jeweiligen Erschlos-
senheit der eigenen Existenz ab (S. 122). „Die Möglichkeit
des Wortes, verstanden zu werden fällt zusammen
mit der Möglichkeit des Menschen, sich selbst zu verstehen
(S. 284). „Will man von Gott reden, muß man
von sich selbst reden (S. 28). Es gibt daher ein christliches
Vorverständnis der christlichen Verkündigung (S. 311).

Dieser Gedankengang, der den Glauben als Verstehen
begreiflich machen will, wird nun aber durch
dialektische Reste gehemmt. Das Verstehen des Glaubens
ist nicht die Einsicht in einen Sinngehalt, sondern
es ist Glauben (S. 291). War vorher das Wort ein
verständliches Wort, so heißt es jetzt: Gottes Wort
hat keine Legitimation bei sich, sondern fordert Anerkennung
(S. 282). Es wird nur im Hören verstanden,
man kann es aber nicht sehen (S. 174, 271, 273,
276, 324). Seiner Wahrheit wird man nicht in der
Weise der Intuition gewiß. Das Verstehen des Glaubens
ist also doch kein eigentliches Verstehen, das einen
unmittelbaren Lebenszusammenhang zwischen dem Verstehenden
und dem Verstandenen voraussetzt. So bleibt
eine gewisse Unausgeglichenheit. Es überwiegt aber
der Eindruck, daß sich B. von der dialektischen Theologie
wegentwickelt. Barth versteht das Glauben nur
als Anerkennen. Ähnlich wie Reisner in seiner Schrift:
„Kennen, Erkennen, Anerkennen" erkennt B. in dem
anerkennenden Glauben einen „Existenzrest" an. (Vergl.
meine Besprechung in der Theol. Ltztg. 1934, Sp. 166)
Noch 1924 hatte er mit Barth dem paradoxen Luther-
Wort zugestimmt, daß wir nur glauben, daß wir glauben
. Jetzt aber ist er in Verfolg seiner Deutung des
Glaubens als eines Verstehens bis zu dem Gedanken
einer natürlichen Theologie vorgestoßen, die zwar nicht
als Vorstufe oder Unterbau für die eigentliche dogmatische
Aufgabe zu gelten habe, die aber ein ständiger
Bestandteil von ihr sei. Barth spricht deswegen von
»erschütternden Äußerungen" Bultmanns (Z. d. Z. 1933,
S. 313). Es ist der Einfluß der Existenzphilosophie
Heideggers, — ihm ist auch die Sammlung gewidmet
— der die dialektischen Gedankengänge stört. Aber | aUT a€n ueaanKenKompiex, am uen s
immer noch steht Barth im Hintergrund. Das Ver- I ^ie Sanze Problematik R.s zurückzieht,
stehen des Glaubens soll nur ein hörendes sein. | 'n a'Iem unseren „Erkennen" und seiner Umstül
Der Sinn dieses Bildes ist nicht eindeutig. Soll mit | dem „Anerkennen", verbirgt sich nach R noch ein

ihm nur darauf hingewiesen werden, daß das Verstehen i Schimmer von „Kennen", von „Intuition" in der di>
des Glaubens dem Worte Gottes auch wirklich nur zu- j Sache wirklich „anwesend" ist. Zum Sündenfall kom ♦
hören und ihm nicht dreinreden darf, so ist das richtig. es erst. wenn sich das „Erkennen" der intuitiven C
Soll es aber, wie bei Barth, darauf hinweisen, daß ! ha]*e bemächtigt und sie in „Symbolen" ausdriir-t*»

- will nnrm rorlP man aber srhnn nirM mp(lr ,°™C^n

das Wort Gottes vom „Verstehen" des Glaubens in
unein„sichtigem" Gehorsam (in Gegensatz zum Hören

will. Dann rede man aber schon nicht mehr von der
Sache, sondern von Bildern, die man sich selber gemacht
habe.

wird das Sehen gestellt) hingenommen werden muß, mac»T naoe. , , , , „

• a j ■ ■ - & .1 ' <• m°hr o A;rf+~ „,,„„,„„„' Oerade hier ist R. in seinem terminologischen Festlegungen nicht

so ist das kein Vers eben < mehr. B. durfte gezwungen bestjmmt Nach 8. 3r ist die IntujtiKon h] CT

sein, entweder den Titel seines Sammelbandes oder die aber ein Anschauen nur meines Bildes von Wirklichkeit „nd nicht der

dialektischen Reminiszenzen preiszugeben

Heidelberg. Robert Winkler.

Wirklichkeit selbst". Darnach wäre schon die Intuition der Sündenfall
des Erkennens. Aber S. 41 wird von dem .Wahrheitsgehalt" der Intui-