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Ausgabe:

1934 Nr. 9

Spalte:

162-164

Autor/Hrsg.:

Caspar, Erich

Titel/Untertitel:

Geschichte des Papsttums ; 2.Das Papsttum unter byzantinischer Herrschaft 1934

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 9.

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mehr wäre es nun verlohnend, die Urkunden auf die
politische Theorie, die religionspolitischen Maxime und
schließlich auf die Theologie und die persönliche religiöse
Überzeugung Konstantins hin abzuhören. Hier
fet noch alles zu tun, trotz E. Schwartz. Um der Publizistik
der Konstantinischen Regierung auf den Grund
zu kommen, wird man den Stil der Urkunden genau
beobachten müssen. Wir besitzen bis jetzt noch nicht
einmal eine gute Zusammenstellung der religiösen Anschauungen
Konstantins, geschweige denn eine Untersuchung
, wieweit wirklich Ks. Überzeugungen in den
Urkunden zum Ausdruck kommen. Es bleibt die Frage,
wieweit die Formulierung der religionspolitischen
Maximen, z. B. die Behauptung von dem Monotheismus
Ks. und dann vor allem die Geschichte von der
Kreuzesvision mit bestimmten Zwecken verbreitet worden
sind. Sollte K. wirklich nur aus solchen privaten
Motiven heraus, um dem Euseb seine fromme Gesinnung
zu beweisen, die Geschichte von der Vision mitgeteilt
haben? Ferner, man kann nicht K. von den
neuen Reichskonzeptionen Diokletians für die Gestaltung
des Imperium trennen. Und dann stellt sich
die Frage, wieweit überhaupt der von K. so oft betonte
christliche Universalismus, der Imperium und
Sacerdotium umfassen soll, seine direkten Wurzeln in
der diokletianischen Aera hat, und ob nicht das Christentum
in dem Prozeß der Entwicklung der Geschichte des
2. und 3. Jahrhunderts, dem sich doch kein Christ
entziehen konnte, die gleichen Grundideen für seine
Verfassung angenommen hat, wie sie sich für die Reorganisation
des Imperium als notwendig erwiesen. Man
wird erwägen müssen, ob nicht in der Behauptung Ks.,
er sei der episcopus ad extra an den Pontifex maximus
•angeknüpft wird. Wie weit haben den Neuplatoniker,
die über politischen Einfluß unter Diokletian verfügten,
Ideen vorgeschwebt, die K. in die Tat umsetzte, aber
mit der Kirche verwirklichte. Man muß einmal die
gesamte Schriftstellerei und Theologie des Euseb darauf
untersuchen, ob nicht in ihr gleiche Konzeptionen
nur mit kirchlichem Vorzeichen vorliegen, wie sie bei
Diokletians Religionspolitik bestimmend waren? Hier
kann ich nur die These aufstellen, daß mir diese Zusammenhänge
sehr wahrscheinlich zu sein scheinen. Alle
diese Fragen ergeben sich, das sei gern zugegeben, infolge
der Lektüre von Bs. Vortrag. Von seinen Voraussetzungen
aus konnte B. nicht auf sie eingehen. Aber
der an Schwartz geschulte Leser wird die bezeichneten
Fragen auf Grund des B.'sehen Buches sehr stark
empfinden. Das ist ein relativer Nutzen dieses Buches.

B. hat seinem Vortrag eine über den doppelten
Druckumfang des Vortrages beanspruchende Bibliographie
und Materialiensammlung beigegeben. Sie ist
das gehaltvollste an der Schrift. Auf die Bibliographie,
die nirgend so komplett zu finden ist, sei ausdrücklich
verwiesen. Auch auf einige Einzelheiten der Ergebnisse
von Bs. Forschung sei wegen ihrer Bedeutung
hingewiesen. Sie zeigen ein unbestechliches Urteil in
vielen sehr zerredeten Fragen.

1. S. 40ff. So richtig die Ablehnung- von Maurice' Behauptungen,
"ach denen erst in den 40. Jahren ein Teil der Urkunden in Eusebs
Vita eingefügt sein soll, — übrigens folgen M. hierin gern eine Reihe französischer
Forscher — so wenig ist es B. gelungen Pasqualis These von
der Überarbeitung der Vita durch Euseb selbst zu widerlegen ; B.s psychologische
Überlegungen (S. 44) sind nicht überzeugend. Durch P.
sind vor allem die Probleme des Textes in II 20 —21, ep. ad provin-
ciales, am wahrscheinlichsten gelöst. Die Parallelität von c. 20 und c. 23
(49, Uff. = 50, 22) ist offenkundig. — 2. Sehr beachtlich ist B.s Annahme
, daß die von Euseb überlieferte Form des sogen. Mailänder Edikts
«ine von Licinius veranlaßte Redaktion des Mailänder Protokolles ist,
jährend Laktanz das von Licinius nach dem Osten gebrachte Original
überliefert. — 3. S. 76 f. macht B. einige hübsche Vorschläge zum Text
und Verständnis der ep. ad Constanin ad Aelafium (Optatus Milev.
App. 3, die teilweise bis zur Unkenntlichkeit verdorben ist. — 4. B. hat
gewiß Recht, wenn er S. 80 sagt, daß K. seine Entscheidung über den
donatistischen Streit Herbst 316 gefällt hat. Denn es ist nicht glaubhaft
, daß K. mehr als ein Jahr gewartet hat, bevor er seinen Vicarius
u°er sein Urteil benachrichtigte. K. ist am 13. 8. 316 in Arles nachweisbar
, am 4. 12. in Serdica, in der Zwischenzeit ist der donatistische

Streit in Mailand liquidiert worden; vgl. Augustin ep. 43, 20. — 5. B.
meint, die Verfolgung des Licinius habe sich nur auf das Heer beschränkt
. Damit lehnt B. es ab, überhaupt der licinianischen Verfolgung
allzu große Bedeutung beizumessen. Um diese Legende zu beseitigen
, müßten einmal Eusebs Darstellungen auf ihre publizistische Absicht
hin untersucht werden. — 6. Zu Note 54. Es muß endgültig erwiesen
gelten durch den Pap. Osloens. II nr. 44, daß der Krieg zwischen
K. und Licinius 324 stattfand, vgl. Zeitschr. f. neutest. Wiss. 30 (1931)
177 ff. Übrigens hat B. die Untersuchungen von Maurice zu den Münzen
hier nicht herangezogen, aus denen klar das Datum 324 hervorgeht.

— 7. Recht wichtig ist die Feststellung von B., daß K. in den östlichen
Provinzen nicht nur wegen der Repressalien des Licinius, die kaum
allenthalben durchgeführt worden sind, sondern wegen der 20jährigen
Unruhen, nicht zuletzt hervorgerufen durch den Wechsel der Kaiser,
als Befreier erscheinen mußte. Schließlich der vornehmste Grund dafür,
daß gerade im Osten das mythische Bild Konstantins entstehen konnte.

— 8. B. hat endlich herausgestellt, daß unter den jtQoeöooi tt);
owooou in Nicäa die Führer der beiden Parteien, die an anderer Stelle
die jtQOVCEÜovTec, toö xdyiiaxoq genannt werden (Euseb Vita III 11),
zu verstehen sind. Den Vorsitz führte eigentlich der Kaiser, ihn vertrat
ein kaiserlicher Beamter, Philumenos, der magister scriniorum vgl.
Philostorgius I 9 a, und Ossius von Kordoba von Seiten der Bischöfe.
Denn sonst stände er nicht an erster Stelle in den Unterschriften zu
den Kanones und dem Symbol. Daß der Kaiser bzw. seine Beamten
als seine Vertreter den Synoden präsidiert haben, geht schon aus der
späteren Übung auf den ökumenischen Konzilien hervor.

Berlin. H.O.Opitz.

Caspar, Erich: Geschichte des Papsttums von den Anfängen
bis zur Höhe der Weltherrschaft. 2. Bd.: Das Papsttum unter byzantinischer
Herrschaft. Tübingen: J. C. B. Mohr 1933. (XIV, 826 S.)
gr 8°. RM 39—; geb. 42.60.

Die ausführliche Besprechung des ersten Bandes
dieses hervorragenden Werkes in Nr. 4 dieses Jahrgangs
unserer Zeitschrift überhebt mich der an sich
nur angenehm empfundenen Notwendigkeit, seine Vorzüge
noch einmal eingebend zu beleuchten. Ich betone
aber, daß der zweite Band hält, was der erste versprach.
Mit sicherer Hand führt uns Caspar durch oft sehr
verschlungene Pfade. Lichtvoll zeichnet er die Bilder
der großen Päpste, eines Gelasius I, den er mit Recht
besonders hoch einschätzt, vor allem Gregors I, den
Mommsen einmal mit schwer verständlicher Kurzsichtigkeit
einen kleinen großen Mann genannt hat. Er
scheut auch harte Urteile nicht, wo ihm die päpstliche
Politik (sie steht ihm, m. E. mit Recht, überall
im Vordergrund) im byzantinischen Zeitalter dazu berechtigten
Anlaß gibt. Wer wie ich gerade diese Periode
mit eigenem Quellenstudium oft durchwandert hat, der
darf bezeugen, daß uns C a s p a r ein Geschichtsgemälde
geschaffen hat, das in den großen Zügen wie in den
Einzelheiten, mag hier auch manches strittig bleiben,
der Wahrheit entspricht. Den Fachgenossen, vielleicht
auch dem Verfasser, diene ich wohl am besten, wenn
ich ihnen aus den Notizen, die ich mir fortlaufend gemacht
habe, das Wesentliche zur Erwägung gebe.

Erstes Kapitel: Das Schisma des Acacius und Gelasius
I: Die „zwei Gewalten." S. 10 Anm. 6: Hinweis (wie auch
S. 76 Anm. 5 und S. 762) auf die immer wieder übersehenen Fälschungen
des Abbe Vigmcr, in diesem Falle mit dem Ergebnis, daß das im
Thiel'schen Text des Glückwunschschreibens des Leontius von Arles an
Papst Hilarus sich findende ecclesia Romana omnium mater nicht als
das älteste Zeugnis für diesen Titel der römischen Kirche in Anspruch
genommen werden darf, wie H. Koch (Cathedra Petri S. 86) vermeinte.
— Anm. 6 zu S. 16 (S. 747) : C. stimmt Geizer in Sachen TOToidoxTlS
oIxodiisvixo? zu. — S. 747, 9: 1.568 st. ^68. Gute Bemerkungen über
die Andreas-Gründerlegende. — S. 16: Worauf gründet sich die Annahme
, daß Kaiser Leo I „Januar 474" starb? War es nicht der
3. Februar? Vgl. meinen Artikel Monophysitcn RE 13, 379, 1. — S. 24:
Starb Papst Simplicius am 2., nicht vielmehr am 10. März? Daß sein
Fest am 2. ist, braucht nicht dagegen zu sprechen. — Anm. zu S. 32ff.
(S 749ff.): wichtige Notizen zur Schriftstellerei des Gelasius, besonders
zum ersten Traktat. - S. 35 Anm. 2: Das Henotikon von 482 ist „der
entscheidende Punkt, an welchem das kaiserliche Reichskirchenregiment
in Cäsaropapismus überging". Ungenügend Chrys. Baur, Die Anfänge des
byzantinischen C, AkKR 111, 1931, 99 ff. - Daß Petrus Mongus
29. Okt. 489 starb, ist keineswegs sicher. Vgl. RE 13, 384, 25 ff. Ich
bemerke, daß die in meinem Artikel gemachten Angaben zur Chronologie
der Patriarchen durchweg auf eigenen Studien beruhen. Sie sind
nur zum Teil durch erst später aufgedeckte Quellen überholt. — S. 62
Anm. 2: Hier und mehrfach (z. B. S. 110, Anm. 1) wird gegen die
Aufstellungen von Königer, Prima sedes a nemine iudicatur (Festgabe